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Bezirksregierung Detmold: Selbstverständnis: Stifter von Kooperationsbeziehungen

Gespräch mit Christoph Höfer, Bezirksregierung Detmold, verantwortlicher Koordinator für Vielfalt fördern in der Bezirksregierung Detmold

Gesprächsführung: Inge Michels und Angela Müncher

Sie haben sich als verantwortlicher Koordinator für Vielfalt fördern in Ostwestfalen-Lippe (OWL) von Anfang an sehr intensiv eingebracht und das Programm mit vorangetrieben. Warum haben Sie sich so engagiert?

Christoph Höfer: Ich sah in Vielfalt fördern mehrere Ansätze, die die Schulen in OWL weiterbringen konnten. Ich habe ja mehrere Funktionen inne. Ich koordinierte die Bildungsnetzwerke hier und bin als Schulaufsicht für die Hauptschulen ja auch Koordinator für Schulentwicklung. Als Verantwortlicher für Vielfalt fördern sah ich zum Beispiel die Chance, das, was bereits durch das Projekt "Selbstständige Schule" entwickelt worden war, weiterzuführen. Das ist das eine. Dann bin ich sehr an Systementwicklung interessiert, weil ich weiß, dass sich Schule und die Qualität von Schule nur im System entwickeln lassen. Vielfalt fördern richtet sich ja an das System Schule und den Unterricht dort. Deswegen habe ich mir bestimmte Aufträge geholt, um unterstützend mitzuwirken. Wobei mein Systemverständnis nicht nur die einzelne Schule als System meint, sondern die darum liegenden Kontextsysteme und die darüber liegenden Steuerungs- und Verantwortungssysteme.

Sie sagten gerade, Sie hätten sich bestimmte Aufträge geholt. Was meinen Sie damit?

Christoph Höfer: Ich habe mir einen Auftrag des Abteilungsleiters Schule unserer Bezirksregierung geben lassen, um in OWL Vielfalt fördern verantwortlich koordinieren und begleiten zu können.

Der Auftrag lautete, von Anfang an mit der Entstehung des Projekts umfassend Sorge dafür zu tragen, dass das Projekt möglichst gut bei Schulen andocken kann bzw. Schulen mit dem Projekt arbeiten können. Dieser Auftrag war dann meine Legitimation, mich so einzubringen, wie ich es getan habe. Das musste allerdings auch mit dem Dezernatsleiter für Fortbildung kommuniziert werden, denn Fortbildung ist ja eigentlich seine Sache; wir haben das alles geregelt und mein Auftrag war klar umrissen und legitimiert.

Sie haben sich einmal als "Stifter von Kooperationsbeziehungen bezeichnet".

Christoph Höfer: Ja, so verstehe ich mich. Ich wusste, dass es in jeder Bildungsregion zwischen den für Fortbildung engagierten Institutionen bis dahin eher zufällige Kooperationsformen gab, mehr personengestützt als systematisch und abgesichert. Deshalb wollte ich im Dialog mit den Beteiligten, zum Beispiel mit Bildungsbüro und Kompetenzteam, eine Systematik erproben, die der Frage folgt: Wie schaffen wir in der Bildungsregion eine Kooperation, bei der niemand verliert und die Sache gewinnt? Dafür habe ich ein kleines Instrument entwickelt, mit dem die Kooperationspartner ihre jeweilige Verantwortung gemeinsam klären. Inzwischen bieten alle sieben Regionen in OWL Vielfalt fördern an und ich sorge gemeinsam mit dem Fortbildungsdezernat dafür, dass ein fruchtbarer Austausch zwischen allen Regionen stattfinden kann. Es gibt Runden, in denen wir die Leitungen ansprechen, und solche, die sich nur an die Moderatoren richten – die jeweiligen Themen für die Sitzungen kommen immer aus den Runden selbst.

Ich würde gern noch mal einen Schritt zurückgehen und das Stichwort Kooperation ansprechen: Die Zuständigkeiten für Schule sind in NRW von außen nicht leicht zu durchschauen. Da gibt es die Bezirksregierung als obere Schulaufsichtsbehörde mit verschiedenen Dezernaten, das staatliche Schulamt mit verschiedenen Verantwortungsebenen in der Kommune; es gibt deren Leitungen, Schulräte; es gibt die Bildungsbüros und Kompetenzteams.

