Muslimische Mutter und Kind liegen auf einer Wiese

Lebenswelten deutscher Muslime

Muslime sind die größte religiöse Minderheit in Deutschland. Sie leben und arbeiten seit Jahrzehnten hier. Viele Muslime sind in Deutschland geboren und aufgewachsen; sie sind mittlerweile hier heimisch geworden. Dennoch steht immer wieder die Frage im Raum, ob der Islam zu Deutschland gehört oder nicht. Seit dem jüngsten Aufflammen religiöser Konflikte in vielen Ländern des Nahen Ostens und dem Auftauchen der islamistischen Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) geraten auch Muslime in Deutschland wieder in den Fokus der Öffentlichkeit. An den damit verbundenen Debatten wird deutlich, dass wir viel zu wenig über den Islam und seine Facetten in Deutschland wissen. Mit dieser Sonderauswertung des Religionsmonitors möchten wir die Lebenswelten deutscher Muslime in den Blick nehmen und einen Beitrag leisten, ihre religiösen Ausdrucksformen besser zu verstehen. Ziel ist es, mit den Ergebnissen der Studie die oft sehr emotional geführten Debatten um die Zugehörigkeit des Islams zu Deutschland auf eine empirische Basis zu stellen und zu versachlichen.

 

Muslimische Religiosität ist nur wenig bedeutsam für die problematisierten Einstellungen und Verhaltensweisen.

Prof. Dr. Dirk Halm und Dr. Martina Sauer

Daher untersuchen Prof. Dr. Dirk Halm und Dr. Martina Sauer im Rahmen der Sonderauswertung „Lebenswelten deutscher Muslime“ des Religionsmonitors 2013 folgende zwei Fragen: Inwiefern bestimmt muslimische Religiosität die Sozialintegration von Einwanderern und das gesellschaftliche Zusammenleben in Deutschland? Wie beeinflussen die Bedingungen von Migration und die Minderheitensituation den religiösen Wandel bei Muslimen in Deutschland?

 

Methode

Die Sonderauswertung zum Thema Islam in Deutschland basiert auf den Daten des Religionsmonitors 2013 und auf einer Sonderumfrage des Emnid Instituts im Auftrag der Bertelsmann Stiftung.
Für den Religionsmonitor der Bertelsmann Stiftung wurden zwischen Oktober und Dezember 2012 14.000 Personen in 13 Ländern zu ihrer persönlichen Religiosität, ihren Werthaltungen und dem Verhältnis von Religion, Politik und Gesellschaft repräsentativ befragt. Die Befragung wurde vom Institut für angewandte Sozialforschung infas in Bonn durchgeführt. Es wurden Personen ab 16 Jahren in Deutschland und Brasilien, Frankreich, Großbritannien, Indien, Israel, Kanada, Schweden, der Schweiz, Spanien, Südkorea, der Türkei sowie den USA befragt.
Für die vorliegende Sonderauswertung wurden die Daten für Deutschland und die Türkei ausgewertet. In Deutschland wurde die Bevölkerungsstichprobe durch eine Stichprobe von Muslimen in Deutschland ergänzt. Auf Basis des Religionsmonitors wurde einerseits die Wahrnehmung des Islams in Deutschland und darauf einwirkende Einflussfaktoren differenziert analysiert. Andererseits wurden die Lebenswelten deutscher Muslime (N=322) untersucht und mit Muslimen in der Türkei (N=974) verglichen. Aufgrund der Glaubensunterschiede von Muslimen unterschiedlicher religiöser Ausrichtung (beispielsweise Sunniten, Aleviten, Shiiten) konzentrieren sich einige Auswertungen auf sunnitische Muslime, die sowohl in Deutschland (N=200) als auch in der Türkei (N=655) die große Mehrheit der Muslime stellen. Dies ist vor allem bei Analysen relevant, die den Einfluss der Glaubensintensität untersuchen, beispielsweise auf Wertvorstellungen. Aufgrund niedriger Fallzahlen konnten diese Analysen für die übrigen religiösen Orientierungen nicht vorgenommen werden.
Im Rahmen der Emnid-Umfrage vom November 2014 wurden zentrale Fragen zur Islamwahrnehmung der deutschen Bevölkerung, die bereits im Religionsmonitor enthalten waren, neu erhoben. So konnten Veränderungen im Islambild zwischen 2012 und 2014 – auch vor dem Hintergrund aktueller politischer Ereignisse – erfasst werden. Zusätzlich wurden weitere Fragen zu Einstellungen gegenüber und zum Kontakt zu Muslimen eingebunden. Insgesamt sind die Antworten von 937 Befragten in die Auswertungen eingeflossen (nicht-muslimische deutsche Bevölkerung ab 16 Jahre).