Bergkette mit grüner Wiese

Wie die Transformation der Wirtschaft gelingen kann

Wie kann die unausweichliche Transformation der Wirtschaft gelingen? In einem Überblick haben wir unsere Expertise zusammengetragen und versorgen Sie anhand von mehr als 50 Studien, Analysen und Positionspapieren mit aktuellen Erkenntnissen und Handlungsoptionen.  

Expert:innen

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Dr. Jan C. Breitinger
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Foto Jana Fingerhut
Jana Fingerhut
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Armando García Schmidt
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Oliver Haubner
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Sara Holzmann
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Jakob Christof Kunzlmann
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Dr. Anja Langness
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Cornelia Nyssing
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Dr. Thieß Petersen
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Daniel Posch
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Fritz Putzhammer
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André Schleiter
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Dr. Thomas Schwab
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Birgit Wintermann
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Dr. Ole Wintermann
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Marc Wolinda
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Dr. Marcus Wortmann
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Inhalt

Sagen wir es mit dem nötigen Ernst: Beim COP28, dem Weltklimagipfel in Dubai, ging es um nichts weniger als um die Rettung der Welt. Dürren, die weite Landstriche austrocknen lassen, verheerende Brände, die über Wochen wüten, Sturzfluten, die ungezählte Menschen in den Tod reißen: Die unmittelbaren Folgen des Klimawandels lassen sich nicht länger wegdiskutieren. Es ist höchste Zeit umzusteuern, die selbstgesteckten Ziele ernst zu nehmen – und endlich umzusetzen.  

Welche Schritte dafür nötig sind, ist längst bekannt. Die Erkenntnisse darüber, wie das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen ist, liegen auf dem Tisch. Die Bertelsmann Stiftung greift daher an dieser Stelle mit ihren Studien die wichtigsten Themen auf. Das Spektrum ist bewusst weit gefasst. Es reicht von den konkreten Klimazielen und den Wegen, sie zu erreichen, über den grünen Standortwettbewerb bis hin zur Frage, wie die Transformation den Arbeitsmarkt verändert.  So wollen wir unseren eigenen Beitrag leisten – für die Zukunft unserer Welt.   

Unser Countdown

Wir müssen handeln – Jetzt!

Die Welt steht an einem Scheideweg. Der Klimawandel bedroht unsere Umwelt, unsere Lebensgrundlagen und letztendlich unsere Zukunft. Doch wir haben die Macht, die Weichen für eine nachhaltigere Zukunft zu stellen. 

Der Klimawandel ist keine abstrakte Bedrohung mehr, sondern eine Realität, die sich in Form von Extremwetterereignissen, steigenden Temperaturen und schwindenden Ressourcen manifestiert. Die Erde schreit förmlich nach Hilfe, und wir können nicht länger untätig zusehen. Die COP28-Konferenz ist eine einmalige Gelegenheit, die Weltgemeinschaft zusammenzubringen, um über konkrete Schritte zum Schutz unseres Planeten zu beraten. Wir müssen den Klimawandel bekämpfen, indem wir den Ausstoß von Treibhausgasen drastisch reduzieren. Dies erfordert einen Wandel in der Energieerzeugung, eine Förderung erneuerbarer Energien und eine Steigerung der Energieeffizienz. Es erfordert auch die Unterstützung von nachhaltiger Landwirtschaft und die Erhaltung von Wäldern, die als Kohlenstoffsenken dienen. Und nicht zuletzt kommt der Technologie und der Innovation in den Unternehmen eine zentrale Rolle zu. Die Vermeidung jeglicher Treibhausgas-Emissionen sowie deren Extraktion aus der Atmosphäre mit Hilfe moderner Technik müssen unabdingbarer Bestandteil aller Klimaschutz-Bemühungen werden.

