Zwei Frauen stehen vor einer Glaswand und sprechen miteinander
Symbolbild – © Veit Mette

Bildungsregion Hochsauerlandkreis: Die Rolle der Co-Leitungen

Gespräch mit Lis Eissing, Co-Leiterin im Kompetenzteam Hochsauerlandkreis, Moderatorin im Programm Vielfalt fördern

Gesprächsführung: Inge Michels und Angela Müncher

Der Hochsauerlandkreis war als zweiter Kreis beim Programm Vielfalt fördern dabei. Inwiefern profitiert er von diesem Fortbildungsangebot?

Lis Eissing: Ich habe das Angebot als etwas empfunden, was für die Unterrichtsentwicklung in unserer Schullandschaft dringend notwendig war – nicht nur für die Entwicklung der Schule, sondern für die Entwicklung der Personen, um die es in Schule geht. Also für die Lehrer und Lehrerinnen und vor allem für die Schüler und Schülerinnen. Ich bin wirklich der Überzeugung, dass bei dem Fortbildungs-Dreiklang Unterrichtsentwicklung, Organisationsentwicklung und Personalentwicklung die Unterrichtsentwicklung das führende Moment ist. Ich sehe die Elemente nicht gleichberechtigt, denn wenn ich aus der Perspektive "Was kommt beim Schüler an?" gucke, muss ich mit der Unterrichtsentwicklung anfangen. Dass sich daraus durchaus Fragen für Personalentwicklung und für Organisationsentwicklung ergeben, ist klar und hat sich ja bei Vielfalt fördern ganz deutlich zum Beispiel im Baustein Teamentwicklung gezeigt.

Sie sprechen die Ruth-Cohn-Schule an, wo aus einer Unterrichtsentwicklung heraus der Bedarf an Schulentwicklungsberatung entstanden ist.

Lis Eissing: Ja, das war in dem Moment für die Schule genau richtig. Diese Zusammenhänge und Vernetzungsmöglichkeiten im Kopf zu haben und in engem Kontakt mit den Moderatoren zu klären – das ist für mich eine der wichtigen Aufgaben von Co-Leitung. Wir müssen fragen: An welcher Stelle ist eigentlich die Grenze der Moderatoren von Vielfalt fördern erreicht? Wo müssen andere Kompetenzen hinzugenommen werden? Für mich ist eine wichtige Aufgabe von Schulentwicklungsberatern zum Beispiel aufzuzeigen, wie durch eine sehr gute Lehrer- Konferenzkultur diese Treffen absolut minimiert werden können. Dann bleibt Zeit für effektive Arbeit in den Teams. Schulentwicklungsberater verdeutlichen auch, dass eine gute Konferenzkultur unabdingbar von einer guten Kommunikationsstruktur abhängt. Das ist so eine wichtige Sache! Und wenn das klappt, ist Vielfalt fördern total richtig platziert.

Die Kompetenzteams als regionale Fortbildungsteams sind in Nordrhein-Westfalen die Fortbildungsträger in den Schulämtern. Für die Beratung der einzelnen Schule hinsichtlich ihres Fortbildungsbedarfes und die Vermittlung von Fortbildung ist vor allem die Co-Leitung im Kompetenzteam zuständig. Das heißt, Sie sind auch an den Schulen nah dran, die im Programm Vielfalt fördern mitmachen.

Lis Eissing: Das stimmt. Die Ebene der Co-Leitungen wurde vor einigen Jahren eingezogen, weil die Leitungen der Kompetenzteams ihre Funktion zusätzlich oder als einen Teil ihrer Gesamtaufgabe als schulfachliche Aufsicht ausfüllen. Die Co-Leitungen arbeiten deshalb vor allem im operativen Rahmen, während die Letztverantwortung für das Kompetenzteam natürlich bei der Leitung bleibt. Die Co-Leitungen spielen aber auch deshalb eine größere Rolle, weil bei Fortbildungen die Regionalisierung und Vernetzung wichtig ist – gerade bei einem so großen Flächenkreis wie dem Hochsauerlandkreis.

Wie ist es Ihnen als Co-Leitung gelungen, so nah am Geschehen zu bleiben?

Lis Eissing: Ich habe mit meinen sechs Moderatoren engen Kontakt gehalten und bin am Anfang, wo es mir möglich war, auch mit in die ersten Moderationen gegangen. Außerdem habe ich die Orientierungsworkshops begleitet und versucht, die Schulen ein wenig besser kennenzulernen. Aus meiner früheren Arbeit als Trainerin und Moderatorin in der systemischen Unterrichtsentwicklung habe ich lange Prozessbegleitungserfahrung. Deshalb konnte ich weniger erfahrene Kolleginnen am Anfang entlasten. Ein- oder zweimal habe ich mitmoderiert. Aber jetzt bin ich so was von entspannt … (lacht). Die Kolleginnen sind richtig gut und tragen auch den Vernetzungsgedanken mit.

Es gab auch Schulen, die sind aus dem Projekt wieder ausgestiegen. Welche Rolle haben Sie als Co- Leitung bei solchen Krisengesprächen gespielt?

