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Mittelstand gerät bei öffentlichen Finanzhilfen aus dem Blick

Das deutsche System öffentlicher Finanzierungsinstrumente für Unternehmen mit Wachstumspotenzial weist Lücken auf. Während einige Unternehmen, insbesondere große Unternehmen aber zunehmend auch Start-Ups, auf vielfältige öffentliche Finanzierungsmöglichkeiten zurückgreifen können, fallen vor allem etablierte mittelständische Unternehmen aus dem Blickfeld. Das gilt insbesondere auch für Unternehmen mit Nachhaltigkeitsfokus und Mittelständler mit Wachstumspotenzial außerhalb technologieintensiver Sektoren. Das zeigt eine aktuelle Studie der OECD, die in Zusammenarbeit mit der Bertelsmann Stiftung entstanden ist. 

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Armando García Schmidt
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Dr. Marcus Wortmann
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Elektrofahrzeuge, Chips, Batterien. Die Bundesregierung hat zuletzt die Ansiedlung von Produktionsstätten international agierender Großunternehmen in Deutschland mit massiven Finanzhilfen unterstützt. Diese Subventionen zielen darauf, den Standort Deutschland zu einem Vorreiter in der Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft zu machen. Die hiesige Herstellung von Produkten und Bauteilen, die relevant für die Energiewende und andere Transformationsanstrengungen sind, macht Deutschland zudem unabhängiger von Zulieferern und den Gefahren, die sich aus verletzlichen Lieferketten ergeben. 

Doch ob die Transformation Deutschlands hin zu einem weiter wettbewerbsfähigen gleichzeitig aber klimaneutralen und ressourcenleichten Produktions- und Industriestandort gelingt, entscheiden nicht einige wenige Großprojekte. Entscheidend ist, dass die Vielzahl kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) auf eine klimaneutrale und ressourcenschonende Produktion umstellt und im besten Falle sogar gänzlich auf nachhaltige Technologien, Produkte und Geschäftsmodelle setzt.  

Großer Investitionsbedarf 

Zuletzt zeigte das Klimabarometer der KfW, dass der Unterschied zwischen Großunternehmen und KMU in Deutschland immer größer wird, wenn es um Investitionen in Maßnahmen der Energiewende geht. Aber auch die Investitionen in die wachstumsstärkende Maßnahmen ist in deutschen KMU verhalten. 

Warum investieren KMU in so einem geringen Ausmaß? Könnte ein Grund in der Beschaffenheit der öffentlichen Förderlandschaft zu suchen sein? Dieser Frage geht die Studie „Finanicng SME growth in Germany“ der OECD nach, die in Zusammenarbeit mit der Bertelsmann Stiftung entstanden ist. Die Studie vergleicht die öffentliche Förderlandschaft auf Bundesebene mit den Förderinstrumenten in anderen OECD-Staaten. Zu welchen Ergebnissen kommt die Studie? 

Strukturelle Schwächen bei der Scale-up-Finanzierung für KMU 

Was die Finanzierungsmöglichkeiten betrifft, hat die deutsche Wirtschaft grundsätzlich eine gute Eigenbasis. So sind die Eigenkapitalquoten mittelständischer Unternehmen in den letzten 20 Jahren von neun Prozent (1997) auf 29 Prozent (2019) massiv gestiegen. Die Unternehmen verfügen also grundsätzlich über ein solides Potenzial der Eigenfinanzierung. 

Wichtigstes Finanzierungsmittel für die Scale-Up-Finanzierung sind jedoch Kredite von Banken und Sparkassen.  

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Allerdings wären alternative Finanzierungsoptionen zur Bank- und Eigenfinanzierung insbesondere für Unternehmen mit hohen Risikoprofilen erforderlich. Wie sich zeigt, sind gerade diese jedoch in Deutschland unterentwickelt. So ist etwa die Venture-Capital-Finanzierung in Deutschland im Jahr 2022 mit 0,09 Prozent des BIP deutlich geringer ausgeprägt als in vergleichbaren OECD-Staaten. Auch die deutsche Rentenfonds, Versicherungsunternehmen und öffentliche Finanzierungen bieten nur in sehr geringen Maße Risikokapital (siehe Abbildung 1). 

Strukturelle Schwächen der öffentlichen Finanzierungsinstrumente 

Durch öffentliche Finanzierungsinstrumente haben Staaten die Möglichkeit, Entwicklungen in bestimmten Bereichen zu unterstützen und somit Potenziale zu heben, die in der privatwirtschaftlichen Dynamik allein zu kurz kommen können. Die Studie identifiziert für Deutschland auf Bundesebene sechs Institutionen und 23 Förderinstrumente. Diese werden mit insgesamt 210 Institutionen und 709 Instrumenten aus anderen OECD-Staaten vergleichend analysiert. 

