Schiffe auf dem Meer mit Bohrtürmen im Hintergrund

Geopolitische Ambitionen in der Schwarzmeer-/Kaspischen Region

Es ist bekannt, dass Russland die Krim von der Ukraine völkerrechtswidrig annektiert hat. Weniger bekannt ist, wie Russland seine Position in der Region um das Schwarze und Kaspische Meer ausbaut. Der EU-Nachbarschaftsraum verwandelt sich zunehmend in eine Konfliktzone. Wie Russland, die Türkei, China und andere Regionalmächte dort interagieren und welche Gestaltungsspielräume Europa hat, analysiert ein neues Policy Paper.

Ansprechpartner

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Miriam Kosmehl
Senior Expert Eastern Europe and EU Neighbourhood
Foto Christian Hanelt
Christian Hanelt
Senior Expert Europe, Neighbourhood and the Middle East

Inhalt

Durch die Region, die Europa und Asien verbindet, gehen wichtige Handels- und Energierouten. Zwei Mitgliedstaaten der EU und drei NATO-Partner sind Anrainer des Schwarzen Meeres. Die nüchterne Analyse benennt etwa folgende strategische Handlungsmuster Russlands: die aufgerüstete  Schwarzmeerflotte im Syrien-Krieg und im Mittelmeer einsetzen, bei Missachtung internationalen Seerechts die freie Schifffahrt einschränken, wirtschaftlich bedeutsame Transport- und Kommunikationswege stören und in die ausschließlichen Wirtschaftszonen von Anrainerstaaten ausgreifen.

Eine Transitregion überregionaler Bedeutung und ihre Akteure

Staaten wie die Ukraine oder Georgien, deren souveräne Rechte Russland aktuell verletzt, sind zu schwach, um sich gegen den militärischen, politischen und wirtschaftlichen Druck Moskaus zu wehren. Ihre wirtschaftlichen und Sicherheitsinteressen betreffen aber Europa als Ganzes. Das gilt sowohl für die EU-assoziierten Nachbarländer Ukraine, Georgien und die Republik Moldau, als auch für die EU-Mitgliedstaaten Rumänien und Bulgarien.

Russland ist nicht der einzige Schlüsselstaat, der seine Position in der unmittelbaren EU-Nachbarschaft ausbaut. Vor allem China verfolgt seine Interessen im östlichen Europa offensiv. Anlass zur Sorge gibt auch die Türkei: Es ist unklar, ob Ankara noch ein zuverlässiger Bündnispartner ist. Das Vorgehen Russlands, bleibt es unwidersprochen, ermutigt Nachahmer. Alle drei Regionalmächte suchen zunehmend den Konflikt, um Transportrouten für Ressourcen oder Waren sowie Energiequellen zu dominieren.

Politik der kleinen Schritte für schleichende Dominanz

Mit dem Policy Paper „Antagonismen in der Nachbarschaft der Europäischen Union – Geopolitische Ambitionen in der Schwarzmeer-/Kaspischen Region“ analysiert das Projekt „Strategien für die EU-Nachbarschaft“ der Bertelsmann Stiftung die Motive der neu erstarkten Regionalmächte, der Politik Russlands, der Türkei und Chinas, aber auch Irans und Saudi-Arabiens. Das Papier empfiehlt Antworten auf die das Kräftegleichgewicht der Region verändernden Handlungen und macht Vorschläge, wie Berlin und Brüssel europäische Interessen in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft besser wahrnehmen können.

Die Empfehlungen für eine Verteidigung europäischer Interessen im Nachbarschaftsraum um das Schwarze und Kaspische Meer reichen von einem eigenen Monitoring, das zuverlässig und schnell über das Vorgehen Russlands informiert, über eine sichtbarere Unterstützung der EU-Mitgliedstaaten Bulgarien und Rumänien sowie der EU-assoziierten Schwarzmeeranrainer Ukraine, Georgien und Moldawien, bis zu einem robusteren Eintreten für das internationale Recht, damit politische Konflikte und militärische Eskalation von vornherein verhindert wird, aber auch, um die freie Schifffahrt und die Sicherheit wichtiger Transport- und Energieinfrastruktur zu gewährleisten.

Realitätscheck und Plädoyer

Das Programm "Europas Zukunft" der Bertelsmann Stiftung möchte mit seiner Projektinitiative „Schlüsselstaaten" Vorschläge unterbreiten, wie die EU in ihrer direkten Nachbarschaft, von Belarus über Georgien und Syrien bis Marokko, zu Frieden, Stabilität und Prosperität beitragen kann. Das vorliegende Papier soll Strategien reflektieren, bevor die Entwicklungen in der Region das Stadium akuter Konflikte erreichen. Es will Impulse dafür geben, dass die Politik Lösungen entwickeln, Resilienz stärken und durch rechtzeitiges Handeln Krisen entschärfen kann.