Ein kleines Mädchen läuft durch die Stadt, eine Europafahne hält sie wie einen Umhang weit auseinandergebreitet am Rücken.

Europas Einheit stärken

Vorbei sind die Zeiten, in denen wir unser gemeinsames Europa ganz selbstverständlich als friedenstiftende und friedenerhaltende Errungenschaft feiern durften. Die Welt hat sich mit dem Krieg gegen die Ukraine dramatisch verändert, auch Europa hat sich verändert. Es ist näher zusammengerückt. Nimmt die Herausforderung an. Das ist auch ein Grund, zuversichtlich zu sein. Und Europa zu feiern. So wie es zumindest das Kosovo und Luxemburg am 9. Mai mit einem offiziellen Feiertag tun. In den anderen Staaten wird zumindest die europäische Flagge gehisst. Die Bertelsmann Stiftung will mit ihren Studien, Analysen und Umfragen auf ihrer Homepage für das fachliche Fundament zum Europa-Tag sorgen. Unsere Ergebnisse haben wir hier für Sie zusammengefasst. 

Ansprechpartner:innen

Foto Jake Benford
Jake Benford
Senior Project Manager
Foto Cathryn Clüver Ashbrook
Cathryn Clüver Ashbrook
Senior Advisor
Foto Nathan Crist
Nathan Crist
Project Manager
Foto Mark Fischer
Mark Fischer
Senior Project Manager
Foto Katharina Gnath
Dr. Katharina Gnath
Senior Project Manager
Foto Christian Hanelt
Christian Hanelt
Senior Expert Europe, Neighbourhood and the Middle East
Foto Isabell Hoffmann
Isabell Hoffmann
Senior Expert Europäische Integration
Foto Cora Francisca Jungbluth
Dr. Cora Francisca Jungbluth
Senior Expert China and Asia-Pacific
Foto Miriam Kosmehl
Miriam Kosmehl
Senior Expert Eastern Europe and EU Neighbourhood
Foto Lucas Merlin Resende Carvalho
Lucas Merlin Resende Carvalho
Project Manager
Foto Daniela Schmidt
Daniela Schmidt
Project Manager
Foto Thomas Schwab
Dr. Thomas Schwab
Senior Expert European Economics
Foto Stephan Vopel
Stephan Vopel
Director
Foto Peter Walkenhorst
Dr. Peter Walkenhorst
Senior Project Manager
Foto Stefani Weiss
Stefani Weiss
Senior Expert EU Governance, Foreign and Security Policy
Foto Malte Tim Zabel
Dr. Malte Tim Zabel
Co-Director

Inhalt

Am 9. Mai 1950 legte der damalige französische Außenminister Robert Schuman einen Plan vor, aus dem 1952 die Montanunion und viel später die Europäische Union wurde. Die Wirtschaft stand bei der Gründung der Montanunion im Zentrum. Und auch heute ist die Wirtschaft, ist der EU-Binnenmarkt, einer der wichtigsten Eckpfeiler der europäischen Staatengemeinschaft. Heute spielt Wirtschaft nicht nur nach innen eine wichtige Rolle, sondern ist in einer zunehmend multipolaren Welt auch ein zentrales Mittel der Geopolitik. Wie stark ist Europas Fußabdruck in der unmittelbaren Nachbarschaft? Wie stehen im Vergleich China, die USA und Russland da? Gelingt es der EU, ihre Wirtschaftskraft auch politisch zu nutzen? Diesen Fragen sind unsere Expert:innen in einer Studie durchgegangen. Sie haben einzelne Branchen beleuchtet, Verflechtungen betrachtet und folgern, dass die Stärke in einer derart beeindruckenden Zahl von Bereichen sich auch in politischem Einfluss niederschlagen sollte.   

So einig, wie Europa nach außen auftreten sollte, so wenig einheitlich stellt es sich nach innen dar. Groß sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen Europas, sowohl bei ihrer Wirtschaftskraft insgesamt als auch ihrer Bereitschaft für die digitale und grüne Transformation. Welche technologischen Fähigkeiten jede einzelne Region für diese doppelte Transformation hat, haben  unseren Expert:innen um die Co-Autoren Thomas Schwab und Nathan Crist in einer breit angelegten Studie ermittelt. Im Kern steht dabei die Frage, wie Regionen miteinander kooperieren können, um grüne und digitale Innovationen voranzutreiben. Ergebnis: Das Potenzial ist da, wir brauchen aber mehr  grenzübergreifende Zusammenarbeit, um diese Möglichkeiten auch abzurufen. Vorgestellt haben wir diese Studie in den vergangenen Tagen bei einer ganzen Reihe von Kongressen in den Hauptstädten der Europäischen Union.