Christoph Höfer: (lacht) Das ist Vielfalt par excellence. Für mich war immer klar: Die strategisch Verantwortlichen in der Region müssen den Prozess von Vielfalt fördern tragen, müssen ihn entscheiden und legitimieren; das ist hier zum einen die Leitung des Kompetenzteams und Schulrätin im Schulamt und zum anderen die Leitung des Bildungsbüros, i.d.R. eine kommunale Mitarbeiterin. Das Bildungsbüro ist z. B. dem Schulverwaltungsamt zugeordnet und Nachbar von Schulberatungsstelle, Medienzentrum und allem, was kommunale Koordinierung betrifft; im staatlichen Schulamt sind die Schulrätinnen und Schulräte verortet. Aber ich will nicht zu weit ausholen … Im Prinzip läuft die Verständigung über die Leitungen der Kompetenzteams und der Bildungsbüros und daran beteiligt bin nicht nur ich als Koordinator für Vielfalt fördern, sondern natürlich auch das Fortbildungsdezernat der Bezirksregierung. Wir gehen alle gemeinsam ins Gespräch und halten Vereinbarungen und Rollenklärungen auch schriftlich fest, in Form von Kontrakten.

In der Bezirksregierung Detmold sind für Vielfalt fördern alle sieben Regionen dabei. Start war in Gütersloh, dann kam Bielefeld. Was waren die wichtigen Herausforderungen, wenn wir noch einmal auf Ihren systemischen Ansatz zu sprechen kommen?

Christoph Höfer: Meine erste Sorge unter Kommunikations- und Beteiligungsgesichtspunkten war, dass alle Regionen die gleichen Zugangschancen zum Programm Vielfalt fördern erhielten. Wir haben die erwähnten sieben Gebietskörperschaften, sechs Kreise und eine Stadt. Mit meiner Legitimation konnte ich alle Leitungen der Bildungsbüros und alle Kompetenzteam- Leitungen einladen mitzumachen. Ich habe ihnen, bevor die erste Region klar war, erläutert und bewertend eingeschätzt, was auf sie zukommt, und habe zugesagt, dass ich alles dafür tun würde, jeder Region einen Zugang zu verschaffen, wenn er gewollt ist – aber nur im Konsens, nur gemeinsam, nur dialogisch. Das war mein Credo im gesamten Projekt. Damit erhielten die Regionen die Aufgabe, sich zusammenzusetzen und zu überlegen: Interessiert uns das? Interessiert das alle gleichermaßen oder nicht? Diese Frage galt vor allem der Verständigung von Bildungsbüros und Kompetenzteams. Es hätte ja sein können, dass es nur den einen Kooperationspartner interessiert, die anderen nicht – war aber nicht so.

Aus Gründen der Kapazität hätten aber nicht alle Regionen gleichzeitig mit Vielfalt fördern starten können.

Christoph Höfer: Klar, deshalb ging es danach um die Frage, in welcher Reihenfolge die Regionen starten. Die haben dann zum Beispiel gemeinsam überlegt: Wer schafft die Vorbereitungen, zum Beispiel Stunden für Moderatoren freizuschaufeln, in dem vorgegebenen Zeitrahmen? Wer braucht länger und startet erst in der zweiten Welle oder in der dritten oder vierten? Dabei ist eine Liste entstanden, die ich versucht habe exakt so umzusetzen. Das klappte, weil zum Beispiel in der dritten Welle direkt drei Regionen aus OWL teilnehmen konnten; war auch kein großes Problem, weil andere Regionen in anderen Landesteilen nicht so agil waren.

Sie wollten also den Prozess transparent gestalten und allen Beteiligten Handlungssicherheit bieten?

Christoph Höfer: So ist es. Und das heißt: transparent kommunizieren, Entscheidungen immer gemeinsam und im Konsens treffen. Das ist auch für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wichtig: Wenn ich die Leitungen nicht gewinnen kann, dann kann ich von denen nicht erwarten, dass die ihren davon betroffenen Mitarbeitern gegenüber eine klare Aussage treffen. Nicht eine Ansage, sondern einfach eine Aussage: "Wir, die Leitungen, haben beschlossen, dass wir hier jetzt kooperieren und dass wir dem eine Form geben." So erhalten die Mitarbeiter Orientierung.

