Gerade das Thema des Armutsrisikos verdiene Beachtung, da es sich hier um "das verborgene, fast schon beschämende Gesicht unserer Gesellschaft handelt", so Etienne.
Die beiden Staatssekretärinnen Yasmin Fahimi und Ségolène Neuville skizzierten in ihren einleitenden Impulsreden die Breite des Themas und die politischen Antworten auf die größten Herausforderungen. Fahimi betonte die Bedeutung des gleichberechtigten Zugangs zu Chancen und Teilhabe für die europäischen Gesellschaften. Sie sagte: "Wir sprechen von einer europäischen Idee, die davon beseelt ist, dass erst die Abschaffung der Unfreiheit und Ungleichheit die Voraussetzung für das friedliche Miteinander der Nachbarn ist." Ihre Kollegin Neuville ging auf die aktuelle Situation in Frankreich ein, die (wie in vielen anderen Staaten Europas) durch ein tiefes Misstrauen gegenüber dem politischen und wirtschaftlichen System gekennzeichnet ist. "Angesichts dieser Vertrauenskrise" – so die Staatssekretärin – "müssen wir uns fragen, wie unsere sozialen Sicherungssysteme weiterentwickelt werden können und müssen".
In der anschließenden Podiumsdiskussion stellten die Wirtschaftswissenschaftler, Marcel Fratzscher und Hélène Perivier die politischen Optionen in einen größeren Zusammenhang. Mit welchen Grundannahmen müssen wir die Erwartungen an den Sozialstaat betrachten? Ist der Staat zuerst als Korrektureinrichtung zur Umverteilung von finanziellen Ressourcen zu verstehen oder ist seine wichtigste Aufgabe, die Rahmenbedingungen für Chancengleichheit beim Zugang zu Bildung, Partizipation und sozialer Sicherheit zu garantieren? Die Diskussion drehte sich um das schwierig zu definierende Gleichgewicht zwischen Eigenverantwortung jedes Einzelnen und der Fürsorgepflicht des Staates, zwischen vorbeugenden Maßnahmen zur Verhinderung von sozialer Ungleichheit und der nachträglichen Linderung von Ungleichheit.