Bereits vor der Coronakrise bestand in Bezug auf die Geschlechter auf dem deutschen Arbeitsmarkt im Lebensverlauf eine doppelte Einkommensungleichheit: jene zum Nachteil der Frauen ganz allgemein und jene zwischen kinderlosen Frauen und Müttern. Der Vergleich zwischen den Geschlechtern zeigt, dass auf das gesamte Erwerbsleben gerechnet Frauen nur rund halb so hohe Erwerbseinkommen erzielen wie Männer (Bönke, Glaubitz, Göbler, Harnack, Pape, & Wetter, 2020). Für diesen sogenannten Gender Lifetime Earnings Gap sind Kinder der entscheidende Faktor, denn oft geht die Betreuung und Erziehung von Kindern mit einer reduzierten Arbeitsmarktpartizipation und folglich einer deutlichen Minderung der Lebenserwerbseinkommen von Müttern einher. Lediglich die Lebenserwerbseinkommen der kinderlosen Frauen nähern sich denen der Männer an.
Letzteres führt auch dazu, dass die Einkommenslücke zwischen kinderlosen Frauen und Müttern – die sogenannte Motherhood Lifetime Penalty – größer wird. Anders gesagt: Die Einkommenseinbußen des Mutterdaseins steigen im Lauf der Zeit an. Dabei sprechen die Zahlen eine deutliche Sprache: Die Entscheidung für Kinder führt bei Müttern mit einem Kind zu durchschnittlichen Einbußen an Lebenserwerbseinkommen von rund 40 Prozent im Vergleich zu kinderlosen Frauen. Bei Frauen mit drei oder mehr Kindern beträgt die Motherhood Lifetime Penalty nahezu 70 Prozent.
Insgesamt bilden die Ergebnisse zum Gender Lifetime Earnings Gap und zur Motherhood Lifetime Penalty einen eindrücklichen Nachweis der immensen Ungleichheiten, die auf dem deutschen Arbeitsmarkt zwischen den Geschlechtern und zunehmend auch innerhalb der Gruppe der Frauen bestehen. Diese doppelte Ungleichheit ist nicht nur ungerecht, sondern geht auch mit einer gesamtwirtschaftlichen Ineffizienz einher, die sich die deutsche Wirtschaft insbesondere angesichts des demografischen Wandels und des anhaltenden Fachkräftemangels nicht erlauben kann. Wenn Frauen – und insbesondere Mütter – nur rund die Hälfte der für Männer möglichen Lebenserwerbseinkommen erwirtschaften, obwohl sie ihnen in Leistungsfähigkeit und Bildung in nichts nachstehen, wird ein großer Teil des Arbeitskräftepotenzials nicht ausgeschöpft.
Für die Politik gibt es ein vielseitiges Tableau an Handlungsoptionen, um der doppelten Ungleichheit nicht nur Einhalt zu gebieten, sondern auch aktiv entgegenzuwirken. Die Optionen reichen von Maßnahmen, die eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen (unter anderem durch einen kompromisslosen Ausbau der Betreuungsinstitutionen), über eine Reform des Ehegattensplittings und der Minijob-Regelungen bis hin zu einer besseren Entlohnung und verstärkten tarifvertraglichen Abdeckung der als systemrelevant eingestuften Berufe.