Nicht nur für rund 2500 Athleten geht ab heute Abend in Sotschi der Traum von Olympia in Erfüllung. Auch Larissa Markus, ehemalige Teilnehmerin eines Leadership-Programms der Bertelsmann Stiftung, ist als freiwillige Helferin Teil der Olympischen Winterspiele 2014. Vor Ort in Russland erlebt sie stolze, herzliche Gastgeber - und trotz aller Kontroversen im Vorfeld eine unbelastete Stimmung.
Einmal an den Olympischen Spielen teilzunehmen, ist für viele ein Kindheitstraum. Dies gilt nicht nur für die rund 2500 Athleten, die in den kommenden zwei Wochen bei den Olympischen Winterspielen im russischen Sotschi an den Start gehen. Auch Larissa Markus setzt nun in die Tat um, wovon sie schon von klein auf träumte: "Mein großer Wunsch war, einmal Olympia zu erleben", sagt die gebürtige Kasachin, die 2001 nach Deutschland auswanderte und heute in Caputh bei Potsdam lebt. Auch wenn sie in ihrer Jugend in der damaligen Sowjetunion eine begeisterte Eiskunstläuferin war, kämpft sie nun nicht um Gold, Silber oder Bronze - dennoch ist sie Teil der Spiele von Sotschi: Bis zum 26. Februar betreut sie als freiwillige Helferin die deutsche Olympiamannschaft.
Sie ist Ansprechpartnerin für Athleten und Betreuer im Olympischen Dorf - wenn ein Schlüssel fürs Zimmer verloren gegangen ist, hilft sie beispielsweise ebenso weiter, wie wenn es um den Weg vom Dorf zur Trainingsstätte geht. "Ich denke, ich kann hier nützlich werden", sagt sie bescheiden und freut sich, dass für sie persönlich bei ihrer Arbeit viele neue Erfahrungen und Begegnungen mit neuen Menschen abfallen.
Die Verständigung der Kulturen, ein Grundbestandteil der olympischen Idee, liegt Larissa Markus schon von Berufswegen am Herzen: Als Mitarbeiterin der Brandenburgischen Sportjugend setzt sie sich für die Integration insbesondere von Zuwanderinnen in Sportvereinen ein. 2010 erhielt sie für ihr Projekt "Inline-Skating von Migrantinnen für Migrantinnen" den Gleichstellungspreis des Deutschen Olympischen Sportbundes. 2010 und 2011 nahm sie am Leadership-Programm "Die Brückenbauer der Integration stärken" der Bertelsmann Stiftung teil. Mit diesem im vergangenen Jahr abgeschlossenen Qualifizierungsprogramm hat die Stiftung das Ziel verfolgt, das gesellschaftliche Engagement von Zuwanderern für die Integration in Deutschland nachhaltig zu verbessern.
Das dort gelernte Rüstzeug, um für gegenseitiges Verständnis der Kulturen zu werben, musste Larissa Markus in Sotschi bislang jedoch nicht anwenden. Die russischen Gastgeber haben sie und ihre deutschen Kollegen von vornherein sehr herzlich aufgenommen. Die kritische Berichterstattung auch der deutschen Medien über Menschenrechtsverletzungen, Kostenexplosion und Korruption im Vorfeld der Spiele sowie die Absage von Bundespräsident Joachim Gaucks Sotschi-Besuch hätten vor Ort jedenfalls keine Spuren hinterlassen, berichtet die Brandenburgerin: "Wir werden immer wieder sehr freundlich mit 'Ah, ihr seid aus Deutschland!' begrüßt. Deutschland hat einen sehr guten Ruf in Russland, deutsche Ordnung und Pünktlichkeit sind weltweit bekannt."
Und auch die angesichts von Terrordrohungen verschärften Sicherheitsvorkehrungen in der Olympiastadt nimmt Larissa Markus nicht negativ wahr: "Es sind vielleicht ein paar mehr Sicherheitskontrollen als vor zwei Jahren bei meinem Olympia-Besuch in London, aber es ist nicht zu viel oder belastend. Es gibt vielmehr ein sicheres Gefühl." Wirklich einschränken müssen sich die freiwilligen Helfer lediglich im Umgang mit den Athleten: "Wir dürfen die Sportler nicht direkt ansprechen, Fotos von ihnen machen oder sie um Autogramme bitten. Sie sollen sich hier wie zuhause fühlen."
Persönlich fühlt sich Larissa Markus spätestens beim Frühstück heimisch - das den ansonsten unbezahlten freiwilligen Helfern wie alle Mahlzeiten und die Unterbringung im Hotel kostenlos vom Organisationskomitee gestellt wird: "Da gibt es dann Sachen, die ich zuletzt in meiner Zeit in Kasachstan gegessen habe: Milchbrei und Plinsen", erzählt sie lachend. Gewöhnungsbedürftig sind für die Brandenburgerin dagegen die Temperaturunterschiede in der Olympia-Region: Während im Olympiapark von Sotschi am Schwarzen Meer auch um diese Jahreszeit Temperaturen von 15 Grad üblich sind, ist es am Austragungsort der Ski-, Snowboard- und Rodelwettbewerbe in den Bergen über Sotschi meist rund 20 Grad kälter. Dorthin wird Larissa Markus voraussichtlich in der kommenden Olympia-Woche ihren Einsatzort verlagern. Für den Klimawechsel ist sie allerdings gut präpariert: "Uns wurde schon im Vorfeld geraten, uns gegen Grippe impfen zu lassen. Das habe ich auch getan."
Überhaupt wurden die freiwilligen Helfer gewissenhaft auf ihre olympische Erfahrung vorbereitet: Nach ihrer Bewerbung als "Volunteer" auf der Internetseite der Spiele musste sich Larissa Markus etwa einem Englischtest und einem Interview via Skype unterziehen, bei der auch ihre Russischkenntnisse abgefragt wurden - für die gebürtige Kasachin keine schwere Übung. Zudem fanden noch in Deutschland zwei mehrtägige Vorbereitungstreffen statt, zu denen Referentinnen vom Russischen Olympischen Komitee anreisten.
Als freiwillige Helferin wird Larissa Markus nicht nur im Olympischen Dorf bleiben, sondern wird wie ihre Kollegen auch immer wieder Tickets für die olympischen Wettkämpfe zugelost bekommen. Am Dienstag konnte sie bereits die Generalprobe für die Eröffnungsfeier im Olympiastadion erleben. Eines ist ihr dabei besonders aufgefallen: "Die Russen zeigen bei diesen Spielen einen großen Stolz auf ihr eigenes Land, auf das, was sie hier geschafft haben." Und selbst wenn noch an einigen Ecken gewerkelt wird und sich noch immer Baustellen im Olympiapark über Nacht in Blumenbeete verwandeln, hat auch sie für die Organisatoren nur Lob übrig: "Ich finde, sie haben ihre Aufgabe erfüllt."
Stolz ist Larissa Markus ihrerseits auf die deutschen Athleten, von denen sie vor Ort schon unter anderem die Eisschnellläuferin Claudia Pechstein und die Biathletin Andrea Henkel kennengelernt hat: "Wir alle hoffen, dass unsere Sportler viele Medaillen gewinnen. Dazu leisten wir Helfer ja vielleicht einen ganz kleinen Beitrag - und sei es nur ein Prozent. Wir geben jedenfalls immer 100 Prozent." (fwa)