Frau Stoyanova, wie sind Sie zum Singen gekommen?
Ich habe schon als Kind gesungen, meine Großmutter hat es mir beigebracht. Angeblich habe ich, als ich drei Jahre alt war, im Hausflur gespielt und etwas aus "La Traviata" gesungen. Meine Oma hat meine Cousine und mich oft zu Opern- und Ballettaufführungen mitgenommen. Laut ihrer Erzählungen saß ich wohl immer ganz vorne auf meinem Sitz und habe mit großem Staunen all die Musiker im Orchestergraben und auf der Bühne beobachtet.
Im Herbst beginnen Sie Ihre Arbeit an der Wiener Staatsoper. Sie nehmen regelmäßig an Meisterkursen und Wettbewerben teil, sind sehr diszipliniert. Das ist alles harte Arbeit, was hat Sie bewegt diesen Weg einzuschlagen?
Ich habe diesen Weg nicht von vornherein angeschlagen. Zuerst habe ich mich für ein Studium in Psychologie und Musik in Glasgow entschieden. Das war der einzige Ort, wo ich beide Fächer kombinieren konnte. Nach einem Monat wollte ich allerdings das Fach Musik wechseln, weil es mir zu theoretisch war und ich gerne mehr singen wollte. Also habe ich beim Royal Conservatoire of Scotland (damals die Royal Scottish Academy of Music and Drama) vorbeigeschaut; ich hatte keine Ahnung, dass ich dort an einem der heutigen weltbesten Konservatorien war. Damals wollte ich mich auf Psychologie konzentrieren und lediglich nebenbei ein bisschen singen. Nach einem kurzen Vorsingen bekam ich das Angebot, zu diesem Konservatorium zu wechseln. Nach langen Überlegungen nahm ich dieses Angebot an, der Rest ist Geschichte.
Die Frage, die ich mir damals nämlich stellte, war: Möchte ich Menschen in privaten Gesprächen dazu verhelfen, sich besser zu fühlen, oder will ich ihnen ihre Sorgen lieber durch die Musik nehmen? Die Antwort darauf viel mir leicht. Danach wurde die Wiener Staatsoper für mich zu einem ein Zukunftstraum. Ich hätte niemals gedacht, dass ich irgendwann die Ehre haben werde, ein Teil des Ensembles zu sein und in diesem atemberaubenden Opernhaus singen zu dürfen.