Hände schenken Geldschein bei Bestechung von einem Amtsträger

Korruption bremst Fortschritte bei der Umsetzung nachhaltiger Politik in OECD- und EU-Staaten aus

Korruption, ineffektive Regierungsführung und wenig nachhaltige Politikergebnisse gehen oft Hand in Hand. Umso schwerer wiegt, dass es 14 OECD- und EU-Staaten nicht mehr gelingt, Amtsmissbrauch öffentlicher Mandatsträger wirksam entgegenzuwirken. Auch in Vorreiterländern wie Dänemark, Neuseeland, Estland oder Schweden bleibt Korruptionsprävention eine Daueraufgabe, soll die Demokratie wetterfest für die Zukunft gemacht werden.

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Dr. Christof Schiller
Senior Project Manager

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Von Christof Schiller und Leon Klein

Das Thema Korruption ist nicht zuletzt seit dem Korruptionsskandal um die inhaftierte Ex-Vizepräsidentin des Europaparlaments, Eva Kaili, wieder in aller Munde. Auch der heute erschienene Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) 2022 von Transparency International zeichnet ein kritisches Bild. Der CPI bewertet seit 1995 die wahrgenommene Korruption in 180 Ländern und greift dafür unter anderem auch auf Daten des Sustainable Governance Indicators (SGI)-Projekts der Bertelsmann Stiftung zurück.

Im SGI-Projekt untersuchen wir seit 2009 die Zukunftsfähigkeit der OECD- und EU-Staaten mit Blick auf die Robustheit demokratischer Prozesse und Institutionen, die Qualität der Regierungsführung und die Nachhaltigkeit der geschaffenen Politiklösungen in der Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik. In der Gesamtschau zeigt sich ein starker stabiler Zusammenhang zwischen effektiver Korruptionsbekämpfung einerseits sowie guter Regierungsführung und der Schaffung effektiver nachhaltiger Politiklösungen andererseits. Kurz: Länder, denen es gelingt, Amtsmissbrauch wirksam einzuhegen, sind oft auch erfolgreicher bei der Umsetzung einer nachhaltigeren Politik.

Positive Entwicklung bei Korruptionsbekämpfung kehrt sich ins Gegenteil

Grund genug für uns, einmal genauer die zeitliche Entwicklung und beobachtbaren Trends beim SGI-Indikator Korruptionsprävention unter die Lupe zu nehmen. Bei diesem und allen anderen 70 Indikatoren des SGI-Projekts bewerten Länderexperten für 41 OECD-Staaten auf einer Skala von 1 bis 10 und anhand detaillierter Ländergutachten den jeweiligen Politikfortschritt. Beim Indikator Korruptionsprävention etwa wird bewertet, inwieweit rechtliche, politische und öffentliche Integritätsmechanismen verhindern, dass Inhaber öffentlicher Ämter ihr Amt missbrauchen. Von Interesse sind die Prüfung der Staatsausgaben, die Regulierung der Parteienfinanzierung, der Zugang der Bürger und Medien zu Informationen, die Rechenschaftspflicht der Amtsträger (Vermögenserklärungen, Regeln für Interessenkonflikte, Verhaltenskodizes), transparente öffentliche Beschaffungssysteme oder eine wirksame Verfolgung von Korruption.

Von 2012 bis zum Jahr 2016 hat sich die durchschnittliche Bewertung der ergriffenen Maßnahmen zur Korruptionsprävention in den OECD- und EU-Staaten verbessert. Seitdem hat sich das Bild jedoch ins Negative gekehrt. Der Durchschnittswert aus allen Ratings fiel von 2017 bis 2022 von 6,6 auf 6,3.   

In 12 Staaten gelang es im Urteil unserer Länderexperten nicht, institutionelle Vorkehrungen zu schaffen, um Amtsmissbrauch öffentlicher Mandatsträger wirksam zu verhindern. In Ungarn und der Türkei müssen Amtsträger aktuell sogar gar keine strafrechtliche Verfolgung mehr fürchten.