Klimaschutz ohne mehr Nachhaltigkeit unserer Lebens- und Produktionsweise wird aber nicht zum Erfolg führen, wenn wir nicht die grundlegenden Rahmenbedingungen berücksichtigen, innerhalb derer beides stattfindet. Die Weltgemeinschaft muss sich aktiv für den Schutz der Artenvielfalt und die Erhaltung der Ozeane einsetzen. Die Verluste an biologischer Vielfalt sind alarmierend, und die Gesundheit der Ozeane ist entscheidend für das Gleichgewicht unseres Planeten. Wir müssen – gerade auf der Nordhalbkugel - auch unseren Lebensstil überdenken und nachhaltigere Entscheidungen treffen. Dies beinhaltet die Reduzierung von Plastikverbrauch, die Förderung öffentlicher Verkehrsmittel, die Unterstützung lokaler Produzenten und den bewussten Umgang mit Ressourcen.

Der Klimawandel ist nicht nur eine Bedrohung, sondern auch eine Chance. Eine Chance, unsere Gesellschaften umzugestalten, umweltfreundliche Technologien zu fördern und grüne Arbeitsplätze zu schaffen. Wir können eine nachhaltige Wirtschaft aufbauen, die auf Verantwortung basiert.

Nachhaltige Wertschöpfung und Impact Investing

Unternehmerische Tätigkeit beeinflusst unsere Umwelt und Gesellschaft durch die gesamte Wertschöpfungskette – von der Produktion bis hin zur Nutzung. Doch bislang werden die sozialen und ökologischen Auswirkungen kaum erfasst und spielen daher in Unternehmen eine geringfügige Rolle. Dies soll sich ändern. Innovative neue Ansätze sollen es den Unternehmen ermöglichen, künftig ihre Auswirkungen auf Mensch und Natur zu erheben und in ihren Bilanzbüchern festzuhalten.

Mit dem neuen Standard für die Nachhaltigkeitsberichterstattung – der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) – werden zudem künftig schätzungsweise bis zu 15.000 deutsche Unternehmen verpflichtet, über die etwaigen Nachhaltigkeitsaspekte ihrer unternehmerischen Tätigkeiten standardisiert Bericht zu erstatten. Aspekte wie die sogenannten "immateriellen Werte", werden somit in Deutschland und der EU erstmals berichtspflichtig. 

Start-ups, die ihre Geschäftstätigkeiten in den Dienst der Transformation stellen, sprich gezielt Lösungen für soziale und ökologische Probleme schaffen, können durch ihre innovativen Ansätze wichtige Impulse für den Markt setzen. Auch für sie ist die Berichterstattung über ihren Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit von besonderer Bedeutung.

Das in ihrem Fall sogenannte Wirkungsmanagement kann den Start-ups steuerungsrelevantes Wissen liefern, um ihr Wirkungspotential auszuschöpfen. Darüber hinaus können sie Investor:innen gegenüber den gesellschaftlichen Mehrwert ihres Handelns nachweisen und dadurch einen besseren Zugang zu notwendigem Investitionskapital erhalten.

Wie weit fortgeschritten die Transformation in deutschen Unternehmen wirklich ist, zeigt der jährliche Sustainability Transformation Monitor (STM). Die Ergebnisse 2023 haben gezeigt, dass das Thema Nachhaltigkeit dort fester denn je verankert ist. 84 Prozent der realwirtschaftlichen Unternehmen und knapp 73 Prozent der Finanzhäuser gaben an, dass das Thema für sie "wichtiger" oder "viel wichtiger" geworden ist. Auch für den STM 2024 bahnt sich eine Fortsetzung dieses Trends an.

Unternehmen und Transformation

Unternehmen sind bei der Bewältigung der nachhaltigen Transformation einer der Schlüsselakteure. Einerseits sind die Treibhausgas-Emissionen weltweit maßgeblich durch unternehmerische Tätigkeit verursacht. Andererseits kann aber genau diese zentrale Rolle ein essenzieller Wirkungshebel zur Reduzierung des Ressourcenverbrauchs und der Emissionen sein. Von daher ist es absolut entscheidend, die Unternehmen bei der betrieblichen nachhaltigen Transformation zu unterstützen, zum Beispiel mit dem richtigen "Policy-Mix". Die gleichzeitig stattfindende digitale betriebliche Transformation ist sowohl eine große Herausforderung als auch eine große Chance, auf dem Pfad zu mehr Nachhaltigkeit deutlich schneller zu werden.

