Alexis Tsipras, Griechenlands neuer Premier, hat angekündigt, die Sparpolitik zu beenden und die "Fortsetzung der Unterwerfung" nicht zu akzeptieren. Was heißt das für die Eurozone? Henrik Enderlein, Direktor des Jacques Delors Instituts – Berlin und Professor für politische Ökonomie an der Hertie School of Governance, antwortet.
Bertelsmann Stiftung: Die meisten politischen Beobachter und Markteilnehmer haben einen Wahlsieg von Alexis Tsipras und seiner linksorientierten Syriza-Partei erwartet. Hat Sie das Ergebnis in seinem Ausmaß – eine fast absolute Mehrheit – dennoch überrascht?
Henrik Enderlein: Man sollte zunächst einräumen, dass das Ausmaß auch dem griechischen Wahlsystem geschuldet ist, in dem die stärkste Fraktion einen zusätzlichen Stimmenbonus von 50 Sitzen erhält. Anders formuliert, spiegeln die 36,3 Prozent der Wählerstimmen für Syriza nicht die absolute Mehrheit der Griechen wider. Dennoch ist es ein sehr deutlicher Sieg für Tsipras und die Überraschung für viele ist, dass Syriza in keine ernsthaften Koalitionsverhandlungen treten musste, da nur zwei Stimmen zur absoluten Mehrheit fehlten. Insofern ist jetzt schon klar: Premierminister Tsipras ist der neue starke Mann und wird selbst entscheiden können, in welche Richtung er gehen will. Jetzt muss er Farbe bekennen.
Bertelsmann Stiftung: Das Wahlergebnis kann man nach den Krisenerfahrungen seit 2012 als ein Votum gegen den Austeritätskurs werten. Griechenland bleibt aber eingebunden in die Verhandlungen mit der Troika, insbesondere mit der Europäischen Kommission. Was halten Sie von der Überschrift auf SPIEGEL-ONLINE, wonach die Griechen eigentlich Angela Merkel abgewählt haben?
Enderlein: Ich halte überhaupt nichts davon, die Situation kurz nach der Wahl aufzubauschen und jetzt auf einen Showdown zwischen Tsipras und Merkel hinzusteuern. So wird es nicht kommen. Ich glaube, Tsipras wird sehr schnell merken, dass er jetzt Verantwortung für ein Land trägt. Natürlich wird er mit harten Forderungen in neue Verhandlungen gehen. Aber auch die Europäer werden zunächst unnachgiebig sein und auf Vertragserfüllung pochen. Danach muss man in Ruhe, nicht morgen oder übermorgen, sondern innerhalb der nächsten Wochen, sogar Monate sehen, welchen Spielraum es für einen möglichen Kompromiss geben kann. Beide Seiten werden Zugeständnisse machen müssen. (...)
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