Machen da denn alle mit? Damit Verbindlichkeiten entstehen, braucht es doch mehr als die Zustimmung der Chefs.

Christoph Höfer: Es braucht die Überzeugung der Chefs und eine Klärung in Kompetenzteam und Bildungsbüro darüber, wie Verantwortlichkeiten verteilt werden. Diese Klärung muss transparent und verbindlich sein in dem Sinne, dass sie nachgehalten wird – auch das muss von vornherein kommuniziert werden. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Die Region Gütersloh war die erste Region in OWL, die ihren Schulen Vielfalt fördern angeboten hat. Kompetenzteam und Bildungsbüro hatten hier keine sichere Tradition der Zusammenarbeit; Gleiches galt für viele Regionen in NRW. Deshalb musste geklärt werden: Wer macht was und wie informiert man sich? Dafür gab es eine Verantwortungsmatrix, die die Beteiligten gemeinsam befüllt haben. Das war ein Prozess. Klingt erst einmal bürokratisch – und ist für viele sicher zunächst gewöhnungsbedürftig. Aber es hilft, die Prozesse gut und transparent aufzusetzen. Letztlich war das Ganze aber dadurch gewinnbringend, die Beteiligten nutzen die Verantwortungsmatrix inzwischen auch in anderen Kontexten. Dadurch, dass die Leitungen und ich tatsächlich nachhaken, ob verabredete Schritte auch tatsächlich umgesetzt werden, entsteht ein hoher Grad an Verbindlichkeit.

Bei allem Engagement, das Sie zeigen und eingebracht haben und wovon die Einzelschulen ja auch enorm profitiert haben: Teilweise agieren Sie selbst weiterhin als obere Schulaufsicht, arbeiten ja auch mit anderen zuständigen Schulaufsichten zusammen. Und mit Aufsicht verbinden viele Menschen vor allem Kontrolle.

Christoph Höfer: Die Sorge, kontrolliert zu werden, hat sich in der Kooperation mit der Leitungsebene nicht gestellt. Meine Idee war immer, das Potenzial einer Schulaufsicht mit ihrer Kompetenz nutzbar zu machen, aber nicht hierarchisch orientiert – also nicht in der Vorgesetztenfunktion, sondern in einer horizontalen Funktion. Vorbehalte hatten zunächst eher die Einzelschulen, als wir uns, immer auch mit der zuständigen Schulaufsicht, zu Schulbesuchen anmeldeten. Wir haben das zunächst in Gütersloh ausprobiert; da habe ich ein Konzept vorgeschlagen, in Absprache mit allen am Schulbesuch Beteiligten angepasst, mit Feedbackrunde in der Schule nach jedem Besuch. Und da habe ich gemerkt, dass Schulbesuche anfangs doch noch sehr ungewohnt waren. Die Lehrerinnen und Lehrer waren es gewohnt, dass der Schulträger nur kommt, wenn das Dach undicht ist oder die Toilettensituation unerträglich; und wenn die Schulaufsicht kommt, hat sie eine Ansage mit im Gepäck, vielleicht auch eine weniger angenehme.

Und Ihre ganze Gruppe wollte dann nur wissen, wie die einzelne Schule mit Vielfalt fördern zurechtkam?

Christoph Höfer: Ja, uns ging es um Dialog. Da kamen wir also meistens zu viert oder zu fünft – Schulträgervertreter, Bildungsbüro-Leitung, Kompetenzteam-Leitung, zuständige Schulaufsicht und ich – in die Schule und wollten von der Steuergruppe und der Schulleitung wissen: "Wie weit sind Sie in der Umsetzung, zum Beispiel mit Modul 1? Was gelingt Ihnen schon? Was brauchen Sie noch? Was gelingt noch nicht? Was planen Sie gerade? Wie läuft es mit Ihrer Steuergruppe und mit der Steuergruppenqualifizierung? Wie können wir Sie unterstützen?" Die Lehrkräfte haben in der ersten Feedbackrunde in fast allen Schulen formuliert: "Wir haben nicht geglaubt, dass das ein Dialog wird. Wir hatten die Befürchtung, wir werden kontrolliert." Wörtlich wurde das so gesagt. Und auch: "Wir haben erlebt, dass uns zugehört wird, dass wir ernst genommen werden und dass Sie auch Sachen mitnehmen, die uns vielleicht noch besser helfen könnten."