Allerdings stehen Unternehmen vor der Herausforderung, diese beiden Transformationen überhaupt erst einmal zu operationalisieren. Die ausführliche Analyse der Studienlage zeigt, dass speziell die kleinen und mittleren Unternehmen einer neuen Mittelstandspolitik bedürfen. Derzeit scheint es aber eher immer noch so zu sein, dass die besonders innovativen Unternehmen ordnungspolitisch benachteiligt zu sein scheinen, so unsere betriebliche Vorstudie.

Zudem stehen Unternehmen vor der Herausforderung der sogenannten Twin Transition, oder auch "Doppelten Transformation". Um die Potenziale der Digitalisierung zur Erreichung betrieblicher Nachhaltigkeit nutzen zu können, müssen die Mechanismen bei der Transformation erst einmal durchdrungen worden sein. Unsere Meta-Studie deutet aber darauf hin, dass dies längst nicht der Fall sein könnte: Es fehlen ausreichende betriebliche Ressourcen zur Umsetzung der Transformationen. Die befragten Unternehmen wünschen sich auch zumeist klare Spielregeln, die ihnen die richtigen Orientierungspunkte gerade für die nachhaltige betriebliche Transformation bieten.

Junge Menschen und Nachhaltigkeit

Soll die nachhaltige Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft langfristig gelingen, dann geht es nicht ohne die stärkere Einbindung junger Menschen. Denn nicht nur könnte sich fast die Hälfte der jungen Menschen in Deutschland vorstellen, sich ehrenamtlich für mehr Nachhaltigkeit zu engagieren, ein Drittel kann sich auch vorstellen, ein nachhaltiges Unternehmen zu gründen.

Viele junge Menschen befürchten, dass die ältere Generation gerade ihre Zukunft verspielt. Sie fordern eine nachhaltige, generationengerechte Politik und Wirtschaft. Junge Menschen sind in besonderem Maße von der mangelnden Nachhaltigkeit in unserer Gesellschaft betroffen. Sie werden die negativen Auswirkungen erleben, von denen wir bislang nur einen Vorgeschmack erhalten. Gleichzeitig haben sie nur wenig Einfluss auf diese Entwicklung. Umso wichtiger ist es, die politische Mitwirkung junger Menschen und ihr gesellschaftliches Engagement für eine nachhaltige Zukunft zu stärken.

In Deutschland lässt sich rund ein Viertel der unternehmerischen Aktivität auf unter 30-Jährige zurückführen. Jugendliche sollten deshalb früh die Möglichkeit erhalten, Fähigkeiten zu erwerben, um unternehmerische Chancen erkennen, ergreifen und umsetzen zu können. Insbesondere Vorbilder und Netzwerke für junge Gründungsinteressierte haben das Potenzial, die Gründungsmotivation zu steigern, denn sie dienen als erste Anlaufstelle und ermöglichen Peer-to-Peer-Learning auf Augenhöhe. Allerdings braucht es für die Ansprache Jugendlicher neue, digitale Formate, die ansprechend und "teilbar" sind, um damit eine Brücke zwischen der NextGen, jungen Gründer:innen und der Politik zu schlagen.

Geldpolitik und Klimakrise

Auch die Europäische Zentralbank spielt eine wichtige Rolle bei der Transformation der Wirtschaft. Eine ihrer wichtigsten Aufgaben ist die Bekämpfung der Inflation. Ihr mächtigstes Instrument ist bislang die Erhöhung des Leitzinses. Doch daran gibt es auch Kritik: Eine steigende Zahl von Experten mahnt, die EZB dürfe mit den Zinserhöhungen nicht "überdrehen", weil sonst Konjunktur, Beschäftigung und vor allem Klimaziele in Gefahr gebracht werden könnten. Dabei gibt es Alternativen zur pauschalen Zinspolitik der Zentralbank. Das Problem wird sich keinesfalls von selbst erledigen. Im Gegenteil: Auch in Zukunft wird die Europäische Zentralbank unter Druck geraten. Grund ist die wachsende Knappheit in den nächsten Jahren. Der voranschreitende Klimawandel und die zwingend notwendige ökologische Transformation sind neben der demografischen Alterung und den Tendenzen zur Deglobalisierung zwei Ursachen, die dazu führen, dass uns auch in Zukunft reale Knappheiten und damit Inflationsdruck begleiten werden – das ist ein zentrales Ergebnis unseres Megatrend-Reports #04: Die Rückkehr der Knappheit.

