Schon in der ersten Amtszeit von Donald Trump waren Importzölle ein intensiv genutztes wirtschaftspolitisches Instrument. Im Wahlkampf hat er erneut die Einführung von höheren Zöllen auf ausländische Produkte angekündigt.
Wirtschaftliche Konsequenzen der US-Wahl für Deutschland und Europa
Die Wahl des 47. US-Präsidenten im November 2024 wird die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen spätestens ab dem nächsten Jahr spürbar verändern. Die angekündigte Wirtschaftspolitik im Rahmen seiner „America first“-Strategie stellt gerade für exportorientierte Volkswirtschaften wie Deutschland eine erhebliche Herausforderung dar. Zwei Maßnahmen sind dabei besonders relevant: höhere Zölle auf ausländische Produkte und Steuersenkungen für Unternehmen. Beides dürfte das Wirtschaftswachstum der USA zunächst stärken, mittel- und langfristig können jedoch wachstumsdämpfende Effekte überwiegen. Für Deutschland und Europa ist bereits kurzfristig mit negativen wirtschaftlichen Konsequenzen zu rechnen.
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Kurzfristige Folgen von US-Importzöllen für die USA
Ziel von Importzöllen ist es, die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der US-Firmen zu steigern und damit Produktion, Beschäftigung und Einkommen in den USA zu erhöhen. Wenn die Konsument:innen in den USA die teurer gewordenen ausländischen Produkte durch heimische ersetzen, geht diese Strategie auf.
Zölle sind jedoch mit negativen Begleiterscheinungen verbunden. Sie verteuern nicht nur ausländische Produkte, sondern sorgen für einen generellen Preisanstieg. Grund dafür ist, dass nun US-Produkte erworben werden, die vor der Zollerhöhung preislich nicht attraktiv genug waren. Die US-Verbraucher:innen müssen also höhere Preise zahlen und erleiden einen Kaufkraftverlust ihrer verfügbaren Einkommen.
Diese Verluste könnten durch einen Anstieg der Nominallöhne kompensiert werden. Voraussetzung dafür ist eine höhere Nachfrage nach Arbeitskräften in den USA. Dafür gibt es – neben der Produktionssteigerung der bereits in den USA ansässigen Unternehmen – eine zweite Ursache: Wenn deutsche oder andere ausländische Unternehmen wegen der höheren Zölle Umsatzeinbußen in den USA befürchten, könnten sie eine Ausweichstrategie wählen.
Sie besteht aus der Errichtung von Produktionsanlagen in den USA – deutsche Unternehmen investieren also in Produktionskapazitäten vor Ort, um die höheren US-Importzölle zu vermeiden. Damit würden in den USA zusätzliche Arbeitsplätze entstehen. Bei hinreichend starken Nominallohnsteigerungen können die Reallöhne sogar steigen, was den US-Konsum ankurbelt. Das führt zu weiteren Produktions- und Einkommenszuwächsen in der US-Wirtschaft.
Kurzfristige Folgen von US-Steuersenkungen für die USA
Die anvisierte Senkung von Unternehmenssteuern macht Investitionen in den USA für ausländische Investoren zusätzlich attraktiv. Die USA können daher mit einem weiteren Kapitalzufluss aus dem Ausland in Form von Direktinvestitionen rechnen.
Diese Investitionen, also entweder der Kauf bestehender Produktionsanlagen oder der Bau neuer Fabriken, müssen letztendlich in der US-Währung bezahlt werden. Die daraus resultierende steigende Nachfrage nach Dollar bewirkt eine Dollar-Aufwertung. Sie dürfte die preisliche Wettbewerbsfähigkeit amerikanischer Unternehmen schwächen, weil deren Produkte im Rest der Welt teurer werden.
Die ohnehin schon hohe Staatsverschuldung der USA dürfte wegen der Steuerkürzungen weiter steigen, auch wenn die eigene Wirtschaft wächst, Importzölle höhere Einnahmen generieren und möglicherweise einige staatliche Ausgaben reduziert werden. Folge einer zunehmenden staatlichen Kreditaufnahme sind steigende Zinsen für US-Anleihen – und damit kommt es zu einem generellen Zinsanstieg in den USA.
