Grüne Industriegebäude

Wohlstand erhalten: mit dem interaktiven Entkopplungsrechner Transformationspfade in eine klimaneutrale Zukunft aufzeigen

Damit Deutschland das Ziel der Klimaneutralität erreicht, müssen die Treibhausgasemissionen signifikant und schnell gesenkt werden. Um gleichzeitig unseren Wohlstand zu erhalten, muss die Wirtschaftsleistung deutlich stärker als bisher von der Emissionsentwicklung entkoppelt werden: die Emissionsintensität muss drastisch sinken. Ist das realistisch? Und wie umfangreich muss die Entkopplung sein, um weiterhin Wirtschaftswachstum zu ermöglichen? Unser neues, interaktives Online-Tool, der Entkopplungsrechner, zeigt, in welchem Umfang die Emissionsintensität in verschiedenen Transformationsszenarien sinken muss und vergleicht, ob und wie dies mit Deutschlands bisherigem Kurs vereinbar ist.

Ansprechpartner

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Fritz Putzhammer
Project Manager
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Dr. Marcus Wortmann
Senior Expert

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Der Entkopplungsrechner: Transformationspfade in eine klimaneutrale Zukunft

In unserem kürzlich erschienenen Focus Paper „Wachstum oder Schrumpfung in der sozial-ökologischen Transformation: Eine Frage der Entkopplung“ beschäftigen wir uns mit den möglichen Transformationspfaden, die Deutschland ab dem Jahr 2022 einschlagen kann, um das Ziel der Klimaneutralität im eigenen Land zu erreichen. Wenn wir beim Erreichen dieses Ziels auch zukünftig einen angemessenen Wohlstand in unserer Nachhaltigen Sozialen Marktwirtschaft garantieren wollen, spielt hierbei insbesondere der Begriff der Entkopplung eine entscheidende Rolle. Kurz gesagt: Deutschland muss es schaffen, den Ressourcenverbrauch sowie den Ausstoß von Treibhausgasemissionen von dem Erhalt oder Wachstum des eigenen Bruttoinlandproduktes (BIP) zu entkoppeln und das in einem signifikant höheren Tempo, als dies bisher der Fall gewesen ist. Wie BIP-Wachstum und Entkopplungsgrad zusammenhängen, kann in einer Reihe möglicher Transformationspfade Deutschlands veranschaulicht werden. Hier geht es zum Entkopplungsrechner, der es den Nutzer:innen ermöglicht, solch mögliche Transformationspfade Deutschlands eigenständig zu berechnen und graphisch abzubilden.

Wie funktioniert der Entkopplungsrechner?

Die grundsätzliche Bedeutung der Entkopplung lässt sich am Beispiel der Treibhausgasemissionen erläutern. Die Höhe der Emissionen, die in Deutschland in einem Jahr verursacht werden, hängt von zwei Größen ab: Der Menge der hergestellten Waren und Dienstleistungen (also dem Bruttoinlandsprodukt, kurz BIP) und der Emissionsintensität (siehe Abbildung 1).

Sie gibt an, wie viele Tonnen Treibhausgasemissionen bei der Produktion einer BIP-Einheit, also zum Beispiel Waren und Dienstleistungen im Wert von einer Milliarde Euro, anfallen. Aus diesen Zusammenhängen lässt sich ableiten, ob das Erreichen bestimmter Klimaschutzziele noch ein BIP-Wachstum erlaubt oder ob die Wirtschaft eines Landes dafür schrumpfen müsste.

Der Entkopplungsrechner verdeutlicht diese fundamentalen Abhängigkeiten spielend. Nach dem Auswählen eines gewünschten Zieljahres für das Erreichen der Klimaneutralität in Deutschland können Nutzer:innen über zwei Schieberegler den gewünschten Entkopplungsgrad oder das angestrebte BIP-Wachstum anpassen (siehe Abbildung 2). Der Rechner erarbeitet automatisch die daraus resultierende Abhängigkeit und visualisiert die Ergebnisse als einen möglichen Transformationspfad Deutschlands (siehe Abbildung 3).

Neben den errechneten Verläufen für das Bruttoinlandsprodukt und die Treibhausgasemissionsintensität, weist das Tool auch den Verlauf des jährlichen Treibhausgasvolumens in Deutschland aus und kalkuliert, wie viel Emissionen Deutschland bis zum Erreichen des gewählten Klimaziels insgesamt noch ausstoßen würde. Anschließend wird das berechnete Gesamtemissionsvolumen verglichen, mit dem von der IPCC und dem Sachverständigenrat für Umweltfragen prognostizierten, „Emissionsrestbudget“, welches Deutschland noch zustehen würde, möchte es seinen angemessenen und fairen Beitrag zur Begrenzung der globalen Erderwärmung auf nicht mehr als 1,5 Grad Celsius beitragen.