Viele Milliarden Euro in den Fördertöpfen

Mit der Frage, wie die Gelder aus dem europäischen Struktur- und Investitionsfonds gut eingesetzt sind, und warum eben dies noch viel zu selten gelingt, befasst sich ein Blog-Beitrag unseres Experten Jake Benford. Eine Erkenntnis: Dass Mittel in ausreichender Höhe zur Verfügung zu stellen, ist die eine Seite. Mindestens ebenso schwierig scheint es aber, in den verschiedenen europäischen Ländern und Regionen Strukturen zu schaffen, die diese Gelder auch wirkungsvoll einsetzen können.  

Dies aber ist wichtiger denn je. Rund 350 Milliarden Euro aus verschiedenen Kohäsionsfonds standen in der EU zwischen 2017 und 2021 zur Verfügung, schreibt unser Europa-Experte Nathan Crist. Allerdings sind diese keineswegs ausschließlich für Fragen der Kohäsion eingesetzt worden, stattdessen wirkten Fonds-Gelder als eine Art Ersthilfe. Viele Milliarden flossen in die Bekämpfung der Covid-19-Pandemie, in die Versorgung von Flüchtlingen, insbesondere aus der Ukraine und schließlich auch in die Bewältigung der Energiekrise. Als Reaktion auf den Inflation Reduction Act der US-Regierung hat sich die Europäische Union auf den Green Deal Industrial Plan geeinigt. So soll vermieden werden, dass die EU in Bezug auf Zukunftstechnologien das Nachsehen hat, weil Unternehmen in die USA abwandern, um dort Subventionen abzuschöpfen.

Wie groß ist die Abhängigkeit von China?

Dass Europa aus den eigenen Möglichkeiten mehr Kraft schöpfen könnte, ist somit ein weiteres Mal deutlich geworden. Allerdings taucht immer wieder die Frage auf: Was machen die anderen? Wie kann sich Europa seinen Platz sichern zwischen den Handelsriesen USA und China? Und vor allem: Wie lässt sich eine zu große Abhängigkeit von China vermeiden? Unsere aktuelle Studie, unter anderem von unserer Co-Autorin und China-Expertin Cora Jungbluth, kommt zu einem überraschenden Ergebnis: Demnach sind die Gewinne aus Investitionen deutscher Unternehmen in China und die damit verbundenen Abhängigkeiten kleiner als angenommen. Die EU ist in dieser Frage für Deutschland sehr viel wichtiger.   

Die Bedeutung des gemeinsamen Wirtschaftsraums Europa betont auch Paschal Donohoe, irischer Minister für öffentliche Ausgaben und Präsident der Eurogruppe, bei einer Veranstaltung im Berliner Haus der Bertelsmann Stiftung. Er zieht in seiner Keynote und im Gespräch mit unserer Expertin für europäische Wirtschaftspolitik, Katharina Gnath, historische Parallelen: Irland, das in diesem Jahr das 50. Jubiläum seiner EU-Mitgliedschaft feiert, und Europa hätten es über das vergangene Jahrhundert immer wieder geschafft, kritische Phasen durch richtige Entscheidungen zu überwinden und an den Punkt zu gelangen, an dem wir heute stehen: eine vereinte Europäische Union mit hohen Zustimmungswerten in der Bevölkerung. „Fortschritt ist immer möglich, gerade in Zeiten der Krise“, lautete sein Zwischenfazit.   

„It’s the economy, stupid“, war einst der Wahlkampfslogan des späteren US-Präsidenten Bill Clinton. Der Spruch passt noch immer – und auch für die seit 1985 gepflegte Tradition in der Union, europäische Kulturhauptstädte zu küren. Clemens Gerland hat untersucht, wie viel Ökonomie in diesem Fall in der Kultur mitschwingt. Sein Ergebnis: Die Zahl der Touristen wächst, damit die Zahl der Beschäftigten. Und damit auch das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf. 

