So würde die Wiedereinführung von Grenzkontrollen zu massiven Kosten- und Preissteigerungen führen, die sich negativ auf das Wirtschaftswachstum in Europa auswirken. Schon in einem optimistischen Szenario mit einem moderaten Anstieg der Preise für aus dem europäischen Ausland importierte Güter um lediglich ein Prozent wären die damit verbundenen Wachstumseinbußen erheblich. Für Deutschland würden sich die Einbußen bei konservativen Annahmen innerhalb von zehn Jahren zwischen 2016 und 2025 auf 77 Milliarden Euro aufaddieren. Für Frankreich ergäbe sich ein kumulierter Wachstumsverlust von 80,5 Milliarden Euro. Und für die EU insgesamt würden sich die Einbußen beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) innerhalb von zehn Jahren auf rund 470 Milliarden Euro aufsummieren. In einem pessimistischen Szenario wird von einem Anstieg der Importpreise um drei Prozent ausgegangen. Dabei würden sich die BIP-Einbußen in Deutschland auf 235 Milliarden Euro aufsummieren. In Frankreich lägen sie bei 244 Milliarden Euro und in der EU bei 1,4 Billionen Euro.
Für Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung, sind diese Ergebnisse ein klares Argument gegen die Wiedereinführung von Grenzkontrollen innerhalb Europas: "Wenn die Schlagbäume innerhalb Europas wieder runtergehen, gerät das ohnehin schwache Wachstum in Europa noch stärker unter Druck. Am Ende zahlen alle Menschen die Rechnung."
Ausgangspunkt für diese Berechnungen sind die Zeitverluste, die sich aus den Personenkontrollen an den Grenzen innerhalb Europas ergäben. Längere Wartezeiten bedeuten für die Unternehmen höhere Personalkosten. Zudem müssen die Lagerbestände erhöht werden, weil Just-in-time-Lieferungen nicht mehr garantiert werden können. Aus beiden Entwicklungen resultieren steigende Produktionskosten, die zu einem Preisanstieg führen. Höhere Preise reduzieren die Konsumnachfrage und verringern zudem die internationale Wettbewerbsfähigkeit, also auch die Exporte. Die nachlassende Güternachfrage führt schließlich zu sinkenden Investitionen. Unternehmen passen sich an die nachlassenden Absatzchancen an und schränken ihre Produktion ein. Damit lässt das Wirtschaftswachstum nach.
Wegen der zunehmenden internationalen Verflechtungen wären auch Länder außerhalb Europas von diesen wachstumsdämpfenden Effekten betroffen. Im Fall einer einprozentigen Erhöhung der Importpreise würden sich die Wachstumsverluste zwischen 2016 und 2025 in den USA und China auf 91 beziehungsweise. 95 Milliarden Euro aufsummieren. Bei einem Anstieg der Importpreise um drei Prozent lägen die kumulierten Wachstumseinbußen in beiden Ländern bei circa 280 Milliarden Euro.
Über die Studie:
Die Berechnungen wurden im Auftrag der Bertelsmann Stiftung von der Prognos AG mit Hilfe eines makroökonomischen Modells durchgeführt, das 42 Länder und damit mehr als 90 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung abdeckt. Es behandelt neben der Entstehung und Verwendung der produzierten Güter und Dienstleistungen auch den Arbeitsmarkt und die öffentlichen Finanzen und verbindet dabei alle beteiligten Länder über Exporte, Importe, Wechselkurse etc. miteinander. Das Modell wird zur Berechnung von Prognosen und Szenarien eingesetzt.
Projekte
- Global Economic Dynamics (GED)