Flaggen der Länder des G7-Gipfels

Das Treffen in Frankreich nimmt soziale Ungleichheit ins Visier

Das nächste G7-Treffen steht vor der Tür und der französische Präsident Emmanuel Macron rückt die ökonomische Polarisierung in den Mittelpunkt. Werden die führenden Politiker der Welt in der Lage sein, eines der dringendsten Probleme unserer Zeit anzugehen?

Von JESS SMEE

Wenn sich vom 24. bis 26. August internationale Spitzenpolitiker in der südwestfranzösischen Küstenstadt Biarritz treffen, wissen sie bereits, welche Themen auf der Tagesordnung stehen. Als Frankreich zu Beginn des Jahres die rotierende G7-Präsidentschaft übernahm, ließ Präsident Emmanuel Macron unmittelbar bekanntgeben, der Bekämpfung der Ungleichheit höchste Priorität einzuräumen.

Im Vorfeld des viel beachteten Gipfels haben französische Politiker eine Reihe von Zielen formuliert und ihre Absicht dargelegt, den internationalen Kampf gegen Steueroasen zu verschärfen und stärker gegen Steueroptimierung vorgehen zu wollen. Gemeint sind Unternehmen, die rechtliche und organisatorische Tricks anwenden, um ihre Steuersätze so niedrig wie möglich zu halten.

Bereits im vergangenen Jahr sprach Präsident Macron auf der Generalversammlung der Vereinten Nationen das Thema Polarisierung an und zeigte sich besorgt über „jene, die bei der Globalisierung nicht haben Schritt halten können.“

Es überrascht wenig, dass das Thema Macron am Herzen liegt. Zu Hause in Frankreich wurde der französische Staatschef bei den anhaltenden und manchmal gewaltsamen Protesten der sogenannten Gelbwesten lautstark an die Kluft zwischen Arm und Reich erinnert. Die Bewegung entstand im vergangenen November nach einer Erhöhung der Treibstoffsteuer, erschütterte Macrons Popularität und fand Nachahmer auch anderswo.

Dass nur eine proaktive globale Herangehensweise die Ungleichheit bekämpfen kann, scheint klar. Die G7-Staaten, Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien, Japan, Großbritannien und USA weisen auf internationaler Ebene im Umgang mit der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich eine gemischte Bilanz auf. Dies zeigt das Projekt Sustainable Governance Indicators (SGI) der Bertelsmann Stiftung, das das Engagement von Ländern im Kampf gegen sozioökonomische Ungleichheit in Entwicklungsländern vergleicht.

Das Ranking von 2018 zeigt beispielsweise, dass Deutschland und Großbritannien in ihren internationalen Bemühungen Spitzenreiter unter den G7-Staaten sind und 8 von 10 möglichen Punkten erreichen, ein deutliches Zeichen, dass die Regierungen „sich international aktiv für die Förderung gleicher sozioökonomischer Chancen einsetzen“. Italien gehört dagegen in die Gruppe der Nationen, die nur 5 Punkte erzielen, weil nur ein „begrenztes Engagement in internationalen Bemühungen“ erkennbar ist und „viele Maßnahmen oder Politiken Kohärenz vermissen lassen“.

Geschlechtergleichheit im Fokus

Die französischen G7-Gastgeber haben auch bestehende Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern im Visier, deren Überwindung als eines der Hauptanliegen von Macrons Amtszeit gilt. Deutlich unterscheiden sich die G7-Teilnehmer beim Lackmustest der Gleichstellung innerhalb ihrer eigenen Grenzen: der Repräsentation von Frauen in der nationalen Politik.

