Foto Weißenfels
Alexander Heinke

Essay: Beobachtungen am Tag der offenen Tür im Kinder-und Jugendhaus Weißenfels

Çiçek Bacik

Es ist 9:30. Wir sind am Bahnhof in Weißenfels angekommen. Alexander Heinke, Pädagoge im Kinder- und Jugendhaus in Weißenfels, in dem 20 geflüchtete Jugendliche aus unterschiedlichen Nationen untergebracht sind, empfängt uns.

Er berichtet uns auf der Fahrt zum Kinder- und Jugendhaus, dass fünf junge Geflüchtete eine Ablehnung vom BAMF bekommen haben und von Abschiebung bedroht sind. Die Vormünder im Jugendamt hätten gegen die Entscheidung des BAMF einen Widerspruch eingelegt. Die Stimmung unter den Jugendlichen sei deshalb sehr gedrückt.

„Der einzige Ausweg, um eine Abschiebung zu verhindern ist der Besuch von Deutschkursen, berufsbegleitende Bildungsmaßnahmen, Einstiegsqualifizierungen und die Überführung in Praktika und Ausbildung. Wir haben den Jugendlichen ausdrücklich vermittelt, dass dies die einzige Chance auf eine Bleibeperspektive ist. Wir setzen alles darauf trotz der gedrückten Stimmung die Jugendlichen für Einstiegqualifizierungen und Deutschkurse zu motivieren“, berichtet er uns weiterhin.

Auch der junge Inder Mukesh (16 Jahre) habe eine Ablehnung bekommen, da bei ihm keine Asylgründe vorliegen. Er sei sehr begabt, er sei seit fünf Monaten in Deutschland und lerne geschwind Deutsch und setze alles dran, Deutsch schnell zu erlernen, um in Deutschland bleiben zu können.

Als wir um 9:45 im Kinder- und Jugendhaus ankommen, sind die Jugendlichen dabei, sich auf den Tag der offenen Tür vorzubereiten. Manche sind noch damit beschäftigt, ihre Tafeln mit Plakaten auf dem Hof aufzustellen, andere sind noch in der Küche und bereiten unterschiedliche Gerichte aus ihren Heimatländern vor. Auf dem Gelände draußen ist ein buntes Treiben. Einige Jugendliche stehen im Hof herum; sie freuen sich auf das Fest. Es herrscht eine freundliche Atmosphäre unter den Jugendlichen und Pädagogen.

In Weißenfels scheint die Sonne. Auf dem Gelände des IBLM wurden mehrere Plakate aufgestellt, die die Jugendlichen mit Hilfe von Pädagogen erstellt haben.

Auf den Plakaten sind Informationen zu den Herkunftsländern aufgeführt. Nahezu auf allen prangert eine Flagge der Herkunftsländer. Die Jugendlichen aus Afghanistan geben Auskunft, wie es zum Beispiel in den 1970er Jahren in Kabul ausgesehen hat: Eine moderne Stadt mit modernen Frauen im Minirock auf den Straßen und wie es heute in Afghanistan aussieht, der von Krieg und Terror geplagt ist. Auf einem Plakat ist der gewaltige Berg Hindukusch zu sehen. Einige Jugendliche kommen aus dieser Gegend. Auch ein Foto zur Stationierung von deutschen Soldaten in Afghanistan ist auf dem Plakat zu sehen. Auf einer afghanischen Landkarte wird markiert, welche Teile von Afghanistan von afghanischen Schutztruppen unter der Ägide von Deutschen, Amerikanern, Engländern, Italienern etc.  sind. Auch Sehenswürdigkeiten in Afghanistan und afghanisches Essen tauchen auf dem Plakat auf. Eine Gruppe von Jugendlichen werden auf zwei Fotos auch in ihrem Alltag in Weißenfels abgebildet.

Auf einem anderen Plakat ist die Fußballbegeisterung eines Jugendlichen zu sehen: „Berge der Löwen – Sierra Leone - Ich komme aus Sierra Leone. Ich heiße Natalini Bah. In meinem Land leben 7.016641 Einwohner. Meine Leidenschaft ist Fußball. Ich komme aus der Stadt Freetown (Hauptstadt). Mein Land liegt am Meer, es gibt viel Wasser und Wald und Berge. Die Amtssprache ist Englisch. Aber es werden auch andere Sprachen wie Kono, Mende, Limba, Kissi, Limba etc. gesprochen.“

Auf einem Foto ist der Jugendliche in einer Schule in der Heimat zu sehen. Daneben steht: „Grundschule von 6 bis 12 Jahren, Sekundarschule I von 12 bis 15 Jahren, Sekundarschule II von 16 bis 18 Jahren (Abschluss Uni). 70 Prozent in unserem Land sind Muslime und 27 % Christen etc.“ Auf dem Plakat führt der Jugendliche auch auf, was dort angebaut wird und wovon die Bevölkerung lebt: Landwirtschaft, Fischerei, Hirse und Reisanbau und Maniok.

