Pressemitteilung, , Stuttgart/Gütersloh: Nach Volksentscheid: Für drei Viertel der Bürger ist der Streit um Stuttgart 21 nicht beendet

72 Prozent der Bürger in Baden-Württemberg glaubten nicht, dass der Streit um Stuttgart 21 durch den Volksentscheid beendet wird. Selbst nach dem klaren Ausgang des Volksentscheides hat sich die Meinung in der Bevölkerung nur geringfügig verändert (minus 8 Prozent). Nur 27 Prozent der Bürger - statt vorher 16 Prozent - erwarten, dass der Streit nun beendet sei. Dies ist das Ergebnis einer vergleichenden repräsentativen Meinungserhebung im Auftrag der Bertelsmann Stiftung vor und nach dem Volksentscheid Ende November.

"Die Bürger glauben nicht an eine Befriedung des Konfliktes. Dieser Volksentscheid ist daher kein Beispiel gelungener Bürgerbeteiligung", resümiert Frank Frick, Programmdirektor der Bertelsmann Stiftung, das Ergebnis der Befragung. "Wenn die Bürger nicht frühzeitig bei der Entwicklung möglicher Lösungen einbezogen werden, gibt es keine sachliche Abwägung der Argumente, und die Chance zur Konsensbildung wird vertan."

Immerhin verbesserte sich nach der Volksabstimmung um Stuttgart 21 die Akzeptanz für das Bahnprojekt. So erklärten 88 Prozent der befragten Baden-Württemberger, dass Stuttgart 21 nach dem Ergebnis des Volksentscheides nun gebaut werden soll, auch wenn es zu weiteren Protesten kommen sollte. Diese Ansicht wird zu 72 Prozent selbst von denjenigen geteilt, die gegen die Finanzierung durch das Land gestimmt haben.

Leicht zugenommen hat durch den Volksentscheid auch die Zustimmung zur repräsentativen Demokratie. Vor der Volksbefragung präferierten die Befragten noch mit 53 Prozent die direkte Demokratie. Anschließend ging dieser Wert um 2 Prozent zurück. Nach dem Volksentscheid stieg die Zustimmung zur repräsentativen Demokratie leicht von 45 Prozent auf 47 Prozent. Dabei zeigte sich bereits vor der Abstimmung, dass die Gegner von Stuttgart 21 eher die direkte Demokratie präferieren und die Befürworter eher eine repräsentative. Dieser Unterschied bleibt weitgehend auch nach der Abstimmung erhalten. Bei den Befürwortern nahm die Präferenz für die direkte Demokratie nochmals leicht zu.

Gleichzeitig wuchs aber auch die Zahl derjenigen, die Volksabstimmungen als gutes Mittel dafür sehen, politische Entscheidungen zu treffen. Vor dem Entscheid sahen 56 Prozent darin ein geeignetes Instrument, und 15 Prozent lehnten es ab. Nach dem Entscheid begrüßten 61 Prozent die Methode, der Anteil der Ablehnenden ging auf 11 Prozent zurück.

Hinsichtlich der Bewertung des gesamten Entscheidungsverfahrens zu Stuttgart 21 von Offenheit und Nachvollziehbarkeit haben sich die Einstellungen deutlich zugunsten des Entscheidungsverfahrens verschoben. So beurteilten vor der Abstimmung lediglich 16 Prozent der Befragten das Verfahren als nachvollziehbar oder zumindest eher offen. Nach dem Volksentscheid waren es immerhin 29 Prozent der Befragten. Nicht nachvollziehbar und offen empfanden das Verfahren vor dem Entscheid 43 Prozent der Befragten, danach waren nur noch 23 Prozent dieser Meinung.

Die Studie wurde vom Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap zwischen dem 28. November und dem 5. Dezember unter 1.000 repräsentativ ausgewählten wahlberechtigten Einwohnern ab 18 Jahren in Baden-Württemberg durchgeführt, die sich auch an einer Meinungsumfrage vor dem Volksentscheid beteiligt hatten. Auftraggeber waren die Bertelsmann Stiftung und die Universität Stuttgart (Prof. Dr. Oscar Gabriel, Institut für Sozialwissenschaften - Lehrstuhl für Politische Systeme und Politische Soziologie).