Das zentrale Mittel, mit dem dieser Konflikt ausgetragen wird, ist Geoökonomie. Die Wirtschaftspolitik ist heute zu einem wesentlichen Instrument der Projektion von Macht geworden. Sie dient einerseits dazu, offensiv durch wirtschaftliche Verflechtung und das Schaffen von Abhängigkeiten politischen Einfluss auf Dritte auszuüben. Andererseits ist die Industriepolitik der großen Blöcke darauf ausgerichtet, defensiv die eigenen Kapazitäten zu stärken, um die Anfälligkeit gegenüber eben jener offensiven Außenwirtschaftspolitik Dritter zu verringern. Dabei liegt der Fokus vor allem auf jenen Technologien, Rohstoffen und Produkten, die im Zuge der Transformation in Richtung Digitalisierung und Dekarbonisierung besonders kritisch sind – Chips, Halbleiter, Batteriezellen, Seltene Erden, Solarmodule, Infrastruktur, um nur einige Beispiele zu nennen.
China verfolgt diese Strategie seit einigen Jahren mit langfristiger Planung und großer Konsequenz. Mit dem Plan "Made in China 2025" verfolgt die Volksrepublik das Ziel, zur weltweit führenden Technologie- und Industrienation zu werden und den Anteil chinesischer Hersteller von "Kernkomponenten und wichtigen Werkstoffen" auf dem einheimischen Markt auf 70 Prozent zu erhöhen. Mit der „Belt and Road“-Initiative hat sich China bereits vor 10 Jahren aufgemacht, über Investitionen, Kredite, Rohstoffpartnerschaften, Handelsabkommen, vor allem aber Infrastrukturprojekte ein Netz der wirtschaftlichen Verflechtung über zahlreiche Drittstaaten zu spannen.
Die EU dagegen ist erst kürzlich aufgewacht und hat im geoökonomischen Wettbewerb, dem sie sich nicht entziehen kann, noch großen Handlungsbedarf. Jüngst auf den Weg gebrachte Initiativen und Instrumente wie der European Chips Act, mit dem Europa seine Resilienz auf dem kritischen Feld der Halbleitertechnologie stärken will, oder der Anti-Coercion-Mechanismus, mit dem sich die EU gegen wirtschaftliche Erpressungsversuche schützen will, weisen zwar in die richtige Richtung. Sie wurden aber spät auf den Weg gebracht, müssen sich in der Praxis noch bewähren und reichen in ihrer Gesamtheit noch nicht aus, um die EU in einem hinreichenden Maße zu einem handlungsfähigen Akteur zu machen, der die multipolare Welt nach seinen Werten und Interessen mitgestalten kann. Selbst in Regionen, wo die EU bereits der größte Wirtschaftsakteur ist, nämlich in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft, gelingt es ihr nur unzureichend, in beiderseitigem Interesse politisch Einfluss zu nehmen.