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Bertelsmann Stiftung

Webinare: Sustainable Development Goals in der Praxis: Interview mit Prof. Klaus M. Leisinger

Als Einstieg zu unserer Webinarreihe ein Interview mit dem ersten Referenten, der am 26. April 2017 zum Thema "Agenda 2030: Neue Rolle(n) für Unternehmen im gesellschaftlichen Reformprozess“ vorträgt.

Herr Leisinger, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für unsere Fragen nehmen. In Anlehnung an die bald startende Webinarreihe „Sustainable Development Goals (SDGs) und Unternehmensverantwortung in der Praxis“, haben wir ein paar Fragen.

Die Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen richten sich an die Politik der Mitgliedsstaaten.  Warum sehen Sie auch Unternehmen in der Verantwortung?

Prof. Leisinger: Bei der Agenda 2030 geht es nach dem Willen der internationalen Gemeinschaft um eine „Transformation unserer Welt“. Diese Aufforderung geht, so das Protokoll der Generalversammlung vom 25. September 2015 „an alle Länder und Interessenträger“. Artikel 28 der Agenda 2030 wird noch deutlicher: „Die Regierungen, die internationalen Organisationen, die Unternehmen und anderen nichtstaatlichen Akteure wie auch jeder Einzelne müssen zur Veränderung nicht nachhaltiger Konsum- und Produktionsmuster beitragen...“ Auch Artikel 41 spricht von wichtigen Rolle des Privatsektors. Das ist das eine.

Das andere hat mit Leadership und mit Integrität zu tun: Aufgeklärte Führungspersönlichkeiten von Unternehmen möchten Teil der Lösung großer Aufgaben sein, nicht Teil des Problems. Und: integres Handeln bedeutet nicht nur Handeln in Übereinstimmung mit eigenen Werten, sondern auch Handeln im Lichte des vorhandenen Wissens über die Auswirkungen des eigenen Tuns. Für Menschen guten Willens sind die Auswirkungen des business as usual offensichtlich.

Wie können Unternehmen Ihrer Meinung nach konkret zur Erreichung der Ziele beitragen?

Unternehmen haben eine Vielzahl von wirtschaftlichen, sozialen, umwelt-spezifischen und anderen Auswirkungen. Aufgeklärte Unternehmen setzen seit Jahren Verantwortungskonzepte um, die zum Ziel haben, wirtschaftlichen Ziele unter Wahrnehmung sozialer und ökologischer Verantwortungen, sowie ohne menschenrechtliche Kollateralschäden und ohne Korruption zu erreichen: Integre Unternehmen erzielen marktgerechte Gewinne – leisten sich aber keine gesundheitsschädlichen oder diskriminierenden Arbeitsbedingungen, gehen mit Wasser und Energie sorgfältig um, sie halten sich nicht nur an die geltenden Gesetze, sondern berücksichtigen auch legitime Erwartungen der zivilen Gesellschaft.

Durch die Agenda 2030 kommt nun noch eine Generationen-übergreifende „Goldene Regel“ hinzu, d.h. die Interessen und Entfaltungschancen zukünftig lebender Menschen werden beim heutigen Handeln mitberücksichtigt.

Wo sehen Sie Chancen und Herausforderungen für Unternehmen, die sich aktiv für die SDGs engagieren und Maßnahmen zu deren Erreichung umsetzen?

Zu den Herausforderungen gehört, dass anders als beim heutigen business as usual, im Hinblick auf Nachhaltige Entwicklung, heute Investitionen getätigt und finanzielle Ressourcen zur Verfügung gestellt werden müssen, deren positiven Auswirkungen erst in ferner Zukunft und vermutlich für Menschen in anderen Ländern anfallen. Das ist mit einer auf kurz- oder mittelfristige Rendite fokussierenden Management-Entscheidungslogik nicht vereinbar. Angesichts der Urteilsmaßstäbe des Finanzsektors ist es unwahrscheinlich, dass Firmenchefs ihr diesjähriges Geschäftsergebnis mit der Begründung belasten, dies sei ein kleiner Beitrag dazu, dass zukünftig lebende Menschen auf fernen Inseln im Pazifik ihre Heimat nicht durch Überschwemmungen verlören, weil die – nach heutigem Wissensstand zu erwartende - globale Erwärmung ein wenig geringer ausfällt.

Aber es gibt auch Chancen: Die Tatsache, dass sich die internationale Gemeinschaft auf die Umsetzung der Agenda 2030 geeinigt hat, bedeutet einerseits, dass sich die Rahmenbedingungen auch für Unternehmen so oder so verändern werden – aber auch, dass neue Märkte und somit neue Geschäftsmodelle und neue Chancen entstehen. Führungspersönlichkeiten, die sich frühzeitig auf das sich wandelnde Verständnis von „verantwortlich handeln“ einstellen und bei der Erarbeitung der neuen Regeln konstruktiv mitarbeiten, verschaffen ihren Unternehmen die Startvorteile früher Innovatoren. Wenn – was wünschenswert wäre, heute aber höchst selten passiert - die Repräsentanten der Zivilgesellschaft denjenigen Unternehmen, die messbare Anstrengungen zur Umsetzung der Aganda 2030 machen, durch Anerkennung Reputationskapital schenkten, wäre das eine zusätzliche Chance

Glauben Sie, dass mit Beiträgen der Unternehmen die Ziele der Agenda 2030  erreicht werden?

Ja. Es gibt keinen Plan B, wir haben nur eine Erde – und Lernen aus aufgeklärtem Eigeninteresse ist dem Lernen aus Schmerz über Umweltschäden und sozialen Verwerfungen vorzuziehen.

Herzlichen Dank für Ihre Antworten – wir freuen uns auf ein spannendes Webinar mit Ihnen am 26. April 2017, Beginn 13 Uhr.

Dieses Interview hat Hannah Rautenberg geführt.

Für das erste Webinar „Agenda 2030: Neue Rolle(n) für Unternehmen im gesellschaftlichen Reformprozess“ von Prof. Dr. Dr. h. c. Klaus M. Leisinger können Sie sich direkt per E-Mail an julia.held@bertelsmann-stiftung.de oder über die Seite unseres Kooperationspartners Deutschen Netzwerk Wirtschaftsethik DNWE anmelden. Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme.