Kinder lernen Mehl zu mahlen.
© Ulfert Engelkes

„Eine Schule für alle Kinder“: Schule An der Burgweide

„Die Schule An der Burgweide ist die Wilhelmsburger Schule für alle Kinder“ – dieser Satz spiegelt das Selbstverständnis der inklusiven Schwerpunktgrundschule wider. Jedes schulpflichtige Kind aus der Umgebung ist willkommen. Die Schülerschaft und das Kollegium sind bunt gemischt. Schon bei einem ersten Gang über den Schulhof kann man hören, wie viele Kinder unterschiedlicher Kultur und Herkunft an der Schule lernen.

Die rund 260 Schüler:innen sprechen aktuell 29 Muttersprachen. Derzeit gibt es zwei Basisklassen für Kinder, die noch nicht in der lateinischen Schrift alphabetisiert sind und eine internationale Vorbereitungsklasse für geflüchtete Kinder. Viele Kinder haben einen sonderpädagogischen Förderbedarf. Seit dem Jahr 2010 findet in allen Lerngruppen inklusiver Unterricht statt. Besonders hervorzuheben sind die Teilnahme am Schulversuch „Sechsjährige Grundschule – Schulen gestalten Zukunft“ und der jahrgangsübergreifende Unterricht in den Klassen 1 bis 3 und 4 bis 6.

Der Schultag beginnt mit einem Morgenkreis - auch in der Lerngruppe „Watoto“, in der Schüler*innen der Jahrgänge 1 bis 3 gemeinsam lernen. Zunächst wird der Tagesablauf besprochen und an der Tafel festgehalten. Der Klassenraum befindet sich in „Afrika“. Die Kontinente bezeichnen die verschiedenen Gebäudeteile. Tafeln an den Eingängen erleichtern die Orientierung auf dem Gelände und in den Schulgebäuden. Alle Klassenräume der Schule sind individuell gestaltet und mit vielfältigen Unterrichtsmaterialien ausgestattet, um die Kinder zum eigenständigen Forschen anzuregen und ein selbstbestimmtes Arbeiten zu fördern. Überall sind Bücher vorhanden, mit denen sich die Schüler*innen in kleine Ecken zurückziehen können. Neben zahlreichen Projekträumen gibt es eine Forscherwerkstatt für die naturwissenschaftlichen Fächer. Hier leben unter anderem zwei Schildkröten. Überhaupt spielen Räume eine große Rolle an der Burgweide: Für die künstlerischen Arbeiten steht ein gut ausgestattetes Atelier zur Verfügung, für Handwerkliches ein Bastelraum, für Matheprofis ein Sinusraum, für Bewegungsfreudige oder -bedürftige ein Bewegungs- und Therapieraum und natürlich die „Insel“ als Rückzugsraum.

Der Schultag der Ganztagsschule gliedert sich in Blöcke, die gefüllt sind mit Projektunterricht, Lernbüros und Kursen. Die Mittagspause lässt dabei Raum für Essen und für Kurse. Im Projektunterricht werden fachübergreifend Themen aus Sachkunde, Geschichte, Religion, Gesellschaft und Technik behandelt. Dabei bearbeiten alle Lerngruppen der Jahrgangsstufe 1 bis 3 und der Jahrgangsstufe 4 bis 6 jeweils dasselbe Thema. Es wird besonders darauf geachtet, dass jedes Kind zu dem Thema Aufgaben erhält, die es gleichermaßen fördern und fordern. Hauptarbeitsform sind die Partner- und Gruppenarbeit, die in der Schule eine zentrale Rolle im Unterricht einnimmt. In der Bearbeitung der Themen wird den Kindern viel Freiheit gelassen.

In den Lernbüros lernen die Schüler*innen in den Fächern Mathe, Englisch und Deutsch. Dabei bearbeiten sie ihre Aufgaben selbständig, nach eigenem Interesse, angemessenem Schwierigkeitsgrad und individuellem Tempo. Gemeinsam mit den Kurslehrern*innen besprechen sie, welche Aufgaben in der nächsten Zeit in den Fächern erledigt und welche Fähigkeiten erworben werden sollen. Sind die Ziele erreicht, erhalten sie einen Aufkleber, auf dem der Lernfortschritt vermerkt ist. Diesen Aufkleber befestigen sie dann auf ihren selbstgestalteten Lernlandkarten. So erhalten sie einen Überblick darüber, welche Kompetenzen sie schon erworben haben und woran noch gearbeitet werden sollte.

Die vorbereiteten Lernmaterialien können dabei jeweils den Lernzielen auf der Lernlandkarte zugeordnet werden. Sie sind so aufgebaut, dass die Schüler*innen ihre Ergebnisse selbst kontrollieren können. Grundsätzlich sollen sich die Kinder den Stoff möglichst eigenständig erarbeiten. Das macht sie unabhängiger von der Lehrkraft. Schüler*innen dürfen gerne auch mal einen Fehler machen, das entspricht dem Verständnis der Schule von einer konstruktiven Lernkultur. Die anschließenden Lernzielkontrollen können dann ganz unterschiedlich aussehen und zu verschiedenen Zeitpunkten stattfinden.

Schulleiterin Regine Seemann sagt: „An unserer Schule haben die Schüler*innen eine sehr große Freiheit bei der Wahl ihres Lerngegenstandes im Lernbüro und in der Projektzeit. Wir wollen dadurch die Motivation der Kinder für ihre Lernprozesse nutzen. Individualisierung und Selbstbestimmung sind als zwei bedeutsame Voraussetzungen der Selbstwirksamkeit anzusehen, welche außerordentlich bedeutsam für das Lernen und die Persönlichkeitsbildung sind.“ Dennoch behält die Lehrkraft natürlich den Überblick, damit bestimmte Fächer oder Lerninhalte nicht vernachlässigt werden. Sie sind Ansprechpartner und unterstützen in der Gestaltung des individuellen, selbständigen Lernprozesses.

Um 12:30 Uhr beginnt die besonders lange Mittagspause. In eineinhalb Stunden bleibt genug Zeit, um sich in der Kantine zu stärken, mit verschiedenen offenen Angeboten zu beschäftigen oder einfach auszuruhen. Die Organisation des Mittagessens übernehmen die Schüler*innen selbständig: Über Lautsprecheransagen rufen sie die jeweilige Tischdienstgruppe herbei oder informieren darüber, welche Schülergruppe zum Mittagessen kommen darf. Die Schüler*innen können auch in anderen Bereichen der Schule Verantwortung übernehmen - beispielsweise bei der Organisation des Kinderkiosks. „Je nach Fähigkeit habe ich verschiedene Aufgaben für die Kinder parat. Und für die einen ist es dann halt, wenn sie Margarine auf ein Brötchen schmieren, schon richtig viel, das richtig zu dosieren –  also feinmotorische Sachen - und für andere ist es: die organisieren hier den ganzen Kiosk,“ berichtet der Sonderpädagoge Jörg Weidt.

Neben Lernbüro und Projektunterricht sind das dritte Element der Blöcke die sogenannten „Kurse“. Alle Schüler*innen erhalten zu Beginn des Halbjahres ein Kursheft, aus dem sie Kurse für den jeweiligen Tag wählen können: zum Beispiel Harfe oder Fußball, Diskutieren oder Schulkiosk, Streitkultur, Bauspielplatz oder Portraitmalen. Die Kurse sind fester Bestandteil des Schultags und tragen dazu bei, dass Zeiten der An- und Entspannung während des Schultags vereint werden. Kurse und Mittagsangebote werden von Lehrkräften, Erziehern/innen und anderen Honorarkräften angeboten. Brauchen die Kinder einmal eine Rückzugsmöglichkeit oder etwas Ablenkung von den schulischen Anforderungen, steht ihnen die „Insel“ immer offen. Dieser gemütliche Raum wird von 9 Uhr morgens bis Schulende betreut. 

Um auch zwischen den Eltern einen regen und offenen Austausch zu ermöglichen, findet täglich ein Elterntreff in entspannter Atmosphäre statt. Dabei sollen kulturelle Unterschiede überbrückt und das gegenseitige Sprachverständnis gefördert werden. Die Eltern, die mit der deutschen Sprache und Bürokratie noch nicht so vertraut sind, können hier auch konkrete Hilfestellungen erhalten - etwa beim Ausfüllen von Formularen und Anträgen, oft durch Muttersprachler*innen ihrer Herkunftssprache. Auch dieses Beispiel zeigt: In der Schule An der Burgweide wird das Miteinander täglich gelebt. Alle am Schulleben Beteiligten unterstützen sich gegenseitig und ganz nebenbei können auch sprachliche Hürden überwunden werden. Eine vorbildliche Grundschule mit kultureller Vielfalt und Offenheit, wo jeder Mensch mit seinen individuellen Bedürfnissen wertgeschätzt wird.

Die Schulportraits sind jeweils zum Zeitpunkt der Verleihung des Jakob Muth-Preises entstanden und bilden die Schule zu dem entsprechenden Zeitpunkt in ihrer pädagogischen und didaktischen Arbeit ab. Inzwischen können sich Änderungen ergeben haben. Wir bemühen uns, die Webadressen aktuell zu halten.

Kontakt:

Schule An der Burgweide
Karl-Arnold-Ring 13
21109 Hamburg
schule-an-der-burgweide@bsb.hamburg.de
https://www.burgweide.de/

Schulleitung zum Zeitpunkt der Bewerbung: Regine Seemann