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Sebastian Pfütze

, Tagung in Berlin: Kompetenzen (an)erkennen

Am 3. Dezember 2015 hat das Programm Lernen fürs Leben auf der Veranstaltung „Kompetenzen (an)erkennen“ die Themen „Anerkennung non-formal und informell erworbener Kompetenzen“ und „Potenzialanalyse in der Migrationsberatung“ mit ca. 250 Besuchern diskutiert. Neben einer Keynote, mehreren E-Votings, einer Podiumsdiskussion und einer sogenannten Fishbowl-Diskussion, gab es Videos zur Kompetenzanerkennung in Finnland und zu den auf der Tagung vorgestellten Kompetenzkarten für die Potenzialanalyse in der Migrationsberatung. Dass wir über ein wichtiges und richtiges Thema sprechen, bestätigte uns auch die Teilnahme der ehemaligen Präsidentin des Deutschen Bundestages und Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit, Prof. Rita Süssmuth.

Nach kurzen Grußworten von Frank Frick (Director Programm Lernen fürs Leben) berichtete Kornelia Haugg (Abteilungsleiterin für Berufliche Bildung; Lebenslanges Lernen, Bundesministerium für Bildung und Forschung) über aktuelle Vorhaben des BMBF. Sie unterstrich die Relevanz des Themas und verwies auf die Pilotinitiative ValiKom. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat mit dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und dem Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) die Pilotinitiative ValiKom vereinbart, um für Menschen ohne Abschluss die Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt zu erproben. Hierzu wird die Initiative unter Mitwirkung von acht Leitkammern Standards, Verfahren und Instrumente zur Feststellung und Bestätigung berufsrelevanter Kompetenzen im Vergleich zu formalen Abschlüssen entwickeln und anschließend erproben. Näheres zur Initiative finden Sie hier: https://www.bmbf.de/de/chancen-fuer-menschen-ohne-berufsabschluss-1941.html

Das Können muss zählen, nicht der Lernweg

In der Podiumsdiskussion zur Kompetenzanerkennung, an der neben Kornelia Haugg auch der Bundestagsabgeordneter Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Prof. Eckart Severing (Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) gemeinnützige GmbH) teilnahmen, wurde kontrovers diskutiert, inwiefern diese Initiative bereits ausreicht, um in Deutschland zu einem Anerkennungssystem für non-formal und informell erworbene Kompetenzen zu gelangen. Kritisch hinterfragt wurde die Dauer der Initiative ebenso wie die angestrebten Ergebnisse. MdB Mutlu mahnte gerade mit Blick auf die aktuellen Herausforderungen in der Flüchtlingsfrage zum Handeln. Der Blick richtete sich in dem Zuge auch auf das Anerkennungsgesetz für ausländische Abschlüsse (BQFG), welches nach Auffassung von Prof. Severing und MdB Mutlu zu wenige Personen erreichte. Die Gründe dafür wären bekannt und in einem Bericht des BMBF benannt, jedoch nicht behoben. Prof. Severing beschrieb den Zugang mit Blick auf die Notwendigkeit eines formalen Abschlusses wie folgt: „Man öffnet Katzenklappen, wo man Scheunentore öffnen müsste“. Man darf weiter gespannt sein, ob ValiKom den vom BMBF beschriebenen Durchbruch bringt. https://www.bmbf.de/de/chancen-fuer-menschen-ohne-berufsabschluss-1941.html

Video: Wie in Finnland Kompetenzen anerkannt werden

Potenziale von Migranten erfassen

Der zweite Teil der Veranstaltung widmete sich der Potenzialanalyse in der Migrationsberatung. Die Bertelsmann Stiftung und die Träger der Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (Arbeiterwohlfahrt, Deutscher Caritasverband, Paritätischer Gesamtverband, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonie, Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland, Bund der Vertriebenen) haben sich vor ca. zwei Jahren zu einer Kooperation entschlossen, um ein Instrument für die Potenzialanalyse in der Migrationsberatung zu entwickeln. Das Ergebnis sind Kompetenzkarten, die in einem Kurzfilm präsentiert wurden. Diese können  ab sofort in den ca. 600 Beratungsstellen eingesetzt werden. Frau Ramona López, die Hauptdarstellerin im Video zu den Kompetenzkarten, erntete für ihren Beitrag den gebührenden Applaus. An der anschließenden Diskussion nahmen Cemile Giousouf (MdB, Integrationsbeauftragte der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag), Raimund Becker (Vorstand Regionen der Bundesagentur für Arbeit) und Dr. Michael Griesbeck (Vizepräsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge) teil. Darüber hinaus konnten sich Teilnehmer/-innen aus dem Publikum an der Diskussion beteiligen und einen der zwei freien Plätze auf dem Podium einnehmen. Das Angebot erfreute sich großer Nachfrage. Einigkeit bestand darin, dass die Arbeit der Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer wesentlich zur Integration beiträgt. Dr. Griesbeck verwies auf die Mittel, die vom BAMF dafür bereitgestellt werden. MdB Giousouf bestätigte den hohen Stellenwert der Beratung von Migranten in der Politik, mahnte aber gleichsam, dass die Infrastruktur auch funktionieren müsse. BA-Vorstand Becker machte sich für eine frühzeitige Kompetenzfeststellung stark, damit Flüchtlinge möglichst reibungslos in Arbeit integriert werden können. Dies gelte nicht nur für die Flüchtlinge sondern auch für die vielen formal Geringqualifizierten in Deutschland, die sich aufgrund fehlender formaler Zertifikate besonders schwer tun und Kompetenzen besitzen, die aktuell jedoch nicht sichtbar sind. Aus dem Publikum meldete sich u.a. Wolfgang Barth (AWO, Abteilung Migration und interkulturelle Öffnung) zu Wort, der einerseits darauf hinwies, dass doch in der vollzeitschulischen Ausbildung noch keine Lösungen gefunden sind, wie diese auch für Migranten genutzt werden und darüber hinaus betonte, dass die Arbeit vor Ort in den Blick genommen werden müsste.

 Statements einzelner Besucher finden Sie in den nächsten Wochen auf unserem Blog (http://blog.aus-und-weiterbildung.eu/).

Video: Kompetenzkarten für die Potenzialanalyse in der Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer

Publikationen

Publikation: Bildungslotsen in der Risikogesellschaft