Blick auf die Bühne während der Podiumsdiskussion zum Thema "Democracy in Times of Disinformation". Cathleen Berger von der Bertelsmann Stiftung sitzt auf einem Stuhl und spricht. Neben ihr sitzen der Moderator Dominik Hierlemann von der Bertelsmann Stiftung, Michael Meyer-Resende von Democracy Reporting International und Yvonne Chua von der University of the Philippines und hören Cathleen Berger zu.

Kooperation als Schlüssel gegen Desinformation

Desinformationen sind ein globales Phänomen, daher können erfolgreiche Strategien zu ihrer Eindämmung nur aus internationaler Vernetzung entstehen. Vor diesem Hintergrund brachte die Bertelsmann Stiftung rund 130 Expert:innen aus 25 Ländern zur Konferenz "Countering Disinformation, Strengthening Democracy" in Berlin zusammen. Die Gespräche zeigten, wie groß der Bedarf an gegenseitigem Austausch ist. 

Ansprechpartner:innen

Foto Cathleen Berger
Cathleen Berger
Senior Expert
Foto Kai Unzicker
Dr. Kai Unzicker
Senior Project Manager
Foto Dominik Hierlemann
Dr. Dominik Hierlemann
Senior Advisor

Inhalt

Als Anfang des Jahres Geschichten über angebliche Bettwanzen in Pariser Hotels kursierten, beschäftigte das die europäische Medienlandschaft in gleicher Weise wie die Behauptung des US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump im TV-Duell gegen seine Konkurrentin Kamala Harris, dass Migrant:innen in einer Kleinstadt im Bundestaat Ohio Haustiere verspeisen würden. Zwei Beispiele für gezielte Falschinformationen zum Zweck der Täuschung, Manipulation und Panikmache – in einem Fall gestreut von einem fremden Staat (Russland), im anderen von einem führenden politischen Vertreter der mächtigsten Demokratie selbst. Doch gefährdete Tourist:innen und Haustiere sind nur eine kleine Spitze des Eisbergs an Desinformation, der durch die tägliche Nachrichtenflut in allen Teilen der Welt treibt. Und es ist bei weitem kein rein europäisches oder US-amerikanisches Phänomen.

"Desinformation macht keinen Halt an Ländergrenzen"

"Desinformation ist eine globale Herausforderung. Sie macht keinen Halt an Ländergrenzen. Akteur:innen, die Desinformation verbreiten, sind technisch versiert und vernetzt. Deshalb ist es wichtig, dass auch wir uns international vernetzen und voneinander lernen", leitete Daniela Schwarzer, Vorständin der Bertelsmann Stiftung, die Konferenz "Countering Disinformation, Strengthening Democracy" ein. Ausgerichtet von der Bertelsmann Stiftung, brachte die Veranstaltung rund 130 Teilnehmende aus 25 Ländern in Berlin zusammen. Ob die Technologie-Forscherin aus Brasilien, der Datenjournalist aus Kenia, der Faktencheck-Spezialist aus Indien oder die Gründerin einer Anti-Desinformations-Initiative aus Ungarn: Personen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen trafen hier aufeinander, tauschten Ideen, Best-Practice-Beispiele und Visitenkarten aus und stellten häufig fest, dass Menschen am anderen Ende der Welt vor ganz ähnlichen Hürden stehen. 

Die Konferenz markierte den vorläufigen Höhepunkt der Arbeit im Projekt "Upgrade Democracy", das die Bertelsmann Stiftung Ende 2022 gestartet hat. Neben der Veröffentlichung zahlreicher Studien, Analysen und Diskussionsbeiträge zum Umgang mit Desinformationen unternahm das Projekt eine ausgiebige internationale Recherche. Über mehrere Monate hinweg organisierte das Team fünf Workshops in Nairobi, Bangkok, Buenos Aires, Washington und Brüssel. In diesen Formaten kamen die Expert:innen der Bertelsmann Stiftung mit Initiativen, Forschungseinrichtungen, Nichtregierungsorganisationen und anderen Akteur:innen aus der jeweiligen Region zusammen, die sich ebenfalls mit dem Thema Desinformation beschäftigen. 

Podiumsdiskussion zum Thema "Democracy implications: Spotlight on the U.S elections" mit (von links): Anthony Silberfeld, Bertelsmann Foundation North America; Renee DiResta, Autorin; David Becker, Center for Election Innovation & Research.

Seriöse Stimmen stärken statt über jedes Stöckchen springen 

Dabei spielte der Einsatz von Desinformations-Kampagnen zur Beeinflussung von Wahlen immer wieder eine Rolle, wie auch bei der Konferenz selbst. Natürlich richtete sich die Aufmerksamkeit hier insbesondere auf die bevorstehende Präsidentschaftswahl in den USA. US-amerikanische Wahlexpert:innen sowie Kolleg:innen der Bertelsmann Foundation North America gaben hier wertvolle Einblicke, zum Beispiel zu den Anfeindungen gegenüber ehrenamtlichen Wahloffiziellen oder dem strengen Auszählungsprozess, der eine Wahlfälschung quasi unmöglich macht, dafür aber einige Tage in Anspruch nimmt. Doch auch Teilnehmer:innen aus Thailand, Indonesien, Polen oder Argentinien berichteten von Desinformations-Versuchen im Umfeld von Abstimmungen in ihren Heimatländern. Eine Quintessenz der Erfahrungen lautet: Es lässt sich nicht jede Desinformation einfangen. Daher dürfe man nicht über jedes Stöckchen ihrer Absender springen, sondern sollte die Energien und Ressourcen darauf konzentrieren, seriöse Stimmen zu stärken, denen die Menschen vertrauen.  

