Letzter Halt Jordanien: Im kleinen Staat, umgeben von mächtigen Nachbarn wie Saudi-Arabien, Israel und Ägypten, leben derzeit rund 6,6 Millionen Einheimische. Mehr als die Hälfte davon ist palästinensisch-stämmig, flüchtete also einst aus den Palästinensergebieten oder ist Nachkomme von palästinensischen Flüchtlingen. Schon das zeigt: Jordanien ist seit Jahrzehnten Neuankömmlinge gewohnt. Doch der Bürgerkrieg im Nachbarland Syrien lies die Zahl der Arbeitsmigranten und Flüchtlinge im Land zuletzt sprunghaft ansteigen: Allein über 1 Million Syrer, davon 660.000 Flüchtlinge, hat hier mittlerweile Unterschlupf gefunden. Das stellt Jordanien auf eine harte Probe.
Zwar ist die jordanisch-syrische Grenze seit einem Selbstmordanschlag des sogenannten "Islamischen Staates" (IS) im Juni 2016 dicht. Doch das ressourcenarme arabische Land ist mit der großen Zahl von Flüchtlingen schon jetzt sichtbar überfordert. Nun rächt sich, dass seit je her eine gezielte Integrationspolitik fehlt. Jordanien ist weder Unterzeichner der Genfer Flüchtlingskonvention noch verfügt es über eine nationale Asyl- und Flüchtlingsgesetzgebung. Flüchtlinge werden traditionell nur als "Gäste" betrachtet.
Dementsprechend ist die Lage der syrischen Flüchtlinge im Land teilweise besorgniserregend. Nur ein Bruchteil hat eine legale Arbeitserlaubnis und so leben 90 Prozent an der Armutsgrenze. Hinzu kommen eine oftmals schlechte Gesundheitsversorgung und mangelhafte Schulbildung für die Kinder.
Zugleich verschärft die Flüchtlingssituation die sozialen Spannungen. Ein Großteil der Jordanier lebt ebenfalls an der Armutsgrenze, die Wirtschaftslage ist schlecht, 1 Million Menschen sind arbeitslos und hohe Lebenshaltungskosten bei zugleich niedrigen Löhnen stellen eine weitere Belastung dar. Hinzu kommt die nach wie vor ungelöste Palästinenserfrage. Unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung schränkte das Königshaus außerdem Schritt für Schritt die Rechte von Bürgern und Parlament ein. Niedrige Wahlbeteiligungen und eine frustrierte junge Generation sind die Folgen. Durch die Hunderttausenden Zuwanderer allein aus Syrien wird der tägliche Kampf um Arbeit, Wohnraum, Energieressourcen, Bildung und Gesundheitsversorgung nun noch rücksichtsloser geführt.
Eine Reihe einheimischer und internationaler Initiativen hilft nach Kräften und verhindert so ein Auseinanderbrechen der jordanischen Gesellschaft. Auch die EU unterstützt das Land seit langem finanziell – allein für die Jahre 2016 und 2017 mit 1 Milliarde Euro. Doch auf lange Sicht wird all das nicht ausreichen.
Welche konkreten Schritte müssen die jordanische Politik und das Königshaus tun, um die Situation für Einheimische und Flüchtlinge nachhaltig zu verbessern? Wo kann Europa weiter sinnvoll unterstützen? Und welche bereits bestehenden zivilgesellschaftlichen Projekte haben Vorbildcharakter? Unsere Analyse gibt Antworten.