Der österreichische Journalist und ausgewiesene Ungarn-Experte Paul Lendvai nennt Viktor Orbán Europas "neuen starken Mann" – und das mit durchaus kritischem Unterton. Der ungarische Ministerpräsident steht für eine Abkehr seines Landes von Grundwerten der liberalen Demokratie: dem Pluralismus der Medienlandschaft, der Trennung von Regierung und Justiz, dem Respekt vor der Vielfalt der Zivilgesellschaft.
In mancher – wenngleich auch nicht jeder – Hinsicht ähnelt Ungarns Entwicklung derjenigen Polens unter der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Unter Orbáns Partei Fidesz hat sich Ungarn an den äußersten Rand dessen begeben, was innerhalb der Europäischen Union noch als demokratisch gilt – demokratisch im Sinne der 1993 beschlossenen "Kopenhagener Kriterien", den Voraussetzungen, die Länder erfüllen müssen, um Mitglieder der Europäischen Union zu werden wie stabile demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, Wahrung der Menschenrechte und Minderheitenschutz.
Die jüngste Analyse der Sustainable Governance Indicators (SGI) der Bertelsmann Stiftung belegt, dass Ungarns Demokratiequalität seit Jahren sinkt. Aktuell rangiert das Land im Vergleich aller Staaten der Europäischen Union und OECD auf Platz 40 von 41.
Das liegt insbesondere daran, dass die Pluralität der Medienlandschaft immer mehr abnimmt; die Wahlprozesse so angelegt sind, dass die Opposition geschwächt wird; und unabhängige Nichtregierungsorganisationen schikaniert und Minderheiten diskriminiert werden. Wie es der SGI zusammenfasst: Die Orbán-Regierung "höhlt weiterhin die Demokratie aus".