„Wer ist eigentlich die wirkliche Lähmschicht im Unternehmen …?“ Die Frage zielt nicht nur auf eine zunehmende Orientierungslosigkeit und Unsicherheit in den obersten Chef-Etagen bei der Umsetzung von Strategien und dem Aufbau innovativer Geschäftsmodelle ab. Sie verdeutlicht auch ein neues Selbstbewusstsein im Mittelmanagement sowohl bei der Umsetzung des operativen Geschäfts als auch bei der Gestaltung der Organisationskultur. Hätten Führungskräfte der 2. und 3. Ebene vor Jahren noch achselzuckend mangelnde Vorgaben oder unklare Entscheidungs-situationen hingenommen, fordern sie heute ihren Führungsanspruch und ihren Freiraum aktiv ein.
Die disruptiven Wirkungen auf Geschäftsmodelle, Machtstrukturen und Führungs-kulturen durchTrends wie Globalisierung und Digitalisierung verändern die Rolle des Mittelmanagements. Wenn mich mein Chef nicht führt, dann muss ich eben meinen Chef führen! Viele Unternehmen haben noch nicht erkannt, wie erfolgsentscheidend inzwischen die Führung aus der Mitte geworden ist, um strategische Vorgaben an die Mitarbeiterebene zu vermitteln bzw. die Stimmung an der Basis an das C-Level weiterzugeben. Was sich so einfach anhört, zeigt in der Praxis einige Fallstricke.
Für den Teilnehmerkreis desExecutive Trainings „Führung- und Unternehmens-kultur“ verbanden sich im Modul II des Seminars bei der Credit Suisse in Genf damit viele Fragen aus dem Unternehmensalltag: „Wie gehe ich mit Zweifeln um?“, „Wo verstecken sich so genannte vergiftete Aufträge, an denen man nur scheitern kann?“, „Wie will ich geführt werden?“ oder „Wie lerne ich mich durch ein erfolgreiches Erwartungsmanagement gegenüber Ansprüchen von oben oder unten abzugrenzen?“
Eine Voraussetzung erfolgreicher Führung aus der Mitte bleibt die Auftragsklärung. Führung hat immer etwas mit „Ent-Täuschung“ zu tun, weil Ansprüche zurückgewiesen, auf Widersprüchlichkeiten hingewiesen oder getroffene Entscheidungen widerrufen werden müssen. Deshalb ist es für Führungskräfte immer wichtiger, sich die eigene Rolle als Führungskraft bewusst zu machen. Was ist meine Aufgabe und Verantwortung? Bis wohin darf ich Mitarbeiter bei beruflichen oder privaten Problemen unterstützen, aber wo sind auch Grenzen in Bezug auf die unternehmerische Zielerfüllung?
Ein wichtiger Baustein, um als Führungskraft seine Werte zu reflektieren und Handlungsmuster zu verstehen, ist die Erforschung der „Emotionalen Landkarte“. Warum hat mich gerade der harmlose Spruch des Kollegen so aggressiv gemacht? Wieso fällt es mir einfach schwer, Lob von meinem Vorgesetzten anzunehmen? Für Führungskräfte ist es zum Aufbau sozialer Kompetenz wichtig, so genannte Trigger-Punkte zu erkennen. Oft verbergen sich dahinter positive oder negative Erlebnisse aus der Vergangenheit oder übernommene Glaubenssätze von den Eltern.
Der Teilnehmerkreis hatte im Rahmen der kollegialen Beratung ausgiebig Gelegenheit, sich mit ihrem Führungsverständnis, Gestaltungsspielraum und Rollenverständnis auseinanderzusetzen. Letztlich wurde ihnen dabei auch deutlich: das Herz der Organisation schlägt zukünftig im Mittelmanagement!