Der Jugendliche erwähnt auch den Bürgerkrieg, der seit 1961 bis 2002 das Land heimgesucht hat und dass 200.000 Menschen das Leben gekostet hat. Seit 2017 sei dort die Ebola Epidemie ausgebrochen und habe 4.000 Menschen in den Tod gerissen. Das Plakat schmücken außerdem viele Bilder aus Sierra Leone und Fußballstars wie David Beckham u.a.

Auf einem anderen Plakat sind die Jugendlichen bei unterschiedlichen Aktivitäten in Weißenfels zu sehen: im See beim Schwimmen, beim Fußball spielen, beim Basteln, Kochen, gemeinsam essen, bei handwerklichen Tätigkeiten, beim Fitness, bei Ausflügen im Umfeld, beim Basteln von Wirbinesburg.

 Auf einem Plakat erscheint ein Steckbrief: Mukesch, 16 Jahre alt, aus Indien, Srinagar, Hobbies: Musik und Sport. Auf seinem Plakat sind Fotos und Landkarten aus Indien zu sehen. Auch Mahatma Gandhi ist mit einem Spruch vertreten: „Be the Change, you want see in the world“. Ein Bild in der Mitte zeigt die indischen Götter:  Krishna und Radha. Taj Mahal ist auf dem Plakat zu sehen. Auch ein Hinweis zum Nationalsport in Indien ist zu sehen: Cricket. Ebenfalls ein Hinweis zur Währung in Indien erscheint auf dem Plakat.

Auf einem anderen Plakat werden Informationen über Iran aufgeführt. Es enthält Informationen zum Schulsystem in Iran und wie wichtig die Bildung im Iran ist. Ebenfalls tritt das Nationalgericht der Perser in Erscheinung. Safran-Reis mit einem Rezepthinweis. Ein Jugendlicher stammt aus Afghanistan, habe aber im Iran gelebt. Auf seinem Plakat sind die afghanische und die iranischen Landkarten zu sehen. Auf der iranischen Landkarte ist der Standort Varamin markiert, wo er bis zu seiner Ausreise gelebt habe.

 Ein Plakat über Gambia: enthält folgende Botschaft:

„Die Seele unseres Landes ist wild und stolz wie Löwen, die es bei uns gibt. Der Fluss Gambia ist 1120 Km lang und einer der Hauptströme Westafrikas. Nach ihm ist unser Land benannt.“ Auf dem Plakat eines syrischen Jungen sind Fotos aus seinem Alltag zu sehen: Beim Fußballspielen und wie er auf einer Decke im Rasen sitzt: „Ich bin Shiar Yousef, ich komme aus Syrien. Ich bin 17 Jahre alt.“  Diese Information wiederholen sich auch nochmal in arabischer Sprache.

Als wir die Plakate studieren, kommen einige Jugendliche auf uns zu, begrüßen uns auf Deutsch. Wir fragen, wie sie heißen, wann sie nach Weißenfels gekommen sind, woher sie kommen und was sie grade machen, ob sie zur Schule gehen oder nicht.

Einer der Jungen sei seit mehr als einem Jahr da und gehe schon zur Regelklasse. Er sei 16 Jahre alt und spricht ganz gut Deutsch. Er hat eine positive Ausstrahlung, fragt woher wir kämen etc.

Zwei der Jugendlichen berichten, dass sie auf der Flucht nach Deutschland mindestens zwei Monate im Gefängnis gesessen haben, in der Türkei, in Serbien und in anderen Ländern…

Ein indischer Junge kommt aus dem Hauptgebäude mit einem Teller und selbst gemachten Sandwich auf einem Teller. „Das ist Mukesh“, stellt ihn Alexander Heinke ihn uns vor. Mukesh bietet uns die selbstgemachten Sandwiches an. Er ist ein freundlicher kleiner Junge mit lachenden Augen.

Zwei Jugendliche machen mit uns einen Rundgang zum Garten, in dem Kaninchen in ihren Käfigen untergebracht sind und Pflanzenbeete angelegt sind. Als wir vor einem Monat hier zu Besuch waren, war hier nur ein Kaninchen im Käfig. Jetzt toben im Käfig, mehrere kleine und große Kaninchen. Die Jugendlichen führen uns dem Käfig und erzählen uns, dass sie sich um die Kaninchen kümmern und Gemüse im Garten gepflanzt haben. Sie erfreuen sich an den Kaninchen.

Gegen 11 Uhr kommen auch etwa zehn bildhübsche schwarze Mädchen. Auf dem Gelände ist ein Grill aufgestellt: Es wurden zwei Personen für den Grill für den Tag engagiert. Die Kohle lodern noch. Zwei Junge Geflüchtete wärmen ihre Hände am Feuer. Auf dem Grill brutzeln die ersten Würstchen. Hähnchenbratwürste für die geflüchteten Jugendlichen und Rostbratwürste für die deutschen Gäste.

Ein altes deutsches Ehepaar erscheint auf dem Hof, sie holen sich Fleisch aus dem Grill und leckere Beilagen aus unterschiedlichen Ländern. Es gibt auch drei vier Sorten Kuchen, Süßspeisen, Künefe, Baklava etc. Eine dunkelhaarige Frau mit Kopftuch sitzt mit einem Kinderwagen separat an einem Tisch. Stillschweigend beobachtet sie das Geschehen. Fremd unter Fremden.  „Sie ist erst seit einem Monat in Weißenfels, sie kommt aus Syrien“, sagt der ältere Herr, der inzwischen mit seiner Frau an einem Sonnenplatz an einer langen Bank Platz genommen hat. 

Die afrikanischen Mädchen sitzen separat an einem Tisch. Schauen neugierig rüber. Wir setzen uns an die Bank, an dem das ältere Ehepaar sitzt. 

„Das Negerkind ist auf dem einen Auge blind!“, das habe ich in meiner Kindheit gelernt, sagt der ältere Mann und kichert dabei.

Das ältere Ehepaar schaut auf die Nebenbank, wo etwa sieben schwarze Mädchen sitzen und sich in ihrer Sprache heiter unterhalten.

„Schöne Mädchen sind es“, sagt die alte Dame.

„Woher kommen sie?“ frage ich

Alexander Heinke klingt sich ein und sagt:

„Das sind Mädchen von der Mädchen-WG in Weißenfels!“

„Schauen sie, der Tag der offenen Tür wurde hier groß angekündigt, aber außer uns ist niemand da! Keiner interessiert sich für diese jungen Menschen“, stellt die alte Dame enttäuscht fest.

„Sie haben den Demut verloren, sie möchten niemanden unterstützen und möchten mit niemandem etwas teilen! Dabei sind sie selbst vor Jahrzehnten geflüchtet“, fährt sie fort. 

„Wir sind anders, wir sind viel gereist und haben andere Kulturen kennengelernt. Daher wind wir neugierig auf andere. Sie brauchen unsere Hilfe!“, ergänzt sie.

Ihr Mann steht immer wieder auf, füllt seinen Teller mit leckeren Speisen, teilt diese mit seiner Frau.

„Ich habe ein altes Kurzwellenradio! Ich werde das den Jugendlichen schenken, damit sie Neuigkeiten aus ihren Ländern empfangen können!“ teilt der alte Mann freudig mit.

 „Auch in der DDR gab e es viele Ausländer, aus Vietnam, Kuba, Angola, Mosambik, Chile. Aber wir hatten kaum Berührungspunkt mit ihnen. Es gab immer Rassismus in diesem Land, aber das wurde unterdrückt. Nun haben wir das Problem auch heute. Weil wir gar keine Berührungspunkte hatten, fällt es uns heute auch schwer uns für anderen Menschen und Kulturen zu interessieren“, berichtet sie weiter.

„Wir waren in der Türkei unterwegs, fremde Menschen haben uns zum Tee und Essen eingeladen. Das war sehr schön! Aber unsere Leute reisen kaum, haben daher keinen Zugang zu anderen Kulturen. In den Kinderbüchern wurden uns Rassismen vermittelt. Zehn kleine Niggerlein und so weiter“, ergänzt sie.

Ich beobachte ein altes Ehepaar vor dem Eingang des Areals, sie sind gestützt an ihre Rollatoren. Sie schauen sich neugierig die Luftballons an, die an der Tür hängen und nehmen die Einladung zum Tag der offenen Tür wahr. Sie schauen neugierig und vorsichtig in den Hof, beobachten einige Minuten das Treiben auf dem Hof. Aber sie trauen sich nicht in den Hof zu treten und ziehen am Kinder- und Jugendhaus langsam vorbei.

Am Nachbartisch, an dem sieben schwarze Mädchen sitzen, steht ein junges Mädchen auf, nimmt das Handy steht auf und macht Selfies. Auch zwei junge Deutsche kommen an den Tisch. Sie scheinen zum Personal dazuzugehören.

Thomas Ganz, der Leiter der Einrichtung kommt gegen 13 Uhr zum Fest. Die Jugendlichen freuen sich und begrüßen ihn mit Handschlag und umarmen ihn leicht.

Ich mache einen weiteren Rundgang auf dem Areal. Dabei fällt mir ein Aufruf der Fahrradwerkstatt auf einem großen Papier auf, das auf einem Tisch zu sehen ist:

„Werte Gäste, unsere Jungs sind begeisterte Fahrradfahrer und bei schönem Wetter machen wir auch die ein oder andere Radtour in der Umgebung von Weißenfels. Damit wir diese auch aufrecht erhalten können sind wir auf Spenden angewiesen. Dies können auch Sachspenden, wie Fahrräder. Sport und Freizeitgegenstände sein. Danke.“

Ich beobachte Mukesh, wie er alleine auf einem Stein sitzt und das Treiben auf dem Gelände betrachtet. Er lebt seit seiner Ankunft in Deutschland im Kinder- und Jugendhaus. Er hat vor kurzem eine Ablehnung erhalten. Sein Vormund habe bereits Widerspruch dagegen eingelegt. Ich setze mich neben ihm:

 „Wann bist Du nach Weißenfels gekommen“, frage ich.

„Vor fünf Monaten“, entgegnet er.

„Woher Kommst Du? Warum bist du nach Deutschland geflüchtet?“

„Meine Eltern sind tot. Bekannte von meinem Vater haben mich nach Deutschland geschickt“, erzählt er.

„In Indien habe ich die Schule bis zur neunten Klasse besucht. Innerhalb von sechs Monaten habe ich mit Hilfe des Internets Sprachkurse gemacht und innerhalb von fünf Monaten Englisch gelernt. Ich liebe Deutschland, die Sprache, das Klima, das Essen. Ich möchte unbedingt hierbleiben und eine Ausbildung machen“, sagt er.

„Hier im Kinder- und Jugendhaus langweile mich sehr, ich habe nur drei Mal in der Woche jeweils zwei Stunden Unterricht. Das reicht mir nicht, ich möchte am Stück, acht Stunden täglich Unterricht haben und schnell Deutsch lernen. Das Bildungsniveau im Unterricht ist sehr unterschiedlich. Wir sind 12 Personen in den Kursen. Einige können kaum lesen und schreiben. Ich kann das alles. Ich langweile mich in den Kursen. Außerdem quatschen die Mädchen im Unterricht und stören den Unterricht. Wenn ich ihnen sage: „Hört auf zu stören!“, sagen sie mir: „Dann geh doch raus, wenn es dich stört!“

 „Ich schlage hier meine Zeit tot, aber ich möchte auch fünf Stunden die Woche wenigstens arbeiten und etwas Geld verdienen und ein wenig unabhängig werden. Ich habe keinen guten Internetempfang auf meinem Handy. Ich habe ein altes Handy. Dabei möchte ich so gern mein Handy zum Deutschlernen einsetzen. Ich habe auch kein Computer, an dem ich arbeiten kann. Die Pädagogen sagen, wir sollen in das Hauptgebäude gehen, um dort an den Computern ins Internet zu gehen. Aber die Computer funktionieren nicht so gut. Außerdem spielt ein Großteil der Jugendlichen dort Computerspiele. Ich will keine Computerspiele spielen. Das macht mir keinen Spaß. Ich möchte einen eigenen Computer in meinem Zimmer haben und Internetzugang. Ich brauche Deutschbücher um die deutsche Sprache zu erlernen. In Weißenfels ist nichts los, Es gibt nur eine Straße, die man auf und abgehen kann. Einmal habe ich mich beim Joggen in der Umgebung verloren. Ich habe jemanden auf der Straße nach der Adresse der Einrichtung gefragt, Deutsche, aber sie kannten die Adresse nicht, haben mir nicht weitergeholfen. Bald werde ich einen Büchereiausweis bekommen und regelmäßig in die Bücherei gehen“, berichtet er.