Bei der Frage, wieviel Prozent der Sitze in den jeweiligen nationalen Parlamenten mit Frauen besetzt sind, führt Frankreich die Liste der G7-Staaten im SGI-Ranking 2018 mit 8 Punkten an. 39 Prozent der französischen Abgeordneten sind Frauen. Auf der entgegengesetzten Seite befindet sich Japan, das aufgrund seiner schlechten Bilanz bei der Beteiligung von Frauen an Machtverhältnissen mit nur 2 von 10 Punkten Schlusslicht des Rankings ist. (Nur 9,3 Prozent der Abgeordneten im japanischen Parlament sind weiblich).

Da die G7-Gipfel ein Forum für die Erörterung globaler Fragen und nicht für nationale Angelegenheiten sind, kann der geplante Schwerpunkt Geschlechtergleichheit allenfalls dazu beitragen, das Bewusstsein für die Ungleichheit in den nationalen Parlamenten zu stärken. Die französische G7-Präsidentschaft ist sich der Grenzen ihrer Durchsetzungskraft wohl bewusst und hat ihre Ziele entsprechend konkretisiert. So beschränkt sie sich beim Thema Geschlechtergleichheit auf Verpflichtungen, gegen sexistische und sexuelle Gewalt vorzugehen, Frauen besonders auch in Afrika den Zugang zu Bildung zu gewährleisten, sie wirtschaftlich zu stärken und eine feministische Außenpolitik zu fördern.

Grenzen des Multilateralismus

Macron wird es mit seinen ehrgeizigen Ambitionen nicht leicht haben. Schließlich wird die Suche nach gemeinsamen Lösungen durch frostige internationale Beziehungen innerhalb der G7 behindert, zu denen der Unilateralismus von US-Präsident Donald Trump und dem italienischen Präsidenten Matteo Salvini ebenso beiträgt wie der langwierige und politisch umstrittenen Brexit-Prozess, den Großbritannien gegenwärtig durchläuft.

Und wieder einmal werden internationale Beobachter nach unüberbrückbaren Gräben zwischen der G7 und Trump suchen, der sich noch im Juni weigerte zu bestätigen, ob er überhaupt an dem Treffen teilnehmen würde. Schon Anfang dieses Jahres wurde ein G7-Außenministertreffen in der Bretagne von der Entscheidung des US-Außenministers Mike Pompeo, nicht daran teilzunehmen, überschattet.

In unrühmlicher Erinnerung ist auch geblieben, wie Trump auf dem G7-Gipfel im vergangenen Jahr in Kanada einer gemeinsamen Abschlusserklärung zum Handel zunächst zugestimmt hatte, sein Einverständnis kurz darauf jedoch zurückzog. Dieser Sinneswandel in letzter Minute reiht sich ein in die Dauerkonflikte zwischen dem US-Präsidenten und anderen G7-Ländern über Schlüsselfragen – vom Handel über Frauenrechte bis zum Klimawandel. Eine Reihe von multilateralen Prinzipien und Kooperationen, die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieg die Weltordnung zusammenhielten, werden auf diese Weise untergraben.

Es gibt erste Anzeichen dafür, dass Macron schon vor dem Treffen um Schadensbegrenzung bemüht ist. Ein Bericht des Medienportals Buzzfeed legt nahe, dass der französische Präsident sein Gesicht wahren will, indem er auf dem Gipfel von der Verabschiedung förmlicher Schlussfolgerungen Abstand nimmt, wenn die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Staats- und Regierungschefs zu groß sind. Sollten die französischen Gastgeber tatsächlich diesen Plan verfolgen, würde dies mit der jahrzehntelangen Tradition der Unterzeichnung fester Vereinbarungen bei den jährlichen Treffen brechen. Vor diesem Hintergrund mag Frankreichs Streben nach Gleichstellung dringlich und wichtig sein, ein Erfolg dieser Bemühungen ist jedoch aufgrund der Verwerfungen und des gegenseitigen Misstrauens, die derzeit die G7-Gruppe beschäftigen, mehr als fraglich.

Jess Smee ist Journalistin und Redakteurin der SGI News und des BTI-Blogs der Bertelsmann Stiftung.

Übersetzt aus dem Englischen von Karola Klatt.