Lis Eissing: Wenn es um die Frage "Ausstieg aus dem Programm oder nicht" geht, dann ist das keine Aufgabe für die Moderatoren. Es ist deshalb kein Krisengespräch gelaufen, ohne dass ich verantwortlich mit dabei war. Mir geht es dabei zum einen darum, dass alle Beteiligten unbeschadet aus der Situation herauskommen und wir eine Win-win-Situation erreichen. Das ist ein wichtiger Punkt. Zum anderen geht es mir um den Schutz meiner Moderatoren. Und mir geht es darum, dass Alternativen gefunden werden, denn der Hintergrund für solche Abbrüche liegt in der Regel in Problemen, für die Lösungen gefunden werden müssen. Das ist dann ein weiterer Auftrag für mich. Eine wichtige Rolle spielt bei den Gesprächen auch – und da bin ich sehr gut begleitet worden – die schulfachliche Aufsicht.

Welche Gründe führten beispielsweise zu einem Abbruch des Programms bzw. wo identifizieren Sie Stolpersteine?

Lis Eissing: Es gibt zum Beispiel Kollegien und Schulleitungen, denen einfach nicht klar war, was es bedeutet, sich für eine so langfristige Maßnahme, die wirklich in den konkreten Alltag der Schule eingreift, zu verpflichten. Dann gibt es solche, die auf einmal ohne Schulleitung dastehen. Da war nicht sicher, ob und wann eine neue Leitung kommt und ob diese das Programm mitträgt. Und es kann auch sehr gut sein, dass eine Schulleitung – und hier sehe ich die Notwendigkeit einer Erweiterung der Vorgespräche, bevor man überhaupt mit dem Programm startet – sich besten Wissens und Gewissens für Vielfalt fördern einsetzt, aber nicht für sich geklärt hat, was das für ihre Rolle und ihre Aufgaben bedeutet. Schulleitung muss den Teams zum Beispiel Freiräume, auch reale Räume mit guten Arbeitsbedingungen geben. Sonst scheitert zum Beispiel die Organisation der Teamstrukturen, die wiederum für den Erfolg des Programms grundlegend ist.

Gibt es eigentlich im Hochsauerlandkreis ein Treffen aller Moderatoren, die bei Vielfalt fördern involviert sind, damit sie sich austauschen und von den jeweiligen Erfahrungen der anderen profitieren können?

Lis Eissing: Ja. Meine frühere Fachleitung an der Bezirksregierung und ich hatten die Idee, für alle, die im Regierungsbezirk Arnsberg im Programm arbeiten, eine "AG Vielfalt" einzurichten. Zusammen hatten wir Treffen organisiert und ihnen eine bestimmte Form gegeben: Vormittags traf sich die Fachleitung mit den Co-Leitungen und wir besprachen bestimmte Dinge, unter anderem Kommunikationsverläufe. Nachmittags kamen die Moderatoren dazu und es entwickelte sich eine Art Frage-und-Antwort-Training, damit alle Moderatoren, vor allem die neuen, auf den gleichen Stand gebracht wurden. Dann hat die Zuständigkeit in der Bezirksregierung gewechselt, aber die Tradition wurde aufgenommen. Wir haben jetzt in Schwerte ein erstes gemeinsames Treffen gehabt.

Wie erfahren denn andere Moderatoren-Kolleginnen und Kollegen im Kompetenzteam von Vielfalt fördern, also auch die, die nicht im Programm mitarbeiten? Gibt es eine Art Vernetzung?

Lis Eissing: Normalerweise mache ich, seit ich die Co-Leitung übernommen habe, zweimal im Jahr eine Vollversammlung mit allen Moderatoren des Kompetenzteams, die aus allen möglichen Programmen kommen; das sind zurzeit 40 Moderatoren. Auf diesen Tagungen wird Neues aus dem Ministerium berichtet, Neues aus der Bezirksregierung und den Kompetenzteams. Aber wir tauschen uns auch gezielt über Themen aus, die alle acht Programme, die zurzeit angeboten werden, miteinander verbinden. Das ist ja ein alter Traum von mir: dass wir die Programme verknüpfen und zu einem abgestimmten Fortbildungskonzept der Lehrerfortbildung kommen. Aus meiner Sicht ist Fortbildung für Lehrerinnen und Lehrer wirklich nur wirksam, wenn sie nachhaltig und langfristig angelegt ist und die Inhalte der Programme sich aufeinander beziehen. Das fände ich unheimlich gut.

Eine letzte Frage, die sich auf den Abschluss des Projektes bezieht. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass der Start des Projektes begleitungsintensiv ist und dass es zwischendurch immer mal wieder haken kann. Gibt es auch eine Art begleitete Schlussphase, wenn eine Schule kurz davor steht, die Fortbildung abzuschließen?

Lis Eissing: Wir besprechen mit den Schulen, ob sie am Ende eine Pause, besser gesagt eine Umsetzungsphase von etwa einem halben Jahr einlegen möchten. Das entscheidet aber jede Schule für sich. Es geht dann darum, noch einmal genau hinzuschauen: Was braucht die Schule jetzt? Braucht sie noch ein halbes Jahr, um sich zu verstetigen? Gibt es besondere Wünsche bestimmter Fachschaften, um etwas zu intensivieren? Sollen wir Fachmoderatoren hinzuziehen? Ist die Steuergruppe vielleicht im Moment in einer Unsicherheitsphase und braucht noch mal Unterstützung? Das schauen wir uns noch einmal an und dann findet ein runder Tisch statt, an dem die Co-Leitung teilnimmt, Steuergruppe und Schulleitung, eventuell auch die schulfachliche Aufsicht, die Fachleitung des Dez. 46 der Bezirksregierung. Dieser runde Tisch entwickelt, orientiert an den Bedarfen des Kollegiums, weitere Fortbildungsschritte.