Ungarn, Türkei und Polen mit besorgniserregendem Trend

In Ungarn beispielsweise sind wichtige Positionen wie z.B. die Position des Generalstaatsanwalts oder die Leitung des Rechnungshofes durch Personen besetzt, die der Regierungspartei Fidesz nahestehen. Dies verhinderte in der Vergangenheit bereits Ermittlungen gegen in Skandale verwickelte Mitglieder der Fidesz-Partei oder die Überprüfung der undurchsichtigen Aktivitäten der Orbán-Regierung.  Weiterhin wurde die Wirksamkeit der Anti-Korruptionsvorschriften für die öffentliche Beschaffung stark eingeschränkt. Auch in der Türkei sind die Vorschriften im öffentlichen Beschaffungswesen überaus korruptionsanfällig. Bestimmte Sondervermögen wie der sogenannte Turkey Wealth Fund sind für den Rechnungshof nicht einsehbar. Zudem wurde die Arbeit des türkischen Rechnungshofes durch den Übergang der Türkei zu einem präsidentiellen System teilweise untergraben, da die neuen Zuständigkeiten und Aufgabenbereiche teilweise noch nicht geklärt sind.

Ein Land, welches in den letzten Jahren große Rückschritte bei der Korruptionsbekämpfung gemacht hat, ist Polen. Das von der rechts-populistischen PiS Partei regierte Land ist seit 2016 schrittweise vom oberen Mittelfeld ins untere Drittel des Rankings auf den 32. Platz abgerutscht. Da der Generalstaatsanwalt, Zbigniew Ziobro, zugleich Justizminister in der PiS Regierung ist und auch die höchsten Gerichte nach Neuernennungen nicht mehr als politisch unabhängig bewertet werden können, mangelt es an effektiver Korruptionsbekämpfung. Abseits der institutionellen Missstände fehlt es der polnischen Regierung zudem an Willen, Korruption verstärkt zu bekämpfen. Diverse Empfehlungen der Staatengruppe gegen Korruption des Europarats (GRECO) wurden bisher ignoriert.

Institutionelle Mechanismen der Korruptionsbekämpfung bedürfen kontinuierlicher Weiterentwicklung

Während der Präsidentschaft Donald Trumps in den USA sah es eine Zeitlang so aus, als würden die USA einen ganz ähnlichen Weg wie Polen beschreiten. Das lag insbesondere an Trumps kaum verhohlener Missachtung etablierter Praktiken zur Vermeidung von Interessenskonflikten. Der große Unterschied zu Polen und letztendlich auch der Hauptgrund, weshalb die USA heute nicht dort stehen wo Polen, liegt am unverändert starken institutionellen Gefüge zur Korruptionsbekämpfung und Rechnungsprüfung in den USA. Präsident Biden rief zuletzt den Kampf gegen die Korruption als ein zentrales Sicherheitsinteresse der USA aus und drängte auf die Verabschiedung neuer Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung in der eigens dafür vorgestellten „United States Strategy On Countering Corruption“. Die Strategie sieht Verbesserungen in mehreren Bereichen vor, darunter der transnationalen Kooperation im Kampf gegen Korruption, die weltweite Eindämmung von illegaler Finanzierung oder Ansätze, um korrupte Akteure effektiver zur Rechenschaft ziehen. Inwieweit diese Initiative aus dem Weißen Haus erfolgreich sein wird, bleibt abzuwarten.  

Estland hat sich in den vergangenen Jahren erst eine Spitzenposition in der Korruptionsprävention erarbeitet. Grundlage dafür sind eine Reihe von institutionellen Mechanismen, die Estland aus Sorge vor Machtmissbrauch und Korruption eingeführt hat. Zu den Überwachungsinstanzen zählen in Estland der Nationale Rechnungshof, das Antikorruptionsgesetz, der parlamentarische Sonderausschuss für die Anwendung des Antikorruptionsgesetzes und der Überwachungsausschuss.  Diese Bemühungen sind von Erfolg gekennzeichnet, denn die Zahl der registrierten Korruptionsdelikte ist im Zeitraum 2019 bis 2021 deutlich zurückgegangen.

Eine Auswertung unserer SGI-Daten zeigt, dass institutionellen Schwächen in der Korruptionsbekämpfung häufig Teil eines viel weitreichenderen Problems des Abbaus demokratischer Standards und Prozesse sind. In Ländern mit unterentwickelter Korruptionsbekämpfung steht oft seit geraumer Zeit die Demokratie insgesamt unter Druck.

Dies verdeutlicht, dass erfolgreiche Korruptionsbekämpfung Teil einer größeren Aufgabe zur Schaffung eines nachhaltigen demokratischen Gemeinwesens ist. Auch in Spitzenländern wie Dänemark, Neuseeland oder Schweden müssen daher die Bemühungen für eine erfolgreiche Einhegung der Korruption weiter gehen, wie jüngste Skandale auch in diesen Ländern anschaulich zeigen.

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