Dabei werden folgende drei Erkenntnisse für die Förderlandschaft auf Bundesebene sichtbar: 

#1 Übermäßige Start-up-Fixierung 
Die öffentliche Scale-Up-Finanzierung ist wie in vielen anderen OECD-Ländern auch in Deutschland stark auf konkrete Unternehmensarten hin ausgerichtet. Dabei fällt auf, dass in den deutschen Förderprogrammen das Alterskriterium stärker als das Performanzkriterium gewichtet wird. Die Hälfte der Instrumente richtet sich aus-schließlich an junge Unternehmen. Ältere Scale-up-Unternehmen sind hier explizit ausgeschlossen (siehe Abbildung 2). 

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#2 Starker Fokus auf kapitalintensive Investitionen 
Mit Blick auf die Art der geförderten Investitionen sind die öffentlichen Finanzierungsinstrumente auf Bundesebene insgesamt besser ausbalanciert als im OECD-Durchschnitt. Insgesamt liegt der Fokus dabei jedoch auf kapitalintensiven Investitionen. Hier scheint die Förderkulisse den Bedürfnissen der Wirtschaftsstruktur entsprechend aufgestellt. Gerade hoch entwickelte Industrieunternehmen wie es sie in Deutschland in großem Umfang gibt, brauchen Unterstützung bei kapitalintensiven Investitionen, die aus Eigenkapital und bzw. oder Bankkrediten oft nicht allein zu stemmen sind. 

#3 Unübersichtlichkeit der Finanzierungsinstrumente 
Zum einen führen die im Vergleich zu anderen OECD-Ländern stark über den Finanzmarkt als Zwischenakteur abgewickelten öffentlichen Scale-Up-Finanzierungen dazu, dass Unternehmen, die nicht den Kriterien der klassischen Bankfinanzierung (wie etwa Risikokapital) entsprechen, einen erschwerten Zugang zu den benötigten Finanzmitteln haben. Zum anderen stellt die Vielzahl der unterschiedlichen staatlichen Finanzierungsinstrumente kleinere Unternehmen vor Probleme, die für sie geeigneten Finanzierungsinstrumente zu identifizieren.  

Was sollte sich ändern? 

Insgesamt könnte eine Diversifizierung von öffentlichen Fördermaßnahmen bei gleichzeitiger Vereinfachung des Zuganges sinnvoll sein, um mehr Potenziale zu realisieren. 

Vor allem sollten aber Nachhaltigkeitsaspekte eine größere Rolle bei der Scale-up-Finanzierung zugeschrieben bekommen. Während die Digitalisierung in Deutschland und anderen OECD-Staaten als Treiber für die Stärkung von Wachstumsaussichten und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen anerkannt ist, gilt dies bisher nicht für nachhaltigkeitsbezogene Bemühungen. Die Hälfte der von der Studie identifizierten mittelstandbezogenen Digitalisierungs-Maßnahmen haben Bezug zu Scale-Up-Finanzierung, während dies für nur eine der analysierten nachhaltigkeitsbezogenen Maßnahmen gilt.  

Es gibt in Deutschland einige Instrumente, die mittelständischen Unternehmen bei der Bewältigung der Nachhaltigkeitstransformation helfen: So bietet die KfW mit der „Klima-Offensive für den Mittelstand“ (2020) zinsgünstige Kredite in Verbindung mit Zuschüssen für Investitionen in klimafreundliche Produkte, Technologien und Verfahren von jährlich insgesamt bis zu 100 Millionen für drei Jahre an. 

Darüber hinaus stellen die Zukunftsfonds (BMWK; KfW) Wagniskapital in zweistelliger Milliardenhöhe für Start-up-Finanzierungen bereit (Federal Government, 2021). Auch wenn nicht exklusiv auf grüne Technologien beschränkt, so kann dieser Fond dennoch maßgebliche Impulse bei der Nachhaltigkeitsfinanzierung von Start-Ups spielen. Dieser bezieht sich jedoch wieder ausschließlich auf Start-ups, sodass die Förderung an etablierten KMU mit ähnlich gelagerten Bedürfnissen und Potenzialen vorbei geht. 

Und dennoch: das offiziell vielfach bekundete Ziel, die deutsche Wirtschaft fit für die Nachhaltigkeitstransformation zu machen, lässt sich noch nicht in der Ausrichtung der Förderlandschaft auf Bundesebene wiederfinden. Notwendige Investitionen für neue – nachhaltige – Produktionsprozesse aber auch Investitionen in die Veränderung des Geschäftsmodells bei existierenden KMU müssten stärker in den Fokus rücken. Beispiele wie Estlands „Green Fund“ zeigen, dass es möglich ist, nachhaltige Unternehmen sowohl in den Früh- als auch späteren Wachstumsphasen effektiv zu unterstützten. 

Deutschland braucht innovative nachhaltige Unternehmen, die den Wohlstand von morgen im internationalen Wettbewerb sichern können. In manchen Bereichen wie der Circular Economy besteht noch die Chance, neue Märkte selbst zu schaffen und Technologieführerschaft zu übernehmen. Die Grundlagen sind in den vielen starken KMU gerade des Verarbeitenden Gewerbes in Deutschland unfraglich vorhanden. Deutschland kann es sich nicht leisten, Potenziale ungenutzt zu lassen. 
 

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