Pressemitteilung, , Berlin: Verteidigungsminister Jung beim IBF 2006: „Äußere und innere Sicherheit sind nicht mehr voneinander zu trennen“

Kissinger beschwört zum Abschluss des International Bertelsmann Forum die Wiederbelebung der transatlantischen Partnerschaft

Jung verteidigte ausdrücklich den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan und im Kongo. In Afghanistan gehe es neben der Herstellung von Sicherheit und Stabilität vor allem um den zivilen Wiederaufbau. Auch das Engagement im Kongo sei im vitalen Interesse Europas. Gelinge eine Stabilisierung der politischen Verhältnisse nicht, nehme der ohnehin große Migrationsdruck aus Afrika weiter zu. Mit Blick auf die Anstrengungen Irans, Atomwaffen herzustellen, plädierte Jung für eine Fortsetzung der diplomatischen Bemühungen. Dabei müssten Europa, die USA, Russland und China an einem Strang ziehen.

Der polnische Verteidigungsminister Radoslaw Sikorski warnte eindringlich vor einem Scheitern des Nato-Einsatzes in Afghanistan und vor einer militärischen Niederlage der USA im Irak. In der Folge würde der internationale Terrorismus weiter zunehmen. Aufgrund seiner geographischen Nähe wäre Europa davon viel stärker betroffen als die USA. Vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen mit der islamischen Welt beschwor Sikorski eine Besinnung auf die gemeinsamen Werte Europas. Kritik an Deutschland äußerte der polnische Verteidigungsminister wegen des Ostsee-Pipeline-Projektes mit Russland. Die EU sein nicht länger nur West-Europa. Sein Land empfinde das Projekt als „Umgehung“. Es sei überdies geeignet, das Misstrauen in Polen gegenüber Deutschland zu schüren.

In einem eindringlichen Appell forderte der ehemalige italienische Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi die Europäer auf, sich stärker für das europäische Projekt zu engagieren. Vor dem Hintergrund der Verfassungskrise und einem stockenden Integrationsprozess sagte Ciampi: „Europas Zukunft steht auf dem Spiel.“ Er hob insbesondere die Bildung der Jugend als große Aufgabe hervor, um die europäische Identität zu stärken.

Der ehemalige amerikanische Außenminister Henry A. Kissinger betonte in einem abschließenden Resümee, dass es in einer veränderten sicherheitspolitischen Weltlage – er nannte modernen Terrorismus, die iranischen Nuklearambitionen, den Irak und Palästina – unerlässlich sei, dass Europa und die USA wieder zu einem atlantischen Dialog fänden.

Werner Weidenfeld, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung und Moderator des zweitägigen Forums, konstatierte am Ende der Veranstaltung ein strategisches Defizit der Politik und hob die besondere Bedeutung eines solchen Forums hervor. Im Zusammenspiel mit der Politik könne auf diese Weise das „Kontinuum eines strategischen Dialogs“ entstehen.

Bereits zum Auftakt der Konferenz hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ungewöhnlich deutlichen Worten ein vorläufiges Ende der EU-Erweiterung gefordert. Wenige Monate vor Beginn der Ratspräsidentschaft sagte sie: „Auf absehbare Zeit können wir keine neuen Zusagen machen, was neue Mitgliedschaften anbelangt.“ Die Staaten des Balkan nahm die Kanzlerin dabei ausdrücklich aus. Die Europäische Union müsse darauf achten, dass sie „arbeitsfähig und wettbewerbsfähig“ bleibe, sagte Merkel zur Begründung ihres „Nein“ zu neuen Beitrittsversprechungen.

Auf dem International Bertelsmann Forum kündigte die Bundeskanzlerin zugleich an, Deutschland wolle während der Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 die Weichen für eine neue EU-Verfassung stellen. Die Präsidentschaft solle unter dem Leitmotiv „Europa neu begründen“ stehen. Merkel kündigte an, Deutschland werde bis Mitte nächsten Jahres einen Fahrplan vorlegen, um den Verfassungsprozess wie geplant bis 2009 zu Ende zu bringen. Die Bundeskanzlerin unterstrich auch, wie wichtig eine europäische Außenpolitik sei. Der Einsatz im Libanon zeige, wie „dramatisch“ Europa in der Verantwortung stehe. Das militärische Engagement müsse nun durch eine gemeinsame Politik flankiert werden, „sonst fragen uns die Leute, was wir da tun“.