Gruppenbild mit Fücks, Renkamp, Lührmann, Börzel

Europas Demokratie - Krise oder Erneuerung?

Die Demokratie hat es nicht leicht in Europa: Sie soll große Herausforderungen wie Klimawandel, Digitalisierung, demographischen Wandel bewältigen und zugleich Menschen Freiheit, ausreichend Beteiligung und ein gutes Leben ermöglichen. Und nun ist in unmittelbarer Nachbarschaft auch noch Krieg. Das führt zu großen Verunsicherungen in vielen Ländern. Der Glaube in die Handlungsfähigkeit demokratischer Politik sinkt, die Polarisierung mindestens in Debatten nimmt zu, und vor allem die Parteien der Mitte, einst Garant von Stabilität und Fortschritt, sinken in der Wählergunst.

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Dr. Andrey Demidov
Project Manager

Der Glaube an die Handlungsfähigkeit von Demokratien sinkt

Grund genug für das Zentrum Liberale Moderne und die Bertelsmann Stiftung, über die Demokratie in Europa zu diskutieren. Der Roundtable bildete den Abschluss der Veranstaltungsreihe „Demokratie im Stresstest“, in welcher beide Organisationen den Zustand verschiedener Demokratien besprochen haben. Anna Lührmann, Mitglied des Deutschen Bundestages und Staatsministerin im Auswärtigen Amt, und Tanja Börzel, Professorin an der Freien Universität Berlin, führten mit zwei Kurzinputs in die Diskussion ein.

Trotz der Krisendiagnose gibt es Anlass zur Hoffnung: Die Einbindung in das supranationale System EU macht viele Staaten resilienter gegenüber Krisen, als sie es allein wären. Sie können gemeinsam agieren, wie etwa in der Coronapandemie oder beim European Green Deal. Auch das führt dazu, dass Europa in der Welt als Anker der Demokratie gesehen wird und der Wunsch, der Europäischen Union beizutreten, ungehindert hoch ist. Das zeigt unter anderem der Wunsch der Ukraine, Georgiens und Moldaus sowie des westlichen Balkans, sich sobald wie möglich der EU anzunähern. Freiheit und Demokratie, so scheint es, haben nach wie vor eine große Anziehungskraft.

Die Europäische Integration macht Demokratien resilienter

Aber: Sowohl die Demokratie in den Staaten Europas wie auch die EU sind nicht unangefochten. Einige Staaten wenden sich gegen die Institutionen der Demokratie, etwa freie Medien, unabhängige Justiz und eine freie Zivilgesellschaft. Sie bremsen auch alle Reformprozesse der Union. Eine zentrale Frage ist, wie diese mit der Diversität an Demokratie- und Politikvorstellungen ihrer Mitglieder umgehen sollte. Soll sie trotzdem darauf beharren, dass alle alles gleichzeitig umsetzen – bei der Gefahr der Beschlussunfähigkeiten? Kann es ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten geben?

Einig waren sich die Teilnehmenden darin, dass bei den zentralen Grundrechts- und Rechtsstaatsprinzipien keine Abstriche gemacht werden sollten. Die Europäische Union ist heute eben mehr als die Wirtschaftsunion der Anfangstage: Sie ist eine Rechtsstaatsgemeinschaft.

Wie kann Europa Handlungsfähigkeit beweisen?

Ein zweiter großer Diskussionspunkt war die Frage, wie Europa Handlungsfähigkeit beweisen kann, die bei den Menschen ankommt. Welche Ebene sollte wofür zuständig sein? Wie schafft die EU die Umsetzung beschlossener Großprojekte, etwa des Green Deal? Wird eine wirksame Politik in Zukunftsfeldern wie Plattformregulierung oder Künstliche Intelligenz gelingen? Hier herrscht erhebliche Unsicherheit.

Strategische Kommunikation bildete ein drittes Diskussionsfeld. Wie kann man die Vorteile der europäischen Integration kommunizieren, obwohl gezielte Desinformationen kursieren und es immer leichter haben? Welche Vorteile (Stichwort: Handlungsfähigkeit) kommen bei den Bürgerinnen und Bürgern an? 

Die Demokratie in Europa ist stark und resilient, aber sie steht vor massiven Herausforderungen. Ob sie bestehen wird und auf Zustimmung der Bürger_innen trifft, hängt auch davon ab, ob demokratische Politik für sie spürbar handlungsfähig ist.

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