60 Prozent der Nutzer von Bewertungsportalen haben sich aufgrund dort gefundener Informationen schon einmal für einen bestimmten Arzt entschieden, 43 Prozent schon einmal dagegen. Das geht aus einer repräsentativen Befragung1 im Auftrag des Projekts „Weisse Liste“ der Bertelsmann Stiftung hervor. Weiteres Ergebnis: Je jünger die Patienten sind, umso stärker ist der Einfluss der Arztbewertungen. So gaben 70 Prozent der unter 40-jährigen Portalnutzer an, dass die Online-Bewertung ausschlaggebend bei der Entscheidung für einen Arzt war.
Patientenerfahrungen bedeutend für die Arztwahl
Welche Rolle spielen Patientenerfahrungen, wenn über die Qualität niedergelassener Ärzte berichtet wird? Die Weisse Liste hat mit Prof. Martin Emmert, Universität Erlangen-Nürnberg, den Markt der Arztbewertungsportale analysiert und die Bevölkerung zu ihrer Einschätzung befragt. Unser Befund: Arztbewertungen wirken und haben Aussagekraft.
Öffentliche Berichterstattung mit Wirkung auf Qualität
„Die Veröffentlichung von Qualitätsdaten kommt nicht nur bei den Patienten an. Sie beeinflusst auch die Entscheidung und kann indirekt zu einer Verbesserung der Versorgungsqualität beitragen“, sagt Martin Emmert. Im Idealfall unterstütze öffentliche Qualitätsberichterstattung Wahlentscheidungen von Patienten und erzeuge einen fairen Qualitätswettbewerb der Gesundheitsanbieter. „Noch werden diese Effekte aber nicht als Chance für den ambulanten Sektor erkannt, noch mangelt es in Deutschland an Transparenz in diesem Bereich“, so Emmert.
Die Analyse zeigt: Zwar gibt es in Deutschland rund 30 Arztbewertungsportale mit Erfahrungen von Patienten, daneben aber – anders als etwa im stationären Bereich – kaum verlässliche und verständliche Informationen über Ärzte, die über Rahmendaten wie Facharztbezeichnung und Sprechzeiten hinausgehen.
Patientenerfahrungen sind zentrales Qualitätskriterium
„Die Transparenz im ambulanten Sektor sollte im Sinne der Patienten gezielt ausgebaut werden“, so Roland Rischer, Geschäftsführer der Weissen Liste gemeinnützige GmbH. Patientenerfahrungen seinen dabei auch künftig zentral: „Sie decken einen Großteil des Informationsinteresses der Patienten ab und sind deutlich mehr als ‚weiche Wohlfühlindikatoren‘“. Sowohl die internationale Literatur als auch eine erste Pilotstudie für den deutschen Raum würden darauf hinweisen, dass Arztbewertungen in der Lage sind, Qualitätsaspekte verlässlich abzubilden – dass Online-Bewertungen mit klinischen Qualitätsdaten korrelieren. „Unstrittig scheint: Aspekte der Kommunikation, die Einbindung bei Entscheidungen, aber auch die Prozess- und Strukturqualität lassen sich durch Patientenerfahrungen gut und sicher erheben“, so Rischer.
Diskurs um den richtigen Ansatz für Qualitätsberichterstattung nötig
Eine weitere Ableitung der Analyse: Im deutschen Gesundheitssystem fehlt es bislang an einer systematischen Auseinandersetzung mit der Frage, wie eine Qualitätsberichterstattung gestaltet sein sollte, damit sie sowohl für Patienten als auch für die Versorgungsqualität insgesamt von Nutzen ist. Etwa im Bereich der Krankenhäuser oder der stationären Pflegeeinrichtungen ist dies seit vielen Jahren Thema. Die Entwicklung der Qualitätsberichterstattung im ambulanten Bereich wird weitgehend dem freien Markt überlassen.
„Auch für die Patienten spielt die Frage nach dem richtigen Ansatz durchaus eine Rolle“, sagt Roland Rischer. „Unsere Befragung hat gezeigt: Patienten wünschen sich nicht allein mehr Informationen über Ärzte. Portale für die Arztsuche sollen zudem gleichermaßen hilfreich wie vertrauenswürdig sein.“
1 Online-Befragung im März 2016, erste Veröffentlichung im Kontext der aktuellen Analyse