Höhere Zinsen in den USA dürften zudem eine steigende Nachfrage nach US-Staatsanleihen bewirken, auch von Investoren außerhalb der USA. Da diese Anleihen wiederum in Dollar bezahlt werden müssen, steigt die Nachfrage nach US-Dollar weiter. Der Dollar wertet also nochmals auf.
Steuererleichterungen steigern auch die Investitionen der US-Unternehmen im eigenen Land. Wenn mehr Produktionsanlagen gebaut und Maschinen benötigt werden, kurbelt das die Investitionsgüterproduktion in den USA an. Zudem ist mit einem Anstieg der Beschäftigung zu rechnen, was mit weiteren Nominallohnsteigerungen verbunden ist. Das erhöht die Konsumgüternachfrage in den USA, an die sich die Unternehmen mit einer höheren Produktion anpassen.
Schließlich erhöhen Investitionen häufig die Produktivität, weil sie oftmals mit moderneren Technologien verknüpft sind. Das stärkt die internationale Wettbewerbsfähigkeit der US-Wirtschaft.
Kurzfristig, d.h. in den ersten Jahren, dürften Importzölle und Steuersenkungen also positive Effekte für die US-Wirtschaft entfalten. Allerdings treten mit zunehmender Dauer Wechsel- und Nebenwirkungen auf, die sich negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung der USA auswirken.
Wachstumsdämpfende Effekte der angekündigten US-Wirtschaftspolitik für die USA
Eine steigende Nachfrage nach Investitions- und Konsumgütern hat einen inflationserhöhenden Effekt. Kurzfristig kann dieser über zwei Wege in Grenzen gehalten werden. Zum einen können die US-Unternehmen ihre Produktion steigern und durch ein höheres Güterangebot den Inflationsdruck dämpfen. Zum anderen hat die erwähnte Aufwertung des US-Dollars zur Folge, dass importierte Produkte aus dem Ausland für die amerikanischen Nachfrager:innen billiger werden, was den durch Importzölle ausgelösten Inflationsdruck dämpfen kann.
Eine dauerhaft steigende Nachfrage nach Investitions- und Konsumgütern in den USA dürfte jedoch früher oder später auf gesamtwirtschaftliche Produktionskapazitäten, die diese Nachfrage nicht mehr schnell genug bedienen können. Dann kommt es zu einem Nachfrageüberhang. Ist der hinreichend groß, lässt er die Preise und damit die US-Inflationsrate steigen.
Die daraus resultierenden Kaufkraftverluste bewirken einen Rückgang der Reallöhne in den USA. Sollten Reallohneinbußen durch entsprechend hohe Nominallohnsteigerungen ausgeglichen werden, erhöht das die Produktionskosten der US-Unternehmen. Zur Sicherung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit der US-Unternehmen werden höhere Importzölle erforderlich – und die beschleunigen den Preisniveauanstieg in den USA.
Die US-Notenbank müsste dann zur Inflationsbekämpfung die Zinsen erhöhen. Hinzu kommen Zinssteigerungen, die sich ergeben, wenn die US-Staatsverschuldung wächst. Die höheren Zinsen wirken sich normalerweise negativ auf die Investitionstätigkeiten der Unternehmen aus.
So kann der Wirtschaftsboom in den USA zu einem Ende kommen: Hohe Inflationsraten verschlechtern die internationale Wettbewerbsfähigkeit der US-Unternehmen und steigende Zinsen reduzieren die Nachfrage nach Investitionsgütern. Folglich nehmen Produktion, Beschäftigung und Einkommen in den USA ab.
Dass Importzölle sich mittel- und langfristig negativ auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung auswirken, zeigen die bisherigen Erfahrungen der USA mit protektionistischen Maßnahmen. Einige ausgewählte Beispiele dazu sind Abbildung 1 zu entnehmen.
Folgen der US-Wirtschaftspolitik für Deutschland und Europa
Höhere US-Zölle werden möglicherweise nicht sofort auf alle importierten Produkte erhoben. Allerdings dürften chinesische und europäische Güter zuerst von der angekündigten Zollpolitik betroffen sein.
Für China bedeutet das eine Verschlechterung der Exportmöglichkeiten in die USA. China muss sich folglich andere Absatzmärkte suchen. Der eigene Markt wird angesichts der schwächelnden chinesischen Wirtschaft kaum in der Lage sein, alle Produkte abzunehmen. China wird also höchstwahrscheinlich versuchen, die mit den bestehenden Produktionsüberkapazitäten hergestellten Güter verstärkt in Europa zu verkaufen, ggf. auch mit Unterstützung staatlicher Subventionen.