Der grüne und digitale Wandel und der Zusammenhalt in Europa

Der grüne und digitale Wandel verändert die europäische Wirtschaft grundlegend – aber der Blick in die Regionen zeigt, wie stark diese Veränderungen variieren können. Wirtschaftliche Strukturen müssen für den grünen und den digitalen Wandel angepasst werden. Während sich für manche europäische Regionen neue Chancen eröffnen, stellen sich für andere enorme Herausforderungen. Stärkere Kooperationen verschiedener europäischer Regionen könnten die grüne Transformation deutlich voranbringen. Weil die Entwicklung von Technologien häufig stark auf einige wenige, meist sehr wohlhabende Regionen konzentriert ist, wird das kreative Potenzial europäischer Regionen nur unzureichend genutzt.  Mehr Kooperation zwischen den Regionen würde unterschiedliche Stärken zusammenbringen und damit die Entwicklung von grünen Technologien beschleunigen. Was das für die Energiewende in Europa bedeutet, warum ländliche Regionen im Vorteil sind,  haben wir in einer weiteren Studie analysiert. 

Nachhaltige Transformation

Seit wann wissen wir eigentlich, dass etwas im Argen liegt? Die mahnenden Rufe gab es schon vor einem halben Jahrhundert. 51 Jahre nach der Veröffentlichung der wegweisenden Szenarien-Sammlung des Club of Rome mit dem Titel “Grenzen des Wachstums” ist das Thema der Endlichkeit unserer Ressourcen nach wie vor politisch und gesellschaftlich extrem aufgeladen. Warum ist das aber so? Unter welchen Bedingungen kam zu Beginn der 1970er Jahre diese Szenarien-Sammlung zustande? Welche methodisch neuen Pfade wurden bei der Formulierung der Szenarien beschritten und wie sah die methodische Kritik daran aus? Von wem wurde die Studie finanziert und erarbeitet und welche Schlüsse hat die Politik seitdem aus den Erkenntnissen gezogen? Der zweiteilige Podcast (Teil 1,Teil 2) mit einem der damaligen Co-Autoren, Prof. Erich Zahn, gibt einen Einblick in 51 Jahre gesellschaftlicher und politischer Debatten zum Thema der nachhaltigen Transformation.

Nachhaltige Transformation bedeutet auch immer, sowohl persönlich als auch gesellschaftlich von einem bestehenden Zustand des Arbeitens und Lebens in einen anderen Zustand überzuwechseln. Dieser Schritt verursacht in Politik und Gesellschaft häufig Unsicherheiten und Ungewissheiten. Diese Unsicherheiten können aber mit einem positiven Narrativ der nachhaltigen Transformation adressiert werden. Wie ein solches Narrativ der Transformation, das auch der Expertenrat für Klimafragen in seiner aktuellen Stellungnahme gefordert hat, aussehen könnte, haben wir im Podcast mit Michael Roos, Professor für Volkswirtschaft an der Ruhr-Universität Bochum, diskutiert.

Einen besonderen Einblick in die aktuelle politische und gesellschaftliche Debatte zur nachhaltigen Transformation gibt uns schließlich die Transformationsforscherin Maja Göpel in unserem aktuellen Podcast.

