Theresa May wollte mit vorgezogenen Neuwahlen ihre Tories zum Wahltriumph führen – und bescherte sich und den Konservativen ein Desaster. Mit 318 Sitzen fehlen der Noch-Premierministerin jetzt neun Sitze für eine absolute Mehrheit, sie büßte 12 Wahlkreise ein. Verflogen ihr Traum von hundert Sitzen Vorsprung. Zurücktreten wollte die Verliererin am Freitagmorgen trotzdem nicht. Stattdessen strebt sie nun eine Minderheitsregierung unterstützt durch die zehn Abgeordneten der nordirischen Democratic Unionist Party (DUP) an.
Strahlender Gewinner der Wahl ist Labour-Chef Jeremy Corbyn: Seine Partei gewann 29 Abgeordnete hinzu, ist mit 261 Sitzen in Westminster zweitstärkste Kraft und bleibt mit einem landesweiten Wähleranteil von 40 Prozent nur knapp hinter dem Labour-Traumwert eines Tony Blair. Dieser schaffte 2001 bei seinem Erdrutschsieg 41 Prozent.
Im britischen Wahlsystem freilich zählen solche Prozentzahlen nichts. Denn sonst könnte May durchaus stolz darauf verweisen, dass die Tories mit rund 42 Prozent der Stimmen fünf Prozentpunkte besser abschnitten als 2015. "First past the post, the winner takes it all" – nur der Erste hinter dem Pfosten siegt, der Gewinner kassiert alles – das ist in Großbritannien die harte Regel bei einer Mehrheitswahl in einem einzigen Wahlgang.
Und doch zeigen die Prozentzahlen deutlicher als die Sitze, wie zerrissen und zerstritten das angeblich Vereinigte Königreich heute ist. Zur Erinnerung: Vor einem Jahr endete das Referendum über Großbritanniens EU-Mitgliedschaft 52 zu 48 Prozent zugunsten der"Brexiteers", die "Brüssel" den Rücken kehren wollen.