Braucht Waren eine Umgehungsstraße? Wie Bürger frühzeitig an der "Ob"-Frage beteiligt werden können, wurde in dem Modellprojekt zur Ortsumgehung Waren erprobt. Nach einer sechsmonatigen Informations- und Dialogphase stimmten die Bürgerinnen und Bürger in einem Bürgervotum über die Ortsumgehung ab.
Ein Kooperationsprojekt zwischen dem Ministerium für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung Mecklenburg-Vorpommern und der Bertelsmann Stiftung
In dem Modellprojekt informierten sich Bürgerinnen und Bürger über die Notwendigkeit einer Ortsumgehungsstraße und möglicher Alternativen. Anschließend stimmten sie darüber ab, ob um die Stadt Waren eine Umgehungsstraße gebaut werden soll. Das Ministerium verpflichtete sich, sich an das Ergebnis der Abstimmung zu halten und nach dem Votum der Bürger das Projekt entweder beim Bund anzumelden und die Planungen weiterzuführen oder das Projekt nicht anzumelden und die Planungen einzustellen. So wurden neue Wege informeller Bürgerbeteiligung erprobt: Auf einen achtmonatigen strukturierten Prozess der Informationsvermittlung und des Dialogs folgte das qualifizierte Bürgervotum am Tag der Bundestagswahl. Bürger konnten sich in die Planung und Ausgestaltung des Informations-, Dialogs- und Abstimmungsprozesses einbringen. Das Modellprojekt ging der Frage nach, ob es durch die Kombination aus Information und Abstimmung gelingen kann, die Akzeptanz der breiten Bevölkerung für eine Lösung zu gewinnen.
Die Schritte zum qualifizierten Bürgervotum
Akteursbefragung
Bei einer Befragung unterschiedlicher Bürger- und Interessengruppen und von Vertretern aus Politik und Verwaltung erstellet die Bertelsmann Stiftung ein erstes Stimmungsbild zu Positionen, Interessen und Erwartungen an diese Bürgerbeteiligung. Die Ergebnisse der Befragung dienten als Orientierung für die weitere Gestaltung des Informations- und Dialogprozesses.
Begleitgruppe
Ein Bürgergremium wurde gebildet, das den gesamten Informations-, Dialog- und Abstimmungsprozess begleitet und mitgestaltet. Die Begleitgruppe setzet sich zusammen aus zufällig ausgewählten Bürgern, Interessensgruppen und Multiplikatoren (z.B. Vertreter der Kirche, Kulturvereine, Schulen etc.). Sie half dabei, dass die verschiedenen Sichtweisen ausgewogen berücksichtigt wurden. Sie gestaltete Veranstaltungen und Informationsmaterialien mit und trug dazu bei, dass möglichst viele Warener Bürger erreicht wurden.
Öffentliche Veranstaltungen/Trassenbegehungen
Am 11.12.2012 fand die erste Bürgerversammlung in Waren mit 400 Besuchern statt. Dabei wurden die Erwartungen der Warener an den Dialogprozess, ergänzend zur Akteursbefragung und -analyse, erfragt. Auf den weiteren öffentlichen Veranstaltungen erhielten Bürger umfassende Informationen zum Lärm, zur Verkehrssituation und Verkehrsprognosen, zu den Auswirkungen auf Natur und Wirtschaft, zu den verschiedenen Trassenvarianten und zu alternativen Lösungsmöglichkeiten. Experten standen zur Beantwortung der Bürgerfragen zur Verfügung.
Webseite
Eine Website dokumentierte den aktuellen Stand der Planungen zur Ortsumgehung und informierte umfassend über die Bedarfe, Pro- und Contra-Argumente, Trassenvarianten und mögliche Alternativen. Sie informierte über das Bürgervotum und lud zum Dialog ein.
Qualifiziertes Bürgervotum
Im Rahmen des vorgelagerten Informations- und Dialogprozesses hatten die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, sich zu informieren und zu qualifizieren, sich eine fundierte Meinung zu bilden und auf dieser Basis abzustimmen. Eine Abstimmungszeitung, die umfassende und ausgewogene Informationen über die Ortsumgehung und das Bürgervotum enthielt, wurde zur Vorbereitung der Warener Bürger an alle Haushalte verteilt.
Warum unterstützt die Bertelsmann Stiftung das Projekt?
Die Bertelsmann Stiftung begleitete das Projekt als neutraler Akteur. Sie unterstützte bei der Konzeptionierung des Gesamtprozesses, führte eine prozessbegleitende Erfolgs- und Wirksamkeitskontrolle durch und unterstützte bei der Dokumentation und Kommunikation über das Projekt. Von dem Modellprojekt „Bürgerbeteiligung Ortsumgehung Waren (Müritz)“ erhoffte sich die Bertelsmann Stiftung Antworten auf folgende Fragen:
- Wie gelingt es bei überregionalen Projekten die Interessen der Bürger vor Ort besser zu berücksichtigen und eine breitere Akzeptanz bei umstrittenen Projekten zur erzielen?
- Wie gelingt es, die mit der Planung der Ortsumgehung verbundenen hoch komplexen Sachverhalte so aufzubereiten und zu präsentieren, dass möglichst viele Bürgerinnen und Bürger an der Diskussion teilnehmen?
- Wie gelingt eine breite Mobilisierung und Aktivierung von Bürgern mit unterschiedlichen Interessen?
- Wie gelingt es, bei den Bürgerinnen und Bürgern Verständnis für bestimmte objektive Restriktionen (z.B. begrenzte Haushaltsmittel, naturschutzfachliche Belange) zu erzeugen?
- Wie gelingt es, informelle Bürgerbeteiligung und förmliche Planungs- und Zulassungsverfahren aufeinander abzustimmen?
- Führt ein qualifiziertes Bürgervotum zu einer breiteren Akzeptanz und Toleranz eines Infrastrukturprojektes in der Bevölkerung?
Evaluation
Die Bürgerbeteiligung zur Ortsumgehung Waren wurde vom Institut für Informationsmanagement Bremen GmbH evaluiert. Die begleitende Evaluation fokussierte auf die Kriterien Reichweite, Prozess- und Ergebnisqualität, Transparenz, Effizienz und Wirkungen.