Der grüne Standortwettbewerb

Die Energiewende-Berufe sind Jobmaschinen, so viel steht fest. In anderen Bereichen ergibt sich ein anderes Bild: Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine sowie die anschließende Energiekrise haben deshalb eine intensive Debatte um die Standortattraktivität Deutschlands insbesondere für die energieintensive Industrie ausgelöst. Vor dem Hintergrund einer aus den Fugen geratenen Weltordnung, massiver Preisschocks und des sich zuspitzenden Klimawandels stellt sich die Frage nach der Zukunftsfähigkeit des industriebasierten deutschen Wirtschaftsmodells. Droht uns eine breite Deindustrialisierung und wenn ja, wie sollten Berlin und Brüssel gegensteuern? Welche ökonomischen und strategischen Überlegungen gilt es dabei abzuwägen? Und wie soll auf die enormen Subventionen reagiert werden, mit denen die USA ihre ökologische Transformation fördern? Die Autoren deklinieren bekannte und neue, ganz aktuelle Gefährdungsfaktoren durch und geben Empfehlungen, wie Deutschland den grünen Standortwettbewerb gewinnen kann. In einer ganzen Reihe von Punkten stimmen sie mit dem Industrieplan von Robert Habeck überein – Nachsteuerungsbedarf sehen sie dennoch.

Die Energiewende als Jobmaschine

Für die Energiewende hat sich Deutschland ehrgeizige Ziele gesetzt. Um sie erreichen zu können, fehlt es zunächst natürlich an Windrädern und Photovoltaik-Anlagen. Der Wille, sie zu bauen, reicht aber nicht. Denn um die Anlagen aufzustellen, braucht es vor allem Fachkräfte, die genau das können. Schon seit 2019 boomt die Nachfrage nach Berufen aus den Bereichen Wind und Solar – im Vergleich zum Gesamtarbeitsmarkt allerdings noch auf recht geringem Niveau. Gesucht werden vor allem Bauelektriker:innen und Dachdecker:innen, zeigt unsere Jobmonitor-Studie zu den Berufen der Energiewende. Die Solarbranche (besonders stark im Süden) hat dabei einen deutlich höheren Bedarf an Arbeitskräften als der Windenergiesektor, der besonders im Norden boomt.

Aber auch insgesamt ist die Befürchtung unbegründet, dass die Transformation der Wirtschaft Arbeitskräfte kosten könnte. Im Gegenteil: Ein "Weiter so" würde den Verlust von 600.000 Arbeitsplätzen bedeuten, schon wenn die Maßnahmen umgesetzt werden, die im Koalitionsvertrag festgeschrieben sind, könnten bis 2040 rund 600.000 neue Arbeitsplätze entstehen.

Und selbst in der Automobilbranche, die zu den vermeintlichen Verlierern zählen könnte, ist Zuversicht angesagt. Denn für viele Arbeitskräfte, deren Jobs in der Branche wegfallen könnten, gibt es beste Übergangspfade zu Jobs, die mit wenigen zusätzlichen Qualifikationen zu erreichen sind.

Gemeinsam statt gegeneinander: Missionsorientierung ist wichtig

Die Circular Economy (siehe den Text "Noch 10 Tage" weiter unten) ist zudem ein gutes Beispiel dafür, dass zentrale, übergreifende Ziele auch zentral angepackt werden müssen, statt sie zwischen die Mühlsteine der sich gegenseitig behindernden unterschiedlichen Ressortzuständigkeiten geraten zu lassen. Um dies zu verhindern, brauchen wir Missionsagenturen, angesiedelt direkt beim Bundeskanzleramt. Sie könnten bei den wichtigen, großen Themen zentral steuern. Das gilt ganz sicher für das Erreichen der Klimaneutralität. Und – eine Nummer kleiner – auch für die Circular Economy. Deutschland hat hier in den vergangenen zwei Jahrzehnten seine einstige Vorreiterstellung eingebüßt. Die Missionsorientierung – also die Bündelung der Aufgaben an einer Stelle – kann für querliegende Herausforderungen wie dem Aufbau einer Kreislaufwirtschaft neuen Schwung bringen. Wir haben analysiert, wie Missionen die Transformation beschleunigen können.

