Die Zukunft der Sozialen Marktwirtschaft

Quantitatives Wachstum allein reicht nicht - Qualität ist gefragt. Wie? Durch die Orientierung an den Bedürfnissen der Menschen und an begrenzten Ressourcen.

Ansprechpartner

Wirtschaftliches Wachstum muss zukünftig stärker sozial und ökologisch verträglich sein und sich an den Bedürfnissen der Menschen sowie an den begrenzten Ressourcen ausrichten.

Diese Forderung erhoben Wissenschaftler und Politiker aus der EU und den Staaten der Schwarzmeer-Region auf dem Salzburger Trilog 2010. Auf Einladung des österreichischen Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten und der Bertelsmann Stiftung tauschten sich 30 Teilnehmer aus 15 Ländern in der Mozartstadt über die Zukunft der Sozialen Marktwirtschaft nach der Krise aus. Unter ihnen die Außenminister Aserbaidschans, Bulgariens, Griechenlands, Georgiens und der Ukraine sowie Vertreter von Unternehmen und international tätigen NGOs. Wachstum neu auszurichten, erfordert belastbare Rahmenbedingungen, um die Lebensqualität der Menschen langfristig zu verbessern, so eine der zentralen Botschaften der Tagung.

Ungeeignete Regulierungsstrukturen fördern Krisen...

Vor dem Hintergrund der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise entwarfen die Teilnehmer des Salzburger Triloges 2010 eine Perspektive für die weitere Gestaltung der Marktwirtschaft. Sie stimmten mit Pascal Lamy, Generaldirektor der Welthandelsorganisation, überein, dass die jüngsten Krisen vor allem durch ein Überschreiten von Grenzen und ungeeignete Regulierungsstrukturen entstanden sind. Private und öffentliche Verschuldensgrenzen nicht zu beachten, sei ethisch bedenklich wie die ungehemmte Ausbeutung natürlicher Ressourcen. Dies weise auf ein grundsätzliches Systemversagen hin. Regulierung, die an nationalstaatliche Interessen gebunden ist, sei dabei überfordert, ein globales Gemeinwohl herzustellen. Die Zukunft der Marktwirtschaft hänge davon ab, Grenzen zu wahren, Teilhabe zu ermöglichen und Lebensqualität für alle Menschen zu sichern. Daran zeige sich, ob die richtigen Lehren aus den jüngsten Krisen gezogen werden, so Pascal Lamy.

Einen stärkeren Dialog mit den Menschen mahnte Liz Mohn an, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stiftung. "Ich habe den Eindruck, dass Politik und Wirtschaft, bei all dem globalen Aufbruchswillen der vergangenen Jahre, zu wenig den Dialog mit den Menschen gesucht haben. Zu selten wird gefragt: Was braucht der Mensch? Wenn wir das Vertrauen der Menschen zurückgewinnen wollen, müssen wir sie einbeziehen", so Liz Mohn.

Fehler der industrialisierten Gesellschaften nicht wiederholen

Tim Jackson, Wirtschaftsprofessor und Autor des Buches "Wohlstand ohne Wachstum", schlug vor, die Abhängigkeit der Gesellschaften von wirtschaftlichem Wachstum zu lösen. Dagegen sehen die Teilnehmer aus der Schwarzmeer-Region zunächst die Notwendigkeit, in ihren Transformationsgesellschaften den Lebensstandard anzuheben und Grundbedürfnisse zu befriedigen. Sie halten eine Abkehr vom Wirtschaftswachstum für undenkbar. Breite Zustimmung fand die Forderung, die Wachstumsstrategien in den sich entwickelnden Marktwirtschaften von hohen Energie- und Ressourcenverbräuchen zu entkoppeln und sich für mehr Teilhabe und Lebensqualität der Menschen einzusetzen. "Niemand will entwickelnde Marktwirtschaften davon abhalten, die Standards und Lebensqualität westlicher Gesellschaften zu erreichen, aber alle haben ein Interesse daran, dass sie nicht die Fehler beim Ressourcenverbrauch und der Ungleichheit früh industrialisierter Gesellschaften wiederholen", so der ehemalige österreichische Bundekanzler und Moderator Dr. Wolfgang Schüssel. Der griechische Außenminister Dimitris Droutsas präsentierte in diesem Zusammenhang das Programm "Black Sea turns Green" als umfassenden Ansatz zur Stärkung von regionaler Integration, wachsender Zusammenarbeit mit der EU und Loslösung von der Abhängigkeit fossiler Energieträger.

Victor Chu, Investor aus Hongkong und Vertreter der World Economic Forum Foundation, unterstützte den Standpunkt von Jackson: "Die Menschheit hat immer wieder unter Beweis gestellt, dass sie mit den Herausforderungen ihrer Zeit konstruktiv umgehen konnte. Wann immer Grenzen erreicht wurden, fanden sich auch Lösungen. Aber die Situation der globalisierten Welt mit einer Bevölkerung von geschätzten 9 Milliarden Menschen im Jahr 2050 ist so komplex geworden, dass ich mich sehr besorgt frage, ob die Menschheit kreativ genug ist, all diese Bedürfnisse noch zu befriedigen. Was ist, wenn die Kreativität nicht ausreicht, die erforderlichen Lösungen zu bieten?"

Der österreichische Außenminister Michael Spindelegger sprach sich dafür aus, die Entwicklung von "breiteren Wohlfahrtsmaßen" auf europäischer Ebene zu unterstützen, die sich neben wirtschaftlichem Output auch an sozialen und ökologischen Zielen orientiere. Sie seien ein wichtiges Instrument, um wirtschaftliches Wachstum an den wahren Bedürfnissen der Menschen auszurichten und Erfolge bei der Entkoppelung von Energie- und Ressourcenverbrauch nachzuweisen.