„Mukesh, nutzt du auch die Angebote der Jugendfreizeiteinrichtung „das Boot“ auf eurem Areal?“, frage ich ihn.

„Nein, da gehe ich nicht rein“, antwortet er.

Am Tag der offenen Tür bereichern auch die afrikanischen Mädchen das Fest mit einem Stand. Auf einigen Tischen sind bunte kleine Plastikringe in durchsichtigen runden Behältern zu sehen. Einem kleinen blonden Mädchen flechten zwei Mädchen die Haare, sie machen Flex-Frisuren. Auf dem Gelände ist ein Federballnetz aufgespannt. An einem Winkel des Areals haben Jugendliche angefangen Fußball zu spielen. Eine der schwarzen Mädchen spielt auch Fußball. Gleichzeitig wippt das Mädchen parallel in ihren Hotpants zum Rhythmus der Musik. Aus dem Lausprecher ertönt Musik aus unterschiedlichen Ländern. Gegen frühen Nachmittag gesellt sich der alte Mann mit dem Krückstock an zwei geflüchteten Jungen und versucht mit ihnen zu sprechen.

Die Jugendlichen hören irgendwann auf, Fußball zu spielen. Sie fangen inmitten des Geländes an zu tanzen. Es bildet sich ein Kreis. Ein paar Jugendliche gehen abwechselnd in die Mitte und liefern eine Tanzshow.

Im Laufe des Tages sind noch ein paar Gäste aus der Stadtverwaltung dazukommen und ein paar Pädagogen, die auf dem Areal arbeiten: Darunter Frau Kühn, die Leiterin des Jugendamtes. Alle von der Verwaltung haben Respekt vor ihr, beugen sich vor ihr. Ein Journalist interviewt Frau Kühn zur Situation von jungen Geflüchteten in Weißenfels. Er macht Fotos vor Ort.

Alexander Heinke freut sich, dass wir dort sind. Die Arbeit mit Geflüchteten Jugendlichen macht ihm Spaß: „Letzte Woche hat einer von den Jugendlichen hier mir etwas vorgerappt, in deutscher Sprache, er hat dabei von seinen Ängsten und Hoffnungen erzählt und wie sehr er seine Familie vermisst. Mir wurden dabei die Augen feucht!“

Alexander Heinke berichtet weiterhin von seinen Erlebnissen dort: „Am Anfang sind zwei Jugendliche ausgebüchst, sie wurden nach einigen Tagen aufgefangen. Sie hatten anfänglich gar kein Vertrauen. Aber jetzt möchten sie die Einrichtung gar nicht verlassen. Es sind heute sehr viele Jugendliche von außen am Tag der offenen Tür. Freunde von den Jugendlichen aus der Unterricht, mit denen sie gemeinsam zur Schule gehen. Auch Junge Geflüchtete, die zuvor in der Einrichtung gelebt haben und mit Erreichen der Volljährigkeit die Einrichtung verlassen haben, kommen immer wieder gern in unsere Einrichtung.“

Gegen 14.30 sitzen Pädagogen aus der Einrichtung, Menschen aus der Verwaltung und Frau Kühn an einem Tisch vor dem Grill. Zwei der Pädagogen Lubna und Mohammad stammen aus Syrien. Sie haben in Deutschland Schutz bekommen.

Mohammad fragt eine Frau vom Integrations- und Ausländeramt, ob es Neuigkeiten gibt im Hinblick auf seinen Antrag auf die Familienzusammenführung. Sie kann ihm nicht genau sagen, wann der Antrag auf Familiennachzug in der Stadt durchkommt und versucht sich herauszuwinden. Mohammad erzählt über seine Erfahrungen mit seinen Nachbarn. „You are not welcome here“ steht an der Hauseingangstür. „Die Nachbarn schikanieren mich und werfen mir vor, dass ich zu laut Musik in den Abendstunden höre. Dabei habe ich meistens Nachtschicht hier.“  

Alexander Heinke fährt uns um 15.30 zum Bahnhof. Er macht sich Sorgen um seine Kollegen Lubna und Mohammad: „Können Lubna und Mohammed sich an dich wenden? Er wartet seit anderthalb Jahren auf seine Frau. Er möchte etwas dagegen machen. Was kann man da machen? Auch Lubna möchte ihre Eltern nach Deutschland holen, auch da bewegt sich nichts...“