Ob mit oder ohne zentrale Steuerung: Ohne Innovationen wird es nicht gehen. Und ausgerechnet hier hat die deutsche Wirtschaft Nachholbedarf. In den vergangenen drei Jahren ist der Anteil der innovativen Unternehmen in Deutschland rapide zurückgegangen. Nur noch jedes fünfte deutsche Unternehmen kann heute als besonders innovativ bezeichnet werden. Bedenklich ist das auch deshalb, weil innovative Unternehmen Treiber der Nachhaltigkeit sind. Wo besonders viel Nachholbedarf besteht, wie ein richtiges Umfeld für Innovationen aussehen muss, beschreiben unsere Experten in ihrer Studie über die innovativen Milieus in Deutschland. Wie wichtig Innovationen sind, warum sie eine Stärke der bekannten und heimlichen Weltmarktführer aus Ostwestfalen-Lippe ist, erklärt auch Almut Rademacher, Geschäftsführerin von OWL Maschinenbau, in unserem Podcast "Zukunft gestalten".

Warum wir mehr Kreislaufwirtschaft brauchen

Zur Transformation gehört auf jeden Fall, Haus zu halten mit den natürlichen Ressourcen. Die konsequente Umsetzung der Circular Economy hilft, Rohstoffe zu sparen und die Umweltbelastung zu senken. Das zeigt eine aktuelle Studie des WWF, an der sich die Bertelsmann Stiftung als Knowledge Partner beteiligt hat. Insgesamt könnten im Vergleich zu einem Weiter-So-Szenario im Jahr 2045 bis zu 157 Milliarden Euro globale Umweltkosten vermieden werden. Circular Economy ist mehr als nur Kreislaufwirtschaft, die mit der Wiederverwertung von Abfall einhergeht. Es geht vielmehr darum, grundsätzlich den Einsatz von Primärrohstoffen zu minimieren, Alternativen zu finden oder die Produkte beziehungsweise genutzten Materialien so aufzubereiten, dass sie erneut genutzt werden können. So hat jede Branche spezifische Herausforderungen, wie Materialien mehrmals nutzbar gemacht werden können (zum Beispiel im Textilbereich). Diese Art der Produktion braucht politische Rahmenbedingungen – sowohl auf europäischer und nationaler, aber auch auf kommunaler Ebene (so zum Beispiel Circular OWL), die eine solche Anwendung unterstützen. Darüber hinaus müssen die Idee und die Konzepte zirkulärer Wertschöpfung besser verbreitet werden, so dass auch kleine und mittelständische Unternehmen einen Zugang zu dieser Art innovativen Wirtschaftens haben. Die bis 2045 zu erwartenden positiven volkswirtschaftlichen Gesamteffekte der Circular Economy zeigt unsere Analyse.

Die globale und die kommunale Verantwortung

Die Tücken der CO2-Bepreisung zeigen es bereits – ein Staat allein kann die Folgen des Klimawandels weder abbremsen noch finanzieren. Es gilt, das globale Ganze in den Blick zu nehmen. Das bedeutet zunächst, sich einzugestehen, dass die Industrieländer in der Vergangenheit und noch immer die größten Klimasünder sind, viele Schwellen- und Entwicklungsländer aber zu den ersten gehören, für die der Klimawandel längst eine Katastrophe ist. Schon vor dem Weltklimagipfel 2021 in Glasgow haben unsere Expert:innen daher die Anwendung einer treuhänderischen Haftung gefordert.   

Der globale Blick ist wichtig, aber ohne Städte, Kreise, Gemeinden und Regionen ist der Klimawandel nicht zu stemmen. Kommunen tragen die Hauptverantwortung für drei zentrale Handlungsfelder: die Energiewende, die Wärmewende und die Verkehrswende. Damit dezentrale Energieproduktion und -versorgung gelingen, müssen Kommunen ihre Netze ausbauen, dezentrale Energiequellen erschließen und grünen Strom an die Verbraucher:innen verteilen. Mit der nun verpflichtenden Wärmewende tragen sie die Hauptverantwortung dafür, dass zukünftig alle Bürgerinnen und Bürger CO2-sparend heizen können. Mit dem kommunalen ÖPNV tragen sie entscheidend zur Verkehrswende bei. Aber zentrale Grundvoraussetzungen müssen erfüllt sein: Um alle Herausforderungen zu bewältigen, benötigen die Kommunen zunächst adäquate rechtliche Rahmenbedingungen. Und sie benötigen Geld für die notwendigen Investitionen. Geld, das nicht ausreichend zur Verfügung steht, wie der aktuelle kommunale Finanzreport 2023 der Bertelsmann Stiftung zeigt

