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Frontiers und Laggards: Die Produktivitätsentwicklung deutscher Unternehmen

Vor etwa zwei Jahren erregte die OECD mit ihren Studien zur Produktivitätsentwicklung der Unternehmen große Aufmerksamkeit unter Fachexperten. Ein Kernergebnis der Studien: Während die global gesehen fünf Prozent der produktivsten Unternehmen einer Branche (die sog. Frontiers) nach wie vor robuste Produktivitätszuwächse verzeichnen, stagniert der große Rest in den jeweiligen Branchen (die sog. Laggards).

Wie sieht das Bild in Deutschland aus? Das haben wir in unserer Studie für die Jahre 2003-2014 untersucht. Ein Kernergebnis: Auch in Deutschland gibt es eine deutliche Produktivitätslücke zwischen den Unternehmen. In der Industrie sind die Frontiers im Durchschnitt 2,5-mal produktiver als die übrigen Unternehmen, in den Dienstleistungen sogar 5-7-mal. Allerdings können wir im Gegensatz zu den OECD-Studien kein weiteres Auseinanderdriften der Unterschiede feststellen. In der Industrie entwickeln sich Frontiers und Laggards in etwa gleich, in den Dienstleistungen holen die Laggards sogar leicht auf.

Diese Entwicklung offenbart aber auch eine Schwäche der deutschen Wirtschaft. Die Produktivitätsunterschiede sind sehr verfestigt, es gibt kaum Bewegung. Warum nicht? Ein Schlüssel zur Antwort liegt in den Investitionen. Wir stellen unisono fest, dass die hochproduktiven Unternehmen stets kapitalintensiver arbeiten als die Laggards. Damit die Laggards wieder aufschließen können, müssen sie deutlich mehr investieren. Auch die Wirtschaftspolitik muss Instrumente finden, die Produktivitätslücke zumindest teilweise zu schließen. Ein wichtiger Hebel ist die Schaffung eines investitionsfreundlichen Klimas, vor allem für Investitionen in Wissenskapital.

Die Produktivitätslücke ist nicht allein ein Problem der Unternehmen. Sie kann zu einem gesamtgesellschaftlichen Problem werden, wie unsere Studie weiter zeigt. Warum? Neben den Produktivitätsunterschieden finden wir deutliche Lohnunterschiede zwischen den Frontiers und den Laggards. Diese sind im Dienstleistungssektor besonders ausgeprägt. Dort zahlen die Frontiers mehr als doppelt so gut als die Laggards - und auch besser als die Frontiers in der Industrie. Doch werden die Wenigsten bei den Frontiers arbeiten. In den Dienstleistungen beschäftigen sie von allen Gruppen am wenigsten Mitarbeiter. Das Gros wird dort auch in Zukunft bei einem der Laggards beschäftigt sein – und hier wiederum sind die Löhne von allen Gruppen am geringsten. Wenn nun insgesamt die Bedeutung des Dienstleistungssektors weiter zunimmt, kann hierin perspektivisch ein Problem liegen: Die Wenigsten werden vom Produktivitätsfortschritt an der Spitze profitieren, die Lohnunterschiede werden sich weiter verschärfen. Und das kann perspektivisch den Zusammenhalt in der Gesellschaft gefährden.