Einige der regionalen Partner waren extra für die Konferenz nach Berlin gereist, um ihre Erfahrungen aus den Workshops weiterzugeben. Wer keine Gelegenheit zum Gespräch mit ihnen hatte, konnte einen Blick in die Regionalberichte sowie den übergreifenden Report werfen, in denen das "Upgrade Democracy"-Team die relevantesten gemeinsamen Probleme und Lösungsansätze beim Kampf gegen Desinformation zusammengetragen hat. Eine reichhaltige Informationsquelle stellt auch das Konferenzpapier von Cathleen Berger und Kai Unzicker dar. Die beiden Expert:innen der Bertelsmann Stiftung verdichten darin die Erkenntnisse aus der bisherigen Projektarbeit zu zehn Ideen, wie sich das Bedrohungspotenzial, das Desinformationen für Demokratien darstellen, reduzieren lässt: vom länderübergreifenden Erfahrungsaustausch über die Förderung von Medienkompetenz und mehr evidenzbasierte Forschung bis hin zu einer Kennzeichnung KI-generierter Inhalte. 

Behutsames Agieren zum Schutz der Meinungsfreiheit 

Tatsächlich tauchten bestimmte Themen in den Panels und Breakout-Sessions der Konferenz immer wieder auf: Medienkompetenz in allen Altersgruppen, Verantwortung der großen Social-Media-Plattformen, der Umgang mit KI, die Notwendigkeit von Transparenz hinsichtlich Strukturen, Methoden und Finanzierung von Anti-Desinformationsmaßnahmen, die (Wieder-)Herstellung von Vertrauen in glaubwürdige Informationsquellen und vor allem die allgegenwärtige Gratwanderung zwischen dem Schutz vor Desinformation und der Bewahrung der Meinungsfreiheit als ein Kernelement der Demokratie.

Insbesondere die anwesenden Vertreter:innen staatlicher Institutionen, etwa vom Bundesinnenministerium oder der Psychological Defence Agency in Schweden, machten deutlich, dass Regierungen äußerst behutsam und abwägend agieren sollten, um die Meinungsfreiheit nicht zu untergraben. Aus den Diskussionen schälte sich als Konsens heraus: Es gibt keinen Königsweg in der Bekämpfung von Desinformation. Sondern es braucht gemeinsame Anstrengungen aller Beteiligten, sei es aus der Politik, der Wirtschaft, der Wissenschaft, den Medien und der Zivilgesellschaft.

Anna Lührmann, Staatsministerin für Klima und Europa im Auswärtigen Amt, im Gespräch mit Daniela Schwarzer, Vorständin der Bertelsmann Stiftung.

Gute Ideen in die Umsetzung bringen 

Das unterstrich auch Anna Lührmann, Staatsministerin im Auswärtigen Amt für Klima und Europa, die mit Daniela Schwarzer über Strategien gegen Desinformation auf deutscher wie europäischer Ebene sprach: "Wir haben weniger ein Erkenntnis- sondern zunehmend ein Umsetzungsproblem. Es gibt in der Welt schon so viele gute Ideen, wie sich Desinformationen eindämmen lassen. Aber wir als Gesellschaft müssen sie endlich auch in die Praxis bringen und skalieren, damit sie Wirkung entfalten. Kritik daran wird es sowieso geben. Aber es ist doch besser, die Demokratie zu verteidigen und dafür Kritik einzustecken, als gar nichts zu tun." 

Den Bogen vom Einsatz gegen Desinformation zur Verteidigung der Demokratie schlug auch Daniela Schwarzer, indem sie auf weitere Initiativen der Bertelsmann Stiftung im Rahmen ihres Jahresthemas "Demokratie Stärken!" verwies. Exemplarisch nannte sie das Projekt "faktenstark", das im Vorfeld der Landtagswahl in Sachsen über Workshops vor allem im ländlichen Raum Medienkompetenz vermittelte. Zudem das innovative Online-Beteiligungsformat "Forum gegen Fakes", das zahlreiche Vorschläge von Bürger:innen zum Umgang mit Desinformation in ein Gutachten mit Empfehlungen an Bundesinnenministerin Nancy Faeser destillierte. Weiterhin das Projekt "Trusted Health Ecosystems", mit dem das Gesundheitsprogramm der Stiftung dazu beitragen möchte, glaubwürdige Gesundheitsinformationen im Netz besser zu finden und zugänglicher zu machen. Und natürlich den Reinhard Mohn Preis, der im Februar 2025 in Gütersloh verliehen wird und der an die Arbeit von "Upgrade Democracy" sowie die Inhalte der Berliner Konferenz anknüpfen wird.

Materialien