In diesem Beteiligungsverfahren auf Bundesebene wurden erstmals nicht nur kommunale Spitzenverbände, Länder und Verbände eingebunden, sondern auch zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger beteiligt.
Die Bertelsmann Stiftung begleitete und evaluierte in Zusammenarbeit mit der Johannes Gutenberg-Universität Mainz das Bürgerbeteiligungsverfahren. Im Zentrum der Evaluation stehen unter anderem die Frage nach dem„partizipatorischen Fußabdruck“ sowiedie Frage nach der Zufriedenheit und Akzeptanz der Bürger, der Politik und der Verwaltung. Das Pilotprojekt hilft zu verstehen, wie eine Verknüpfung von Bürgerbeteiligung und repräsentativer Demokratie auf Bundesebene funktionieren kann.
Der Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung stellt das zentrale Handlungsinstrument zum Erreichen der nationalen Klimaschutzziele bis 2050 dar, gibt inhaltliche Orientierung und gestaltet den Fahrplan in Richtung einer klimaneutralen Volkswirtschaft .
Im Rahmen des Beteiligungsverfahrens zum Klimaschutzplan 2050 wurden erstmals nicht nur kommunale Spitzenverbände, Länder und Verbände eingebunden, sondern auch direkt zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger beteiligt. Sie wirkten aktiv bei der Ausgestaltung und Bewertung von Maßnahmen und Strategien zum Klimaschutz mit. Kernstück des Beteiligungsverfahrens war der „Tag des Bürgerdialogs zum Klimaschutzplan 2050“ am 14. November 2015, der zeitgleich an fünf Orten in Deutschland stattfand. Ergänzt wurden diese Veranstaltungen durch einen Online-Dialog. Das Bürgerbeteiligungsverfahren sollte als ein Musterbeispiel für Öffnung und Transparenz gestaltet werden.
Fragenkatalog zur Evaluation
- Ist der „partizipative Fußabdruck“ der Bürgerempfehlungen im Klimaschutzplan 2050 erkennbar?
- Gelingt es, qualitativ hochwertige Ergebnisse hervorzubringen?
- Wie wird das Beteiligungsverfahren von den Bürgern aufgenommen? Wie von der Verwaltung und der Politik?
- Gelingt es, eine Vielzahl an Meinungen abzubilden und unterschiedliche Bevölkerungsgruppen zu motivieren?
- Wie gut funktionieren die Schnittstellen zum formalen repräsentativen Verfahren?
- Welcher Mehrwert kann durch das Bürgerbeteiligungsverfahren gegenüber dem normalerweise üblichen Verfahren erzielt werden?
- Inwieweit führt das Bürgerbeteiligungsverfahren zu einem besseren Zusammenwirken von Politik, Verwaltung und Bürgerschaft?
Ergebnisse
Durch die Studie wird deutlich: Die Einbindung von Bürgern in den Politikalltag auf Bundesebene funktioniert und ist sinnvoll. Bürger können und wollen sich konstruktiv auch in komplizierte bundespolitische Themen einbringen. Sie haben wertvolle Anregungen und Kommentare beigesteuert und den Klimaschutzplan 2050 damit bereichert. Insbesondere wenn es um richtungsweisende gesellschaftliche Zukunftsthemen wie den langfristigen Klimaschutz geht, wirkt es sich positiv auch auf die repräsentative Demokratie aus, wenn Bürger mitwirken können.
Auch wenn solche Bürgerbeteiligungs-Verfahren Aufwand bedeuten, überwiegen die Vorteile: Politische Maßnahmen werden einem Praxistest unterzogen, ihre Qualität wird erhöht und die Akzeptanz für Verfahren und Ergebnisse gesteigert.
Die Studie zeigt die weiteren zahlreichen Vorteile, Bürger an der Gesetzgebung zu beteiligen:
Ein Augenmerk in unserer Untersuchung lag darauf, mit welchen neuartigen Methoden das Bundesumweltministerium bewährte Stakeholder mit den Bürgern zusammenführt. Diese Methoden wurden sowohl von Teilnehmern des Prozesses als auch von den Initiatoren insgesamt positiv und als Bereicherung bewertet.
Die Konzeption eines solchen innovativen Verfahrens ist anspruchsvoll. Besonders das Herstellen von gleichen Regeln für alle, also die gleiche Augenhöhe zwischen allen Beteiligten ist entscheidend. Dazu gehört auch ein klares Verständnis davon, in welchem Maß jeder Einfluss nehmen kann und welche Bedeutung der Beteiligung im Entscheidungsprozess zukommt.
Die Studie zeigt: In gut moderierten Vor-Ort-Veranstaltungen entwickeln Bürger durch gemeinsames Beratschlagen mindestens ebenso gute Vorschläge wie die etablierten Experten.
Zunächst haben Experten und Bürger ihre Vorschläge unabhängig voneinander, aber teilweise spiegelbildlich erarbeitet. Anschließend führte das Bundesumweltministerium viele Vorschläge beider Gruppen zusammen. 18 Maßnahmen der Bürger waren so innovativ, dass das Ministerium sie ohne Ergänzungen übernahmen. Von den gemeinsamen Vorschlägen beider Gruppen finden sich mehr als die Hälfte im Klimaschutzplan 2050 wieder.
Die Ergebnisse der Untersuchungen unterstreichen: Das Instrument "Zufallsauswahl der teilnehmenden Bürger" hat sich bewährt. Hierdurch ist es gelungen, sowohl die Vielfalt der im Prozess vertretenen Meinungen als auch die Akzeptanz gegenüber dem Prozess insgesamt zu steigern. Auch für zukünftige Entscheidungsverfahren, nicht nur auf Bundesebene, empfiehlt es sich, Teilnehmer mithilfe des Zufallsprinzips auszuwählen.
Eine begleitende Online-Plattform ist aus zweierlei Gründen unverzichtbar. Zum einen garantiert sie die Transparenz und Offenheit des Verfahrens. Zum anderen ermöglicht sie den Teilnehmern, die erarbeiteten Ergebnisse zu kommentieren.
Tatsächlich wurde die Plattform von den Bürgern allerdings weniger stark genutzt als erwartet. Deshalb sollten die Initiatoren von Bürgerbeteiligungs-Verfahren derartige Online-Plattformen umfassend bewerben, um die Chancen des Internets für eine breite Beteiligung der Bevölkerung zu nutzen.
Auch wenn man die Bürgerbeteiligung auf jedes Thema, Ziel und jede Situation flexibel anpassen können sollte, sind klare Strukturen und verbindliche Regelungen hilfreich – auch um die finanziellen und personellen Ressourcen sinnvoll einzusetzen. Dazu gehört beispielsweise ein Online-Beteiligungsportal, das Informationen und Stellungnahmen bündelt und transparent macht aber auch eine sorgfältige Vorbereitung, die zu Beginn die Beteiligungsformate und -spielregeln sowie den zeitlichen und inhaltlichen Ablauf festlegt. Entscheidend ist es auch, zu regeln, wie man mit dem Feedback der Beteiligten umgeht und wie man das Verfahren öffentlich kommuniziert.
Die Studie erhalten Sie als unten stehende Publikation zum Download.