Pressemitteilung, , Berlin/Gütersloh: Israelis sehen Deutsche positiver als früher

Antisemitismus in Deutschland auf dem Rückzug?

Danach hat der Anteil der Israelis, die eine positive Meinung über Deutschland haben, seit 1991 von 48 Prozent auf 57 Prozent zugenommen. Unter amerikanischen Juden haben 56 Prozent eine positive Meinung von Deutschland, 14 Prozent sogar eine sehr gute. Umgekehrt glauben heute nur noch 9 Prozent der Israelis, man könne sich nicht mit den Deutschen versöhnen, gegenüber 22 Prozent vor 15 Jahren. Gleichzeitig sehen weitaus mehr Israelis Deutschland heute als gefes­tigte Demokratie. Kurz nach der Wiedervereinigung Deutschlands glaubten fast 80 Prozent, Deutschland sei durch extremistische Gruppen gefährdet, heute glauben dies weniger als die Hälfte (46 Prozent).

Während knapp die Hälfte der Israelis und 40 Prozent der amerikanischen Juden vermuten, ein großer Teil der Deutschen sei antisemitisch eingestellt, legt die Studie nahe, dass dies nur für eine Minderheit der Deutschen zutrifft und klassische antisemitische Vorstellungen über Juden in Deutschland eher auf dem Rückzug sind. So lehnen mehr Deutsche als früher die Auffassung ab, die Juden seien mitschuldig, wenn sie gehasst würden oder versuchten aus ihrer Vergangenheit Vorteile zu ziehen. Auch ist in den vergangenen 15 Jahren die Zahl der Deutschen deutlich ge­wachsen, die sich schämen, dass Deutsche so viele Verbrechen an den Juden begangen haben, und die auch keinen Schlussstrich unter die Vergangenheit ziehen wollen.

"Ganz offensichtlich sind die Zentren in den Gesellschaften einander positiver eingestellt als noch Anfang der 90er Jahre", interpretiert Prof. Werner Weidenfeld, Mitglied des Vorstands der Bertels­mann Stiftung, die Ergebnisse der Erhebung. "Die gegenseitige Wahrnehmung von Deutschen und Israelis hat sich insgesamt entpolarisiert und ist entkrampfter geworden."

Dies lasse sich klar auch an anderen Themen der Befragung aufzeigen. Danach zeigen die Deut­schen heute mehr Verantwortungsgefühl für das jüdische Volk als früher und weitaus mehr Men­schen zeigen Verständnis für die israelische Politik. Das wird von den Israelis honoriert. Ein großer Teil der Israelis hält die deutsche Politik gegenüber Israel für freundlicher als die der anderen eu­ropäischen Staaten. Und Angela Merkel genießt in Israel deutlich mehr Sympathie als Jacques Chirac oder Wladimir Putin. Nur George W. Bush ist den Israelis noch sympathischer.

Tatsächlich sympathisieren nach diesen Zahlen im Nahostkonflikt heute doppelt so viele Deutsche (28 Prozent; 1991: 8 Prozent) eher mit Israel als mit der arabischen Seite (14 Prozent). Und wäh­rend damals noch ein Viertel meinten, die Israelis müssten im Nahost-Konflikt mehr nachgeben als die Palästinenser, denken dies heute nur noch 6 Prozent. Aber die Mehrheit sieht sich unent­schieden oder indifferent.

"Dennoch darf nicht übersehen werden", so ergänzt Prof. Weidenfeld, "dass zum einen die histori­sche Erfahrung des Holocaust weiterhin die gegenseitige Wahrnehmung stark beeinflusst und zu­dem zwischen Deutschen und Israelis eine unterschiedliche Bewertung internationaler Probleme besteht."

So sehen weiterhin 78 Prozent der Israelis und 54 Prozent der amerikanischen Juden ihre Ein­stellung zu den Deutschen durch die Judenverfolgungen belastet. Das glaubt auch jeder zweite Deutsche. Und in der Bewertung der aktuellen Politik unterscheiden sich viele Einschätzungen der Deutschen von denen der Israelis und amerikanischen Juden dramatisch. Während Dreiviertel der Israelis den Einsatz der Bundeswehr im Libanon befürworten, ist fast jeder zweite Deutsche (47 Prozent) dagegen, 49 Prozent sind dafür. 80 Prozent der Israelis und 72 Prozent der befragten amerikanischen Juden befürworten einen militärischen Schlag gegen den Iran, wenn dieser eine Atombombe bauen sollte. Doch nur 32 Prozent der Deutschen hielten einen entsprechenden Mili­tärschlag für gerechtfertigt.

Stephan Vopel, Projektleiter der Bertelsmann Stiftung, verweist auf Gründe der Diskrepanz bei der Beurteilung politischer Fragen: "Deutsche und Israelis besitzen aufgrund der historischen Erinne­rung, aber auch wegen ihrer ganz anderen politischen Realität völlig andere politische Kulturen. Daraus resultieren auch stark unterschiedliche Schlussfolgerungen für den Umgang mit Konflikten. Während es für die Israelis heißt 'nie wieder Opfer', lautet die Maxime der Deutschen 'nie wieder Krieg'."

Die Studie über das Verhältnis von Deutschen und Juden beruht auf einer repräsentativen demo­skopischen Befragung von TNS EMNID, die im Januar im Auftrag der Bertelsmann Stiftung in Deutschland, Israel und unter amerikanischen Juden durchgeführt wurde. Als Vergleich diente eine Erhebung aus dem Jahre 1991. Die Ergebnisse der Studie werden am Montag und Dienstag an­lässlich des Deutsch-Jüdischen Dialogs diskutiert, den die Bertelsmann Stiftung vor 15 Jahren ins Leben gerufen hat und zu dem führende Persönlichkeiten und renommierte Experten aus Deutschland, Israel und den USA erwartet werden.

Über die Bertelsmann Stiftung:

Die Bertelsmann Stiftung setzt sich für das Gemeinwohl ein. Sie engagiert sich in den Bereichen Bildung, Wirtschaft und Soziales, Gesundheit sowie Internationale Verständigung und fördert das friedliche Miteinan­der der Kulturen. Durch ihr gesellschaftliches Engagement will sie alle Bürgerinnen und Bürger ermutigen, sich ebenfalls für das Gemeinwohl einzusetzen. Die 1977 von Reinhard Mohn gegründete, gemeinnützige Einrichtung hält die Mehrheit der Kapitalanteile der Bertelsmann AG. Die Bertelsmann Stiftung arbeitet ope­rativ und ist unabhängig vom Unternehmen sowie parteipolitisch neutral.


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