Pflegebranche tut sich schwer mit Suche nach Fachkräften im Ausland
Viele deutsche Unternehmen fremdeln noch immer mit der gezielten Ansprache ausländischer Fachkräfte. Zu stark wirkt die Logik des Anwerbestopps nach: Jahrzehntelang hat die Politik qualifizierte Zuwanderung allenfalls erlaubt, aber selten aktiv gefördert. Dies ist heute jedoch notwendig, wie das Beispiel der Pflegebranche zeigt.
Selbst bei faktischem Fachkräftemangel zögern Unternehmen, gezielt Arbeitnehmer aus dem Ausland für sich zu gewinnen. Das zeigt eine Studie der Bertelsmann Stiftung am Beispiel der Pflegebranche. Kaum ein anderer Wirtschaftszweig hat derart große Schwierigkeiten, qualifiziertes Personal zu finden. 61 Prozent der Pflegebetriebe haben Vakanzen. Durchschnittlich sind dort 4,3 Stellen unbesetzt. Trotzdem hat bislang erst ein Sechstel aller Pflegebetriebe Fachkräfte im Ausland rekrutiert.
Für die repräsentative Studie befragte das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) knapp 600 Arbeitgeber. Drei von vier Pflegebetrieben mit freien Stellen bezeichnen deren Besetzung als schwierig. Trotzdem setzen nur 16 Prozent auf Rekrutierung im Ausland. Lieber werben sie Personal von der Konkurrenz ab oder versuchen, den Krankenstand zu senken (20 beziehungsweise 83 Prozent).
Viele Hindernisse bei der Anwerbung ausländischer Fachkräfte
Trotz Personalmangels ist für mehr als die Hälfte der Pflegebetriebe ohne Rekrutierungserfahrung im Ausland dies auch künftig keine Option: Zu aufwendig, zu teuer, zu hohe rechtliche Hürden lauten die Begründungen. 83 Prozent der befragten Unternehmen mit Anwerbeerfahrung sind bereits auf bürokratische Hemmnisse und zwei Drittel auf Probleme bei der Anerkennung von Qualifikationen gestoßen. 60 Prozent hatten Schwierigkeiten mit der Einwanderungserlaubnis für Drittstaatler. Deshalb wünschen sich zwei Drittel der Unternehmen einen Abbau rechtlicher Hürden und 87 Prozent bessere Angebote an Sprach- und Integrationskursen.
Insbesondere kleine und mittlere Betriebe benötigen Unterstützung. Die Studie zeigt: Je größer das Unternehmen und je professioneller seine Personalabteilung, desto mehr ausländische Arbeitskräfte gewinnt es. Kaum aktiv sind die ambulanten Pflegedienste, von denen nur jeder Zehnte in den vergangenen drei Jahren Rekrutierungsversuche im Ausland unternommen hat. Dagegen war jede fünfte stationäre Krankenpflege- und Altenpflegeeinrichtung aktiv, um international zu rekrutieren.
In Spanien suchten deutsche Pflegebetriebe zuletzt am häufigsten Arbeitskräfte (61 Prozent). Dahinter folgen Polen und Kroatien (19 beziehungsweise 16 Prozent). Bei den wenigen Unternehmen, die auch Rekrutierungsversuche außerhalb der Europäischen Union unternahmen, verteilen sich die Aktivitäten vor allem auf osteuropäische und asiatische Länder, wie Bosnien-Herzegowina, die Ukraine, Russland, China oder die Philippinen.
Hohe Zufriedenheit mit aus dem Ausland gewonnenen Fachkräften
Pflegeeinrichtungen, die Mitarbeiter im Ausland rekrutiert haben, ziehen mehrheitlich ein positives Fazit. 60 Prozent sind mit den neuen Kollegen zufrieden oder sehr zufrieden. Positiv bewerten sie vor allem deren Einsatzbereitschaft: 48 Prozent der Betriebe schätzen diese höher ein als bei deutschen Mitarbeitern. Deutlich schlechter beurteilen sie die Praxiserfahrung der Migranten: 53 Prozent sagen, sie sei niedriger als die der übrigen Mitarbeiter.
Mehr qualifizierte Einwanderung entbindet die Pflegebranche laut Jörg Dräger, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung, jedoch nicht davon, Bezahlung, Arbeitsbelastung und Image zu verbessern. Hilfreich für eine erfolgreiche Anwerbung aus dem Ausland seien bessere Informationen für Unternehmen, ein bundesweit einheitliches Verfahren bei der Berufsanerkennung von Pflegefachkräften sowie einfachere und transparentere Zuwanderungsregeln. Um interessierten Arbeitgebern mehr Sicherheit zu geben, bedürfe es effizienter Stellenbörsen und der Zertifizierung von Personaldienstleistern.
Die komplette Studie finden Sie hier: