Pressemitteilung, , Gütersloh: Studie: Große Mehrheit der Deutschen für weitere Reformen – Bürger sehen den Staat in der Verantwortung

Bertelsmann Stiftung will Dialog mit Bürgern über Reformen stärken

Die Studie zum Staatsverständnis der Deutschen lässt nach Einschätzung der Bertelsmann Stiftung darauf schließen, dass wichtige Reformen nur sehr unzureichend von Bürgerinnen und Bürgern wahrgenommen wurden. Immerhin gaben 44 Prozent der Befragten an, in die­sem Zeitraum keine gewichtigen Veränderungen auf Staats- bzw. Verwaltungsebene bemerkt zu haben. "Der Kenntnisstand der Bevölkerung über die Rolle des Staates und notwendige Reformen muss künftig durch Informationsarbeit und den Dialog mit den Bürgern verstärkt werden", sagte der Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stiftung, Professor Heribert Mef­fert, bei der Vorstellung der Untersuchung.

Die wahrgenommenen Veränderungen liegen größtenteils im Bereich Arbeit: 38 Prozent der Befragten geben an, in den vergangenen Jahren Reformen auf dem Arbeitsmarkt wahrge­nommen zu haben. Etwas weniger als jeder Vierte erinnert sich an Reformen des Gesund­heitssystems. Als weitere wichtige Veränderungen geben 14 bzw. 13 Prozent der Befragten die Renten- und Bildungsreform an.

Fragt man die Deutschen ganz allgemein nach ihrem Staatsverständnis, geben immerhin 69 Prozent an, die Bürger selbst seien für ihr Wohlergehen verantwortlich. Geht es allerdings um konkrete gesellschaftliche Aufgaben wie Ausbildung, Vorsorge gegen Arbeitslosigkeit, Kin­derbetreuung oder die Versorgung Pflegebedürftiger, liegt aus Sicht der Bürger die Verant­wortung eindeutig beim Staat. "Von der Bürgergesellschaft sind wir nach dem Selbstver­ständnis der Befragten noch ein gutes Stück entfernt", interpretiert Meffert die Umfrageer­gebnisse.

Für diese Sichtweise spricht auch die Tatsache, dass der Staat primär mit organisatorischen und administrativen Funktionen in Verbindung gebracht wird. Mehr als zwei Drittel der Be­fragten sehen den Staat eindeutig als Verwalter, Überwacher und Regulierer. Demgegenüber tritt die Funktion des Staates, der seine Bürger aktiviert und animiert deutlich zurück. Es fällt auf, dass die älteren Befragten den Staat eher in seiner Rolle als "Aktivator" begreifen, wäh­rend die Jüngeren ein eher administratives Rollenverständnis haben.

Als wichtigste Aufgabe des Staates nennen die Befragten die Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung (93 Prozent). Zudem soll der Staat die Chancengleichheit bei der Bildung ge­währleisten (89 Prozent) und für mehr Gerechtigkeit sorgen (89 Prozent).

Ziel der Umfrage war die Erfassung eines aktuellen Meinungsbildes zum Staat in seinen ver­schiedenen Facetten. Dazu wurden im August 2005 insgesamt rund 1.000 Personen ab 14 Jahren nach ihren Einstellungen befragt.