Und nicht nur beim Klimaschutz, auch beim Thema Nachhaltigkeit insgesamt spielen Kommunen eine entscheidende Rolle. Wie sie hier vorankommen und wo es noch Luft nach oben gibt, zeigen unser SDG-Portal für alle Kommunen mit mehr als 5.000 Einwohner:innen und alle Landkreise und unsere Halbzeitbilanz zur Agenda 2030 aus der gesamtstaatlichen Perspektive.

CO2 hat einen Preis

Allerdings reicht es nicht, vor der eigenen Tür aufzuräumen. Klimaschutz ist eine globale Aufgabe – und Europa muss hier eine entscheidende Rolle übernehmen. Ein Anfang ist gemacht: "Fit for 55" ist ein griffig formuliertes Ziel der EU mit einem sehr ehrgeizigen Hintergrund: Spätestens bis 2050, so will es die Europäische Union, soll die Gemeinschaft klimaneutral sein und bereits bis zum Ende des aktuellen Jahrzehnts sollen die Emissionen relativ zum Niveau von 1990 um 55 Prozent sinken. Das geht nicht ohne einschneidende Maßnahmen. CO2 hat nun seinen Preis, der Ausstoß von CO2 wird mit sukzessiv steigenden Abgaben belegt. Weil das aber gravierende Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft hätte, greift flankierend der CO2-Grenzausgleichsmechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism, kurz CBAM). Wie nicht anders zu erwarten, ist er höchst umstritten – und ganz sicher nicht das Allheilmittel. Wir erklären, wie der CO2-Grenzausgleichsmechanismus funktioniert. Gerade für die weniger entwickelten EU-Nachbarstaaten und ihre Nachbarländer kann das zu gravierenden wirtschaftlichen Problemen führen, denn ihre Absatzchancen gehen zurück. Die EU sollte daher überlegen, ob und wie sie ihre Nachbarschaftsländer finanziell untersützen  will.

Klimaschutz braucht Subventionen – aber keine klimaschädlichen

Die im Text "Noch 14 Tage" aufgestellten Rechenexempel zeigen deutlich: Es reicht nicht aus, die Transformation der Wirtschaft für einen ungewissen Zeitpunkt in der Zukunft in den Fokus zu nehmen. Schon jetzt verursacht der menschengemachte Klimawandel immense Kosten. Doch neben der Belastung durch unmittelbare finanzielle Schäden stellt der Klimawandel auch das Finanzsystem vor neue Herausforderungen, mahnen unsere Expert:innen. Die Steuern auf Arbeit oder Kapital sind in den vergangenen Jahren deutlich stärker gestiegen als Umweltsteuern, wie zum Beispiel Kfz-Steuer, Lkw-Maut, oder CO2-Bepreisung. Gleichzeitig wurden umweltschädliche Aktivitäten mit zuletzt 65 Milliarden Euro subventioniert. Dabei würde allein die Reform der zehn klimaschädlichsten Subventionen Mehreinnahmen von bis zu 46 Milliarden Euro generieren und fast 100 Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen einsparen. 