Wer hat die Schulbesuche vorbereitet?

Christoph Höfer: Die inhaltliche Vorbereitung für die Besuche liegt bei der Schule. Das heißt, sie hat die Verantwortung zu überlegen: Was machen wir genau? Präsentieren wir mit Powerpoint? Halten wir einen Vortrag? Zeigen wir Materialien? Auch die Gesprächsführung liegt bei der Schule, was manchen Schulleitern übrigens zunächst gar nicht so recht war. Wir geben als Besucher Tipps und Empfehlungen und fragen bei einem Folgebesuch nach, was ihnen weitergeholfen hat und was nicht. Das hat sich absolut bewährt. Es gibt übrigens einen interessanten vorher nicht so explizit intendierten Effekt: Die zuständige Schulaufsicht bekommt hautnah mit, wie ihre Schule sich durch die Fortbildung entwickelt. Indem sie dazu Rückmeldung an ihre Schule gibt, steigerte sich auch die Wertschätzung für das Projekt Vielfalt fördern.

Und wenn es an einer Schule mal gehakt hat, wie ging man damit um?

Christoph Höfer: Dass es mal hakt, gehört zum Prozess. Manchmal haben wir von den Moderatoren von Schwierigkeiten erfahren, manchmal ist so etwas auch im Schulbesuch von einer Schule selbst thematisiert worden. Da gibt es die unterschiedlichsten Wege. Interessant ist: Bei manchen Schulen hat eine Projektion der eigenen Probleme auf die Moderatoren stattgefunden, insbesondere dann, wenn die Schule die Haltung vertreten hat: "Schauen wir mal, was die Moderatoren bzw. die Fortbildung uns zu bieten haben." Dabei können die Moderatoren nur verlieren. Hier muss eine Klärung in der Schule stattfinden, die durch einen Schulbesuch, durch ein Gespräch mit der Schulaufsicht oder der Kompetenzteamleitung initiiert sein kann, manchmal auch mit Schulentwicklungsberatern. Die Klärung dient dazu, dass die Schule eigene Ziele formuliert und in eine aktive Rolle kommt, auch im Dialog mit den Moderatoren: Sie muss sich selbst als Gestalter begreifen und im Rahmen des Möglichen mit den Moderatoren in Aushandlungsprozesse gehen – und zwar vertreten durch die Steuergruppe.

Ganz schön anstrengend für die Schulen.

Christoph Höfer: Muss aber sein – sonst verpufft alles, was durch die Fortbildung initiiert werden soll! Also schon anstrengend, aber eben auch lohnend. Die Schulaufsicht muss von Anfang an in diesen Prozess einbezogen sein, nur so kann auch sie Nachhaltigkeit unterstützen.

Wenn Sie beschreiben, dass Schulaufsicht im Rahmen von Vielfalt fördern weniger als Kontrolle und mehr als Unterstützung wahrgenommen wird, dann klingt das nach genau dem Paradigmenwechsel, der in Fachkreisen schon lange in der Diskussion und im Gange ist.

Christoph Höfer: Unbedingt. Fakt ist, dass die Schulaufsicht, die heute akzeptiert sein will, ihre Kompetenz auch deutlich machen muss, und zwar nicht nur ihre formale, sondern auch die inhaltliche, genau wie die Kompetenz für Prozesse und deren Steuerung. Wenn mir zum Beispiel 15 Schulen sagen: "Ich habe ein Problem. Haben Sie eine Lösung?", dann bestärke ich sie auch inhaltlich darin, ihre ganz eigene Lösung zu suchen. Das sind unter Umständen 15 verschiedene. Wenn sie dann immer noch unsicher sind, rate ich ihnen, sich für die Lösung die Rückendeckung ihrer zuständigen Schulaufsicht zu holen. Dieses Verfahren klappt fast immer gut. Ich werbe einfach dafür, möglichst ideenreich mit Problemen umzugehen und die Expertise Externer, z. B. von Schulentwicklungsbegleitern, dazuzuholen.