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Analyse von Online-Stellenanzeigen zeigt: Große Jobchancen mit Teilqualifikationen

Eine abgeschlossene Berufsausbildung ist der Königsweg in den deutschen Arbeitsmarkt, aber auch Arbeitskräften mit Teilqualifikationen (TQs) stehen viele Türen offen. Das zeigt eine Auswertung von 860.000 Online-Stellenanzeigen der Bau- und der Gastronomie-Branche im Auftrag unserer Stiftung. In mehr als zwei Dritteln der Job-Anzeigen für Fachkräfte sind zwar mehrere Teilqualifikationen, aber kein volles Berufsprofil gefragt. Bei Hilfskräften erwarten Betriebe hingegen mehr Kompetenzen als der Begriff "ungelernt" vermuten lässt.  

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Dr. Martin Noack
Senior Expert Betriebliche Bildung und Weiterbildung

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Bei der Suche nach Küchen-Fachkräften fragen Arbeitgeber:innen in drei Viertel der Fälle (74,9 Prozent) nicht nach einer vollständigen Ausbildung, sondern geben sich im Schnitt mit knapp 5 (4,85) der sieben Teilqualifikationen zufrieden. Nur ein Viertel (25,1 Prozent) verlangt dagegen, dass die Bewerber:innen das vollständige Kompetenzprofil des Berufs beherrschen. Aber auch bei Hilfskräften in der Küche werden oft substanzielle Kompetenzen nachgefragt. Im Schnitt werden hier etwas mehr als 3 (3,1) Teilqualifikationen gesucht. Ähnliche Ergebnisse zeigen sich auch für die Baubranche. So sind es bei Fachkräften im Straßen- und Asphaltbau vier von fünf (80,3 Prozent) der Stellen, die nur ein Teilprofil erfordern. Im Schnitt sollten Bewerber:innen hier knapp 4 (3,64) von 6 Teilqualifikationen mitbringen. Bei den Hilfskräften im Tiefbau ist es immer noch im Schnitt mindestens eine. Die Zahlen hat das Institut für Psychologie der Humboldt-Universität zu Berlin im Auftrag unserer Stiftung erhoben. 

Die Studie zeigt, dass auf dem Arbeitsmarkt die traditionelle Zweiteilung in ausgelernte Fachkräfte und ungelernte Hilfskräfte keine Gültigkeit mehr hat.

Martin Noack, Experte für Weiterbildung der Bertelsmann Stiftung

Die Arbeitsteilung in der Wirtschaft und die Spezialisierung der Betriebe hätten dazu geführt, dass immer häufiger Kompetenzprofile zwischen ,voll ausgebildet‘ und ,ungelernt‘ gefragt seien. "Wir brauchen daher einen flexiblen Weg, damit Menschen ihre on-the-job erworbenen Kompetenzen nachweisen können sowie die Möglichkeit haben, genau die TQ zu erwerben, die ihre Chancen am Arbeitsmarkt verbessert."

Große Chance mit Teilqualifikationen – vor allem im Gastronomieservice

Über die fünf Berufsgruppen hinweg zeigt sich, dass Teilprofile die Nachfrage dominieren. Insgesamt werden bei den Fachkräften im Schnitt knapp zwei Drittel der Teilqualifikationen (59 Prozent) nachgefragt. Bei den Hilfskräften ist es immer noch knapp ein Viertel (24 Prozent). "Ein Berufsabschluss ist wie ein Generalschlüssel: Er öffnet die Türen zu allen Jobs in einem Berufsfeld. Aber auch mit einer Kombination von Teilqualifikationen können sich Bewerber:innen viele Türen öffnen", sagt Noack. Besonders deutlich zeigt sich dies beim Gastronomieservice. Hier reichen für Fachkräfte in 9 von 10 Stellen (92,7 Prozent) durchschnittlich 2,1 der sechs beruflichen Teilqualifikationen aus. Bei Hilfskräften werden mit 1,6 TQs im Schnitt kaum weniger verlangt. Klar an erster Stelle steht dabei die Teilqualifikation "Im Service arbeiten", während "An der Rezeption arbeiten" und "Veranstaltungen vorbereiten und im Warenlager arbeiten" kaum gefragt wurden. Für Menschen ohne Berufsabschluss sind Teilqualifikationen damit eine große Chance. Ihre Kompetenzen sind der Schlüssel für eine direkte Beschäftigung. Erhalten sie die Möglichkeit, sich Schritt für Schritt weiterzubilden, wird ein beruflicher Vollabschluss greifbar, der sie für alle Bereiche eines Berufs qualifiziert.

Corona-Lockdown traf Gastronomiebranche hart, Baubranche profitierte sogar

Weil Online-Stellenanzeigen tagesgenau analysiert werden können, ist auch ein Rückschluss darauf möglich, wie stark die Auswirkungen von  Lockdowns und späteren Lockerungen während der Corona-Krise waren. So brach die Zahl der Stellengesuche für Hilfskräfte im Gastronomieservice zu Beginn des ersten Bundesweiten Lockdowns im März 2020 um mehr als  41,5 Prozent ein und brauchte lange, sich zu erholen. Der Einbruch bei den Fachkräften fiel dagegen mit einem Rückgang um knapp ein Drittel (32,5 Prozent) etwas weniger dramatisch aus. Das Baugewerbe litt insgesamt viel weniger unter der Corona-Krise, wie sich an der Zahl der Stellenangebote ablesen lässt. Zudem stieg die Nachfrage und damit die Zahl der Online-Stellenangebote schon deutlich vor dem Ende des Lockdowns kräftig über das Vor-Coronaniveau an. Für den Arbeitsmarkt und für die Akteur:innen im Bereich der Weiterbildung eröffnet diese tagesgetreue Auswertung viele Möglichkeiten, sagt Noack: 

Die Analyse von Online-Stellen hat das Potenzial, das Arbeitsmarktgeschehen künftig besser zu modellieren und adäquater auf Veränderungen reagieren zu können als bisher.

Martin Noack, Experte für Weiterbildung der Bertelsmann Stiftung

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