Europäische Unternehmen geraten somit mehrfach unter Druck. Erstens leiden sie unter sinkenden Absatzchancen in den USA. Das betrifft die exportorientierte deutsche Wirtschaft besonders hart. Zweitens steigt der Importdruck aus China, was die europäischen Anbieter zusätzlich belastet. Und drittens dürfte es für europäische Unternehmen schwieriger werden, ihre Produkte in China zu verkaufen.
Für die Weltwirtschaft als Ganzes droht daher ein Protektionismus-Wettlauf. China dürfte umgehend auf amerikanische Importzölle reagieren und seinerseits US-Produkte mit Zöllen belegen – so, wie bereits in der ersten Amtszeit von Trump. Aber auch die EU wird US-Zölle auf eigene Produkte nicht unbeantwortet lassen.
Ein weiterer wachstumsdämpfender Effekt ergibt sich aus dem Kapitalabzug aus Europa. Wenn Kapital wegen der höheren Attraktivität von Investitionen in den USA aus Europa abgezogen wird, lassen die Investitionen in Europa nach. Das schwächt das langfristige Wirtschaftswachstum (siehe Abb. 2).
Schließlich ist noch die Abwertung des Euros zu berücksichtigen, die das Spiegelbild einer Dollar-Aufwertung ist. Eine schwächere eigene Währung hat Vor- und Nachteile.
- Ein schwächerer Euro verteuert importierte Produkte. Die Preise von importierten Rohstoffen – allen voran fossile Energieträger wie Erdöl und Gas –, Einzelteilen und Endprodukten steigen. Damit erhöhen sich die Inflationsraten in Europa, was wiederum die die Exportchancen europäischer Unternehmen verschlechtert. Zudem kommt es zu Kaufkraftverlusten, die die Konsumgüternachfrage schwächen.
- Vorteil eines schwächeren Euros ist eine Verbesserung der Exportchancen der europäischen Unternehmen. Allerdings: Wenn die USA einen Marktzutritt mit Importzöllen erschweren und auch andere Länder protektionistische Maßnahmen ergreifen, bleibt dieser Vorteil weitgehend wirkungslos.
Was können Deutschland und die EU tun?
Für den Rest der Welt stellt die zu erwartende Wirtschaftspolitik der neuen US-Regierung eine erhebliche Belastung dar. Um der drohenden Schwächung der eigenen Wirtschaft entgegenzuwirken, bieten sich für Deutschland und die EU u.a. diese beiden Handlungsfelder an:
Erstens eine Intensivierung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit anderen Volkswirtschaften, z. B. durch Freihandelsabkommen mit Ländern der Indo-Pazifik-Region, Indien und den EU-Nachbarschaftsstaaten. Das eröffnet den exportierenden Unternehmen der EU verbesserte Absatzchancen. Davon profitieren auch die europäischen Zuliefererfirmen.
Zweitens eine Stärkung der Binnennachfrage. Mit Blick auf die ökologische Transformation, die erforderlich ist, damit Deutschland bis 2045 und die EU bis 2050 klimaneutral wird, sind in den nächsten zwei Jahrzehnten hohe private und öffentliche Investitionen erforderlich. Eine sinkende Exportgüternachfrage ist so gesehen sogar eine Voraussetzung für eine deutliche Erhöhung der klimaschützenden Investitionen in Deutschland und Europa. Derartige Investitionen sind primär eine Aufgabe der privaten Unternehmen. Aber der Staat müsste – jenseits der erforderlichen eigenen öffentlichen Investitionen – auch die Unternehmen und privaten Haushalte mit Steuererleichterungen und Finanzhilfen unterstützen. In Deutschland dürfte das ohne eine Reform der Schuldenbremse kaum möglich sein (Deutsche Schuldenbremse auf dem Prüfstand).
Egal, für welche Maßnahmen sich die deutsche und europäische Politik entscheidet – ohne eine rasche und beherzte Antwort auf die zu erwartende US-Wirtschaftspolitik drohen in Deutschland und Europa Produktions-, Beschäftigungs- und Einkommenseinbußen. Die Folge wären soziale Spannungen, die den ohne schon angespannten gesellschaftlichen Zusammenhang weiter schwächen würden.