Was zeigt uns der Entkopplungsrechner?

Eine Sache wird beim Spiel mit den Zahlen des Entkopplungsrechner schnell klar: die Herausforderungen für Deutschland sind massiv. Nehmen wir das erklärte Ziel der Bundesregierung, Deutschland bis zum Jahr 2045 klimaneutral zu machen: Möchten wir dieses Ziel erreichen und gleichzeitig unser gewohntes Wirtschaftswachstum (im Schnitt ca. 1,25% jährlich seit 1991) beibehalten, zeigt uns der Rechner, dass die Emissionsintensivität über die nächsten Jahre im Schnitt um 11,3% jedes Jahr reduziert werden müsste. Ein gewaltiger Unterschied zu den knapp 2,8% jährlicher Reduktion der vergangenen Jahre. Verändern wir den Ansatz und möchten die gewohnte Entkopplungsgeschwindigkeit mit einem jährlichen Entkopplungsgrad von -2,84% beibehalten, kalkuliert der Rechner, dass für das Erreichen des gesetzten Klimaziels eine jährliche Schrumpfung des Bruttoinlandprodukts um 7,6% notwendig wäre.

Was bedeutet das für Deutschlands Wirtschaft und Gesellschaft?

Ein Schrumpfen der Wirtschaftsleistung wäre kontraproduktiv, denn dies hätte auch negative Auswirkungen auf den immateriellen Lebensstandard jedes einzelnen, etwa in den Bereichen Gesundheit und Bildung, und auf die Möglichkeiten, eine faire Verteilung des Wohlstands erreichen zu können. Letztlich könnte dies auch die Bereitschaft zu und die Akzeptanz von Klimaschutz in Deutschland schmälern. Eine schnelle und signifikante Steigerung des Entkopplungsgrads wird somit zum Imperativ.

Im Bereich technologischer Innovationen bieten sich hierfür Maßnahmen zur Steigerung der Ressourcen- und Energieeffizienz an. Sie haben zur Folge, dass eine bestimmte Menge von Waren und Dienstleistungen mit einem geringeren Einsatz natürlicher Rohstoffe hergestellt werden kann. Das kann dann auch den Ausstoß von Treibhausgasen reduzieren. In diesem Kontext ist z. B. an die Intensivierung der Digitalisierung zu denken.

Doch um die Mammutaufgabe der Entkopplung bewältigen zu können, werden technologische Fortschritte allein kaum reichen. Es sind auch strukturelle Innovationen wie das Etablieren einer Circular Economy mit kräftigen Investitionen in diesem Bereich sowie das stärkere Teilen anstelle des Besitzens von Gütern nötig. All dies setzt letztlich ein breiteres Verständnis von Wohlstand voraus, dass neben ökonomischen auch ökologische und soziale Dimensionen erfasst.

…und für die Politik?

Damit diese Transformation gelingt, und Deutschland sich nicht nur als glaubwürdiger Vorreiter beim Klimaschutz, sondern auch als wirtschaftlicher Profiteur erweisen kann, ist die Wirtschaftspolitik gefragt. Zentrales Instrument sollte die strikte Begrenzung von Emissionen durch ein System des Emissionshandels sein, mit dem die Obergrenze der Emissionen festgeschrieben wird. So können Investitions- und Konsumentscheidungen aller Wirtschaftsakteure zugunsten klimafreundlicher Aktivitäten effizient beeinflusst werden. Der entsprechend hohe CO2-Preis, der sich aus einem solchen System ergibt, sollte allerdings unbedingt durch geeignete Begleitmaßnahmen sozial- und industriepolitisch sowie außenwirtschaftlich flankiert werden, um ein Abwandern der heimischen Industrie zu vermeiden und eine faire Lastenverteilung in der Transformation sicherzustellen. Zu denken ist hier etwa an eine sozialverträgliche Rückverteilung und Nutzung der aus der CO2-Bepreisung entstehenden Staatseinnahmen oder das Einführen des geplanten europäischen CO2-Grenzausgleichs in Kombination mit Klimaschutzverträgen.

Machen Sie sich selbst ein Bild

Mit dem Entkopplungsrechner wