Die Mehrheit der Ukrainer ist weiter pro-europäisch und unterstützt einen EU- und NATO-Beitritt ihres Landes. Mit dem Wunsch nach einer stärkeren Westanbindung sind zahlreiche Erwartungen verbunden. Parallel lehnt der überwiegende Teil der ukrainischen Bevölkerung eine weitere Annäherung an Russland ab. Dies sind die Ergebnisse einer im Juli in Zusammenarbeit mit dem polnischen Institut für Öffentliche Angelegenheiten durchgeführten Umfrage der Bertelsmann Stiftung.
Wie in einer 2013 erschienenen Umfrage der Bertelsmann Stiftung und des Instituts für Öffentliche Angelegenheiten, so unterstützt auch 2015 etwas mehr als die Hälfte der Ukrainer den pro-europäischen Kurs Kiews. 51% sprechen sich für einen EU-Beitritt und 67% für einen NATO-Beitritt ihres Landes aus. Allerdings teilt die Frage der europäischen Integration die Generationen in zwei Lager: So stehen die älteren Befragten einer Westorientierung deutlich skeptischer gegenüber als die jüngeren: Während sie von 60% der 18- bis 24-Jährigen befürwortet wird, sprechen sich nur 48% der 50- bis 60-Jährigen und lediglich 42% der über 60-Jährigen dafür aus.
Die Befürworter einer stärkeren Anbindung an die Europäische Union versprechen sich davon vielerlei: An erster Stelle erwarten sie von der EU humanitäre Hilfe für Ukrainer, die vor dem militärischen Konflikt mit Russland flüchten (75%), gefolgt von wirtschaftlicher Unterstützung (73%), Visafreiheit (56%) und militärischer Hilfe für die in der Ostukraine kämpfenden Soldaten in Form von Ausrüstung und Trainingsaktivitäten (55%). Den Einsatz westlicher Bodentruppen zur Stärkung der ukrainischen Armee in der gewaltsamen Auseinandersetzung mit Russland befürwortet nur einer von drei Befragten.
In der Frage, ob sich ihr Land derzeit weiter von der EU entfernt habe oder nicht, sind die Ukrainer geteilter Meinung. Die meisten Befragten (44%) denken, dass ihr Staat Europa weder näher gekommen sei noch sich weiter von ihm entfernt habe. 21% der Interviewten glauben, dass sich beide Seiten angenähert hätten; 23 % sind gegenteiliger Ansicht.
Skepsis gegenüber Moskau und Ablehnung der Eurasischen Union wachsen
Im Zuge des russisch-ukrainischen Konflikts hat sich das Verhältnis beider Staaten deutlich verschlechtert. Waren 2013 noch 63% der Ukrainer der Ansicht, eine Vertiefung der Beziehungen zum Nachbarstaat sei im Interesse ihres Landes, sind es nun nur noch 30%. Außerdem befürworten 2015 lediglich 17% der Befragten das von Russland vorangetriebene Integrationsmodell der Eurasischen Union und eine entsprechende Einbindung der Ukraine. 2013 unterstützten noch doppelt so viele Ukrainer diese Idee. Darüber hinaus gibt rund die Hälfte der Befragten Moskau die Schuld am derzeitigen militärischen Konflikt. Ein Drittel hält beide Länder gleichermaßen für verantwortlich und 9% sehen in Kiew den Auslöser der gewaltsamen Auseinandersetzungen.
Mehrheit der Ukrainer unterstützt Sanktionen des Westens gegenüber Russland
Die Ukrainer befürworten mit einer Mehrheit von 65% die Sanktionen des Westens gegenüber Russland. 50% der Befragten plädieren sogar für eine Verstärkung der Strafmaßnahmen und 15% für deren Beibehaltung. Eine kleine Minderheit ist für eine Entschärfung oder Aufhebung der Sanktionen (6 beziehungsweise 8%). Ein Fünftel der Befragten bleibt allerdings unentschieden.
Die aktuelle Politik der westlichen Staaten gegenüber Moskau sieht die Mehrzahl der Ukrainer ebenfalls positiv. Am besten wird die Arbeit der polnischen Regierung bewertet (57%), gefolgt von der deutschen und der US-amerikanischen (51 beziehungsweise 46%). Auch hier ist aber ein Fünftel der Befragten unentschieden, wie er die Politik des Westens gegenüber Russland bewerten soll.
Die komplette Umfrage (in Englisch) finden Sie in der rechten Spalte. Das untenstehende Video fasst zentrale Ergebnisse der Umfrage anschaulich zusammen.