Landärztin auf Hausbesuch
Thomas Kunsch

, Ärztedichte: Landärztegesetz bringt keine Fachärzte aufs Land

Auf dem Land müssen sich auch künftig mehr Patienten einen Arzt teilen als in den Städten. An dieser ungleichen und viel kritisierten Verteilung der Ärzte in Deutschland ändert auch das Landärztegesetz wenig, obwohl genau dies 2012 erklärtes Ziel des Gesetzgebers war. Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle Faktencheck Gesundheit der Bertelsmann Stiftung.

Zwar könnte sich die Versorgung mit Allgemeinmedizinern in bevölkerungsschwachen Regionen verbessern. Trotzdem erreicht das Landärztegesetz noch nicht einmal in jedem zweiten Landkreis eine bedarfsgerechte Verteilung der Arztsitze. Rückschritte drohen insbesondere bei der Verteilung der Fachärzte, die wohnortnah benötigt werden. Das 2012 in Kraft getretene Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG), kurz Landärztegesetz genannt, sollte dabei helfen, den Ärztemangel in dünn besiedelten Regionen zu bekämpfen.

„Gelungen ist das höchstens in Ansätzen. Im Wesentlichen verfehlt das Landärztegesetz sein Ziel“, sagte Dr. Stefan Etgeton, Gesundheitsexperte der Bertelsmann Stiftung. Die neue Bedarfsplanung zur Verteilung der Ärzte, die Teil des Landärztegesetzes ist, löst vor allem bei der Versorgung mit Fachärzten ihr Versprechen nicht ein: Weiterhin praktiziert etwa ein Drittel der Kinder-, Frauen- und Augenärzte in Großstädten, obwohl hier nur ein Viertel der Bevölkerung lebt.

Die kinderärztliche Versorgung droht sich zu verschlechtern.

Bei den Kinderärzten droht sich die derzeitige Schieflage sogar auszuweiten. Nach Umsetzung der neuen Bedarfspläne sinkt die Anzahl der Kreise mit angemessener Ärztedichte von aktuell 106 auf 89. Statt derzeit 14 wären künftig 38 Kreise deutlich unterdurchschnittlich mit Kinderärzten versorgt, während die Zahl der deutlich überdurchschnittlich versorgten Kreise von 15 auf 23 steigt. Nur in 25 Prozent der Kreise (aktuell: 30 Prozent) decken sich die neuen Planungen mit dem Bedarf an Kinderärzten. Bei den Frauenärzten liegt die Übereinstimmung mit nur 18 Prozent noch darunter (aktuell: 19 Prozent).

Die Planung verlangt weiterhin von den Bewohnern des Umlandes, sich in der Stadt behandeln zu lassen.
Dr. Stefan Etgeton, Gesundheitsexperte der Bertelsmann Stiftung

Alte Bundesländer schlechter gestellt

Zusätzlich verschärfen die neuen Pläne die Unterschiede zwischen den alten und neuen Bundesländern. So werden beispielsweise in Baden-Württemberg überdurchschnittlich viele Gynäkologen vorgesehen – in 17 von 44 Kreisen liegt die Ärztedichte deutlich über dem Bedarf. Der Osten Deutschlands bleibt hingegen mit Frauenärzten deutlich unterdurchschnittlich versorgt. 16 von 23 Kreisen in Thüringen sind betroffen.

Bei der Hausärzteverteilung führt die neue Planung zwar zu einer Verbesserung, dennoch bleiben mehr als die Hälfte der Landkreise unangemessen versorgt. Die Übereinstimmung von Planung und Bedarf steigt von knapp 19 auf mehr als 46 Prozent. Ein Grund für die Verbesserung ist, dass bundesweit einheitlich festgelegt wurde, wie viele Einwohner auf einen Allgemeinmediziner kommen sollen. Bei den Fachärzten hingegen wird den Städten nach wie vor ein besserer Versorgungsschlüssel eingeräumt als den ländlichen Gebieten. 

Fachärzte auf dem Land für mehr Patienten zuständig

„Die neue Planung zementiert regionale Unterschiede in der Versorgung mit Fachärzten“, sagte Etgeton. Auf einen Kinderarzt in der Stadt kommen 2.405 Kinder, während er auf dem Land für 3.859 Kinder zuständig ist. Die Bertelsmann Stiftung spricht sich deshalb dafür aus, auch bei den Planungen wohnortnah benötigter Fachärzte die Verhältniszahlen zwischen Einwohner und Arzt anzugleichen und die Planungsgebiete kleinräumiger zuzuschneiden. So lasse sich eine bedarfsgerechtere Verteilung der Ärzte erzielen.

Außerdem kritisiert der Faktencheck Gesundheit der Bertelsmann Stiftung, dass die Bedarfsplanung zu viele Faktoren ausblende, die den Versorgungsbedarf einer Region beeinflussen. Dazu zählen Alterungsentwicklung, Einkommen, Arbeitslosenquote oder Pflegebedürftigkeit. Der entscheidende Schritt sei aber auch nach der Optimierung der Planungen noch zu machen.

Die besten Pläne nützen nichts, wenn es keine Strategien für die Umsetzung gibt. Die Verbesserung etwa bei den Landärzten steht vorerst nur auf dem Papier. Wenn sie Realität werden soll, muss der Job des Landarztes für Nachwuchsmediziner attraktiver werden. Dabei geht es sowohl um finanzielle Anreize als auch um die Lebens- und Arbeitsbedingungen auf dem Land.
Dr. Stefan Etgeton, Gesundheitsexperte der Bertelsmann Stiftung

Die komplette Studie und Hintergrundinformationen finden Sie auf Faktencheck Ärztedichte.

Auf interaktiven Karten lassen sich die Planungen für Kinder-, Frauen- und Augenärzte ablesen.

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