Eine Schule ohne Schüler? Ja, das gibt es. Zum Förderzentrum Schleswig-Kropp gehören knapp 50 Lehrkräfte und 330 Schüler. Trotzdem ist die Wahrscheinlichkeit gering, in dem kleinen Gebäude Schüler anzutreffen. Höchstens Kinder aus dem Präventionskurs oder dem Intensiv-Lesekurs werden hier ab und an gesichtet.
Das Förderzentrum ist das Herzstück eines Verbundes, dem alle 26 Schulen sämtlicher Schulformen im südlichen Bereich des Kreises Schleswig-Flensburg angehören. Das Förderzentrum sendet seine Lehrkräfte an die Regelschulen aus, um eine inklusive und wohnortnahe Beschulung der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu gewährleisten. Dabei werden nicht nur die 330 Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf, sondern alle Kinder präventiv und bedarfsgerecht begleitet und versorgt. Es sind also eigentlich 5200, die Gymnasien mitgerechnet sogar 6200 Kinder und Jugendliche, die hier von der KiTa bis zum Berufseinstieg begleitet werden, gemäß dem VerbundMotto: „Es ist normal, verschieden zu sein“.
Der Schulverbund „Südlicher Bereich des Kreises Schleswig-Flensburg“ besteht seit dem Jahr 2009. Ausgangspunkt war ein Beschluss aus dem Jahr 2006, in dem sich das Förderzentrum unter der Leitung von Lars Krackert zu einer „Schule ohne Schüler“ erklärte. In der Folge mussten sich die Kooperationsschulen öffnen und schrittweise Schüler des Förderzentrums aufnehmen. Begleitend wurde die Versorgung durch die Lehrkräfte des Förderzentrums an den Kooperationsschulen immer weiter erhöht.
So können seit dem Schuljahr 2013/14 nun alle 330 Schüler, die sonst die Förderschule besucht hätten, am gemeinsamen Unterricht einer Schule in ihrer Wohngegend teilnehmen. Das Förderzentrum umfasst die Schwerpunkte Lernen, Sprache und soziale und emotionale Entwicklung. Es betreut zurzeit auch zwei geistig behinderte Schüler und ermöglicht ihnen so gemeinsames Lernen. Außerdem fördert das Zentrum auch Begabte: Das Projekt SHiB (Schleswig-Holstein inklusive Begabtenförderung) besteht seit 2011.
Die Zusammenarbeit im Verbund ist über Kooperationsvereinbarungen der Schulen mit dem Förderzentrum geregelt. Diese enthalten auch Regelungen für die Zusammenarbeit der Kollegien der Regelschulen mit den Lehrkräften des Förderzentrums. Auf diese Weise wurde erreicht, dass die Lehrkräfte des Förderzentrums ihre sonderpädagogische Kompetenz an den Regelschulen des Verbunds einbringen können.
Jede der knapp 50 Lehrkräfte des Förderzentrums versorgt eine bis drei Schulen. Sie sind dort gut in die Kollegien integriert und nehmen an den Schulkonferenzen teil. Den Förderlehrkräften wird von Seiten der Regelschulen eine große Wertschätzung entgegengebracht. Im Unterricht ist oft nicht zu erkennen, welche Lehrperson über welche Ausbildung verfügt. Alle Lehrkräfte kümmern sich um alle Schüler und alle Lehrkräfte sind für die Gestaltung des Unterrichts gleichermaßen verantwortlich.
Das Förderzentrum koordiniert den Einsatz der sonderpädagogischen Lehrkräfte im Einzugsgebiet. Es stellt einen wichtigen Ort der Rückbindung für die sonderpädagogischen Lehrkräfte dar. Sie bilden hier ihr eigenes Kollegium, können sich untereinander austauschen, ihre Erfahrungen reflektieren, Fortbildungen besuchen und Materialen ausleihen. Das Förderzentrum ist auch zuständig für die Ausbildung der sonderpädagogischen Lehrkräfte, die inzwischen im Unterricht der Regelschulen erfolgt. Innerhalb des Förderzentrums ist das Kollegium in Arbeitskreisen mit verschiedenen Schwerpunktthemen organisiert. Regelmäßig finden Treffen der Arbeitskreise sowie Schulkonferenzen statt.
Der Austausch im Verbund erfolgt auf den sogenannten Regionalkonferenzen und auf gemeinsamen Schulentwicklungstagen. Bei den Regionalkonferenzen treffen sich die Schulleiter der Einzelschulen des Verbundes, der Schulleiter des Förderzentrums und interessierte Lehrkräfte. Für die gemeinsame Arbeit im Verbund sind dieser regelmäßige Austausch und die vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Beteiligten besonders wichtig.
Das übergeordnete Ziel des Schulverbundes und somit der Zusammenarbeit von Regellehrkräften und sonderpädagogischen Lehrkräften ist es, alle Kinder und ihre jeweiligen (Entwicklungs-)Bedarfe im Blick zu haben. Das Modell, das der Verbund „Südlicher Bereich des Kreises Schleswig-Flensburg“ umsetzt, ist jedoch kein Sparmodell. Hier wird keine Förderschule eingespart, sondern dafür gesorgt, die UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen und das Recht der Kinder auf gemeinsamen Unterricht zu verwirklichen. Um dieses Ziel zu erreichen, wünschen sich alle Lehrkräfte eine Erhöhung der Stundenkontingente der Förderlehrkräfte an den Schulen. Denn derzeit können die Förderlehrernur die Kernfächer abdecken. Ihre Kompetenzen wären aber auch in Fächern wie Sport oder Musik für alle Kinder sehr hilfreich.
Insgesamt zeigt das Förderzentrum Schleswig-Kropp beispielhaft, dass Inklusion gelingen kann, wenn die Bereitschaft zur Veränderung gewohnter Strukturen besteht. Alle Beteiligten haben sich auf tiefgreifende Veränderungen eingelassen. Dabei ist der Blick stets auf die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen gerichtet. Den Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf wird so die Möglichkeit gegeben, an den Regelschulen den höchstmöglichen Bildungsabschluss zu erwerben. Immer mehr Schüler bekommen den sonderpädagogischen Förderbedarf aberkannt und machen den Hauptschulabschluss. Alle Kinder können - dauerhaft oder phasenweise - von der zusätzlichen Expertise der Sonderpädagogen profitieren. Auch voneinander lernen die Kinder unendlich viel. „Wenn Vielfalt als Bereicherung angesehen wird“, so Lars Krackert, „kann es eben nur Gewinner geben.“
Die Schulportraits sind jeweils zum Zeitpunkt der Verleihung des Jakob Muth-Preises entstanden und bilden die Schule zu dem entsprechenden Zeitpunkt in ihrer pädagogischen und didaktischen Arbeit ab. Inzwischen können sich Änderungen ergeben haben. Wir bemühen uns, die Webadressen aktuell zu halten.
Kontakt:
Förderzentrum Schleswig-Kropp
Flensburger Straße 120
24837 Schleswig
foerderzentrum-schleswig-kropp.schleswig@schule.landsh.de
https://www.schleswig.de/Bildung/Schulen/F%C3%B6rderschulen/F%C3%B6rderzentrum-Schleswig-Kropp
Schulleitung zum Zeitpunkt der Bewerbung: Lars Krackert