Das Problem: Derzeit herrscht ein großes Wirrwarr in der deutschen Subventionspolitik, das unsere Expert:innen zunächst in einem Überblick, und dann noch einmal im Detail für die zentralen Sektoren Industrie und Verkehr angesehen haben. Der Abbau "überflüssiger, unwirksamer und klima- und umweltschädlicher Subventionen" ist zwar Teil des Koalitionsvertrags.  Aber die Vorzeichen für die Umsetzung der Planungen stehen aus vielerlei Gründen denkbar schlecht. Fragt man das Umweltbundesamt, so gewährte der deutsche Staat 2018 41 Subventionen in Form von Finanzhilfen und Steuererleichterungen, die den Einsatz fossiler Energieträger begünstigen und somit eine effektive Klimaschutzpolitik untergraben. Ihr Gesamtvolumen ist gewaltig: Mit einer Summe von mindestens 65 Milliarden Euro jährlich entspricht es dem Umfang des dritten Entlastungspakets der Bundesregierung in der Energiekrise. Die im Fonds für Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung klaffende Lücke ließe sich so schließen.  Aufräumen ist also dringend angesagt.

Klimaschutz und Wohlstand

Wie dringend ein Umsteuern ist, zeigen schon die nüchternen Zahlen. Wenn der Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen wie in den Jahren 1990 bis 2022 um durchschnittlich 15,5 Millionen Tonnen pro Jahr sinkt, dann schafft Deutschland nicht wie vorgesehen im Jahr 2045 die Klimaneutralität, sondern erst zwanzig Jahre später, nämlich im Jahr 2065.

Zwei Optionen sind rein rechnerisch denkbar, um das deutsche Klimaziel doch noch im gesteckten Zeitrahmen zu erreichen. Variante 1: Wenn der Ausstoß von Treibhausgasen pro Euro Wirtschaftsleistung, die sogenannte Emissionsintensität, im gleichen Tempo zurückgeht wie in den vergangenen 30 Jahren, müsste das reale Bruttoinlandsprodukt pro Jahr um durchschnittlich mehr als sieben Prozent sinken. Das allerdings ist nicht vorstellbar. Variante 2: Lautet die Devise, dass das BIP wie in den vergangenen 30 Jahren im Schnitt um 1,25 Prozent pro Jahr wachsen soll, muss die Emissionsintensität bis 2045 um durchschnittlich mehr als elf Prozent pro Jahr zurückgehen. Es gilt also, die vermeintliche Logik zu durchbrechen, dass Wirtschaftswachstum immer auch klimaschädlich sein muss. Was das bedeutet, haben unsere Expert:innen berechnet. Schwer verständlich? Mag sein. Aber wie Emissionen und Wachstum zusammenhängen, kann jeder ganz leicht selbst nachvollziehen – mit unserem Entkopplungsrechner für Deutschland.

Die Klimaziele – Anspruch und Wirklichkeit

Deutschland präsentiert sich gern als Musterschüler des Klimaschutzes. Dabei ist es weit davon entfernt, die selbstgesteckten Ziele zu erreichen. Zwar ist das deutsche Klimaschutzgesetz eines der ambitioniertesten und strengsten weltweit, aber Anspruch und Wirklichkeit klaffen weit auseinander. Noch nie ist es gelungen, die Klimaziele in allen Sektoren zu erfüllen, manche Bereiche wie der Gebäude- und der Verkehrsbereich hängen erheblich hinterher. Und der angestrebte Beitrag zum internationalen 1,5-Grad-Ziel ist selbst bei Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben nicht erreichbar. Klar ist: Die Klimapolitik braucht neuen Schwung. Wo der herkommen muss, was passieren muss, haben wir in einer Analyse von Anspruch und Wirklichkeit zusammengestellt. Endlich müssen alle verfügbaren Hebel in Bewegung gesetzt werden, um konsequenten Klimaschutz mit sozialem Ausgleich und gesellschaftlichem Wohlstand zu vereinen.

Denn ohne diese beiden Faktoren wird es nicht gehen. Wichtig ist, dass die zwingend erforderlichen Emissionseinsparungen nicht mit einer gezielten Verringerung wirtschaftlicher Aktivitäten "erkauft" werden – das würde erhebliche wirtschaftliche Probleme und soziale Spannungen hervorrufen und somit die Akzeptanz und damit die Klimaziele selbst zusätzlich in Gefahr bringen. Was wir stattdessen brauchen, sind umfangreiche Innovationen, die es uns erlauben, unsere Güter und Dienstleistungen mit immer weniger Emissionen herzustellen.