Eine Analyse von Mindest-Schulabschlüssen in Online-Stellenanzeigen für Ausbildungsplätze
- Format Type
- Date of publication
- 08/08/2024
- DOI
- 10.11586/2024104
- Edition
- 1. edition
- Volume/Format
- 42 pages, PDF
Format
-
PDF
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Description
Der Ausbildungsmarkt steht vor einem Nachwuchsproblem: Seit Jahren steigt die Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze an. Gleichzeitig geht die Zahl der unversorgten Bewerber:innen nicht signifikant zurück. Obwohl es für Ausbildungsbetriebe zunehmend schwieriger wird, ihre Ausbildungsplätze zu besetzen, hat sich die Situation auf Beweber:innenseite also nicht entspannt. Angesichts dieser widersprüchlichen Entwicklungen stellt sich die Frage: Warum gleichen sich Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungsmarkt nicht besser aus?
Die Studie „Big Data Einblicke in den Ausbildungsmarkt“ geht dieser Frage anhand einer neuen Forschungsmethode nach: der Analyse von Online-Stellenausschreibungen für Ausbildungsplätze. Online-Stellenausschreibungen enthalten neben Details zur ausgeschriebenen Ausbildungsstelle und zum Ausbildungsbetrieb auch umfassende Informationen zum gesuchten Bewerber:innenprofil von Auszubildenden. Daraus lassen sich Rückschlüsse ziehen, die über traditionelle Statistiken zum Ausbildungsmarkt hinausgehen.
In dieser explorativen Studie werden die in Online-Stellenausschreibungen genannten Schulabschlüsse untersucht. Welches Ausbildungsangebot lässt sich online für Bewerber:innen mit niedriger, mittlerer und höherer Schulbildung vorfinden? Welche regionalen Unterschiede zeigen sich dabei, und gibt es Unterschiede in der Ausschreibepraxis von kleineren und mittleren Betrieben sowie Großunternehmen?
Als Datengrundlage dienen über 2,4 Millionen Online-Stellenausschreibungen für Ausbildungsplätze der Bewerbungsjahre 2018/19 bis 2022/23 des Jobmonitors der Bertelsmann Stiftung. Die Analysen zeigen, dass vor allem Stellenausschreibungen ohne eine explizite Nennung des geforderten Schulabschlussniveaus in den letzten Jahren zugenommen haben. Dieser Befund kann darauf hindeuten, dass die individuelle Kompetenzen der Bewerber:innen wichtiger werden im Vergleich zu formalen Bildungsqualifikationen. Hierfür sprechen die Ergebnisse der aktuellen Jugend- & Betriebsbefragung, die die Bertelsmann Stiftung in Kooperation mit dem Institut der deutschen Wirtschaft durchgeführt hat. In der Befragung haben drei Viertel der Unternehmensvertreter:innen von Ausbildungsbetrieben angegeben, dass die individuellen Kompetenzen gegenüber formalen Abschlüssen an Bedeutung gewinnen.
Möglicherweise halten Ausbildungsbetriebe die Angabe des (Mindest-)Schulabschlusses auch offen, um in Zeiten des Nachwuchsmangels möglichst viele ausbildungsinteressierte junge Menschen anzusprechen. Doch dies kann auch negative Folgen haben: Schulabgänger:innen mit Hauptschulabschluss fühlen sich ohne die explizite Nennung des gesuchten Schulabschlusses möglicherweise nicht von einer Stellenanzeige angesprochen. Sie können sich nicht sicher sein, ob der eigene Schulabschluss den Anforderungen entspricht.
Die Studie „Big Data Einblicke in den Ausbildungsmarkt“ zeigt zudem, dass die in den Online-Stellenanzeigen genannten Anforderungen an das Schulabschlussniveau im Zusammenhang mit den regionalen Dynamiken auf dem Ausbildungsmarkt stehen, abgebildet durch die erweitere Angebots-Nachfrage-Relation (eANR) der Bundesländer: Dort, wo es für Betriebe besonders schwierig ist Ausbildungsplätze zu besetzten, werden Schulabgänger:innen mit Hauptschulabschluss häufiger direkt angesprochen. In Bundesländern, in denen Ausbildungsbetriebe aus einer vergleichbar größeren Anzahl von Bewerbungen auswählen können, ist der Anteil an Online-Stellenausschreibungen mit expliziter Ansprache von Hauptschüler:innen geringer.
Angesichts des wachsenden Nachwuchsproblems auf dem Ausbildungsmarkt ist dies ein alarmierendes Ergebnis. Für junge Menschen mit niedriger Schulbildung impliziert es, dass sie zurückgelassen werden, sobald es ausreichend Bewerber:innen in einer Region gibt. Wichtig ist, auch ihnen eine verlässliche Perspektive auf einen Berufsabschluss zu geben. Nur so kann der wachsende Fachkräftedarf auf dem Arbeitsmarkt langfristig gedeckt werden.