Europa und der Krieg in der Ukraine

Seit mehr als einem Jahr tobt der Krieg in der Ukraine. Nichts bestimmt das europäische Handeln so sehr wie der russische Angriff auf seinen westlichen Nachbarn. Auch für die Bertelsmann Stiftung sind der Krieg und die Unterstützung für die Flüchtenden nach wie vor ein zentrales Thema. Kann die Ukraine den Krieg gewinnen? Verteidigen die Ukrainer:innen im Kampf gegen die russische Armee auch die europäischen Werte? Sollte Europa weiter Waffen liefern? Diese und weitere Fragen hat eupinions, unser Meinungsforschungsinstrument, die Europäer:innen zum Jahrestag des Kriegsbeginns gefragt. Es war die vierte Umfrage von eupinions, mit der wir die Haltung der Europäer:innen zum Ukraine-Krieg erhoben haben. Eine der wichtigsten Erkenntnisse: Die Ergebnisse sind konstant. Die Menschen in Europa stehen mehrheitlich an der Seite der Ukraine, auch jene, die eher ängstlich in die Zukunft blicken. Der Rückhalt bröckelt im Laufe des Krieges nur leicht, nicht einmal steigende Energiepreise und Inflation bringen die Menschen ins Wanken. Und die europäische Mehrheit für Waffenlieferungen steht.  

Starker Rückhalt der Europäer:innen

Im Interview interpretiert Isabell Hoffmann die Zahlen der vier Umfragen zum Ukraine-Krieg. In unserem Podcasts "Zukunft gestalten" ordnet sie zudem den starken Rückhalt der Europäer:innen ein und erklärt, was er für die künftige Politik bedeutet. Zuletzt hat sie die Zahlen in hochkarätigen Runden bei der Münchner Sicherheitskonferenz vorgestellt.  

Miriam Kosmehl, unsere Osteuropa-Expertin, hat mehrere Jahre in Russland und in der Ukraine gelebt. Sie ist eine gefragte Interviewpartnerin, wenn es darum geht, die aktuelle Situation zu erklären, Perspektiven und Handlungsfelder aufzuzeigen. Im Interview zum Jahrestag des Kriegsbeginns erklärt sie, warum weitere Waffenlieferungen nötig sind und dass die ständige Bedrohung nicht aufhören wird, selbst wenn die Ukraine den Krieg gewinnt. In einem Blog-Beitrag zum Jahrestag des Angriffs erläutert unsere Osteuropa-Expertin außerdem, warum die Unterstützung der Ukraine der beste Weg ist, zu einer stabilen europäischen Friedensordnung zurückzukehren, und warum sie im europäischen Eigeninteresse liegt. Der Westen unterstützt die Ukraine, liefert Waffen und stellt einen EU-Beitritt der Ukraine in Aussicht. Russland dagegen hofft auf noch umfangreichere Unterstützung durch China. Wie der Besuch des chinesischen Präsidenten Xi in Moskau zu bewerten ist, welche Risiken das Verhältnis zu China für den russischen Präsidenten Putin bedeutet, ordnet Kosmehl ebenfalls ein. Seit Monaten engagiert sich die Bertelsmann Stiftung zudem unter anderem im Willkommen: Online Austausch auch dafür, dass die Integration der Geflüchteten in den Kommunen gut gelingen kann und Hilfe für den Wiederaufbau ankommt. 

Das Verhältnis zu den Vereinigten Staaten

Auch Cathryn Clüver Ashbrook, unsere Expertin für transatlantische Beziehungen, setzt im Podcast der Bertelsmann Stiftung einen Akzent auf die Beziehungen Europas, besonders Deutschlands, zu den Vereinigten Staaten. Hat der russische Angriff die europäische Gemeinschaft stärker gemacht? Wie könnte eine zukünftige Weltordnung aussehen? Das erklärt die Politik-Expertin, die sowohl in den USA als auch in Deutschland fest verwurzelt ist. Und ihr Kollege Mark Fischer, Experte für transatlantische Beziehungen, bewertet kritisch, was sich verändert hat, seit Bundeskanzler Olaf Scholz den Begriff der "Zeitenwende" neu geprägt hat. Welche Position kann Deutschland einnehmen in einer neuen Sicherheitsordnung? Sind die USA die beste Rückversicherung? Wie blickt die Welt auf das Agieren der Bundesrepublik? All diese Fragen beantwortet Mark Fischer in seinem Blog-Beitrag zur "Zeitenwende".