Ein Schüler schaut sich ein Buch über Dinosaurier an
© Ulfert Engelkes

Jakob Muth-Preisträger 2014: Brüder-Grimm Schule in Ingelheim

Die Brüder-Grimm-Schule in Ingelheim ist eine Schule für alle. Schon früh machte sich die Grundschule auf den Weg zu einer inklusiven Schule. Zunächst als eine der ersten Schwerpunktschulen in Rheinland-Pfalz, dann in einem Schulversuch zum „Gemeinsamen Unterricht“ und schließlich durch die intensive Entwicklung inklusiver Strukturen. Heute wird in allen Klassen der Grundschule schulweite Inklusion gelebt.

An der Brüder-Grimm-Schule lernen 225 Schüler, davon rund 15 Prozent mit ausgewiesenem sonderpädagogischen Förderbedarf, überwiegend im Förderschwerpunkt „Lernen“. Die Schule gilt als „Schule im Brennpunkt“.

Zum Leitgedanken der Schule gehören die „Wertschätzung und Förderung aller Kinder“ und die Wahrnehmung von Unterschiedlichkeiten als Chance. Um auf diese Unterschiedlichkeiten im Unterricht individuell eingehen zu können, wurde an der Brüder-Grimm-Schule eine kompetenzorientierte Unterrichtsform entwickelt, die sich „Atelierarbeit“ nennt. Bei der Atelierarbeit gibt es ein Oberthema (z.B. Erdzeitalter oder Wetter), mit dem sich alle Schüler einer Klassenstufe beschäftigen. Sie können dabei aus verschiedenen Perspektiven an das Thema herangehen: im Sach-, Sprach-, Mathe- oder Kunstatelier. Jedes „Atelier“ besteht aus einem Karteikasten mitAuftragskarten. Auf den Auftragskarten steht beispielsweise: „Zeichne ein Diagramm“, „Schreibe eine Geschichte“ oder „Erstelle ein Plakat“. Die Kinder wählen, meist selbstständig, eine Auftragskarte aus und bearbeiten sie mit Hilfe vielfältiger Materialien, die in den Klassen- und Gruppenräumen zur Verfügung stehen. Sie arbeiten alleine, zu zweit oder in Gruppen - oft auch zusammen mit Kindern aus anderen Klassen. Um dies zu ermöglichen, wird die Atelierarbeit in allen Klassen einer Stufe immer parallel durchgeführt und alle Klassentüren stehen offen. Am Ende der Atelier-Zeit präsentieren jeweils einige Kinder ihre Ergebnisse.

Ergänzend zu der sehr aktiven und kooperativen Atelierarbeit werden an der Brüder-Grimm-Schule auch Stillarbeitsphasen sichergestellt: Ein Würfel auf dem Tisch zeigt an, ob der Schüler gut zurecht kommt und nicht gestört werden möchte, für Probleme anderer ansprechbar ist, Hilfe benötigt oder eine Rückmeldung der Lehrkraft wünscht.

Neben dem Ziel der individuellen Förderung aller Kinder im Unterricht spielt auch die Gemeinschaft eine große Rolle. Jeder Klassenraum der Brüder-Grimm-Schule ist mit einem großen runden Teppich ausgestattet. Hier trifft sich die Klasse im Sitzkreis, um Arbeitsphasen gemeinsam zu beginnen und zu beenden. Hier kommen die Kinder zu Präsentationen und Besprechungen zusammen. Eine weitere Besonderheit der Brüder-Grimm-Schule sind die jahrgangsübergreifenden „Gläsernen Tage“, an denen alle Kinder gemeinsam an verschiedensten Stationen zu einem Sachthema lernen.

Ein Drittel bis die Hälfte der Unterrichtsstunden wird von den Lehrkräften in Doppelbesetzung unterrichtet. Für Absprachen und gemeinsame Unterrichtsvorbereitungen ist eine Teamstunde im Stundenplan fest verankert.

Statt Hausaufgaben gibt es an der Brüder-Grimm-Schule das Prinzip der Lernzeit. Dies bedeutet, dass die Schüler im offenen Ganztag oder zu Hause nicht etwa neuen Lernstoff erarbeiten sollen, sondern 45 Minuten an den Inhalten weiterarbeiten und vertiefen sollen, was sie in der Schule begonnen haben. Die zeitliche Begrenzung ist dabei das entscheidende Element.

Auch wenn die Schüler der Brüder-Grimm-Schule mit ihren Leistungen bei Lernstanderhebungen im oberen Mittelfeld liegen, legt die Schule Wert auf einen differenzierten Leistungsbegriff: Er muss sich den Voraussetzungen und Umständen anpassen, die die Kinder in die Schule mitbringen. Aus diesem Grund entwickelte das Kollegium schuleigene Kompetenzraster für die Fächer Deutsch, Mathematik und Sachunterricht. Die Kompetenzraster sollen ermöglichen, individuelle Förderung zu leisten und gleichzeitig eine Überlastung der Lehrkräfte zu vermeiden. Sie sollen Leistungen und Leistungsentwicklungen für Schüler und Eltern transparent machen, zu kompetenten Rückmeldungen durch die Lehrkräfte führen und die Schüler an ihrem eigenen Lernprozess beteiligen.

Die Entwicklung der Kompetenzraster erfolgte in Anlehnung an die VERA-Stufen, die Bildungsstandards und die Rahmenpläne des Landes Rheinland-Pfalz. Sie werden auch zur Leistungsdokumentation und -bewertung verwendet. Statt gewöhnlichen Zeugnissen werden an derBrüder-Grimm-Schule „Schüler-Eltern-Lehrer-Gespräche“ (S-E-L-G) geführt, in denen die Kompetenzentwicklung und die Stärken der Kinder im Vordergrund stehen. Hier werden Ist- und SollZustand der Schülerkompetenzen festgehalten und um Zielvereinbarungen ergänzt. Die S-E-L-G ersetzen in den ersten drei Jahren die Zeugnisse.

Dem Schulleiter, Klaus Großmann, ist wichtig, dass die Brüder-Grimm-Schule eine offene, lernende und demokratische Schule ist. Wer sich länger in seinem Büro aufhält, merkt, dass die Tür immer allen offensteht. Es kommen Schülerinnen vorbei, die eine Beschwerde über einen Mitschüler haben. Eine Lehrerin wünscht ein Gespräch mit dem Schulleiter. Ein Elternpaar hat eine Frage zum Ganztag. Regelmäßig trifft sich Klaus Großmann mit dem Schülerrat, um mit den Schülerinnen und Schülern über wichtige Fragen des Schullebens zu diskutieren. So setzt die Brüder-Grimm-Schule ihr Selbstverständnis einer offenen, lernenden und demokratischen Schule auch im Alltag um: Der respektvolle Umgang miteinander steht nicht nur als Forderung an die Kinder im Raum – er wird von allen Beteiligten gelebt.

Die Schulportraits sind jeweils zum Zeitpunkt der Verleihung des Jakob Muth-Preises entstanden und bilden die Schule zu dem entsprechenden Zeitpunkt in ihrer pädagogischen und didaktischen Arbeit ab. Inzwischen können sich Änderungen ergeben haben. Wir bemühen uns, die Webadressen aktuell zu halten.

Kontakt:

Brüder-Grimm-Schule
Brüder-Grimm-Straße 27
55218 Ingelheim am Rhein
bruedergrimmschule@ingelheim.de
www.bgs-ingelheim.de

Schulleitung zum Zeitpunkt der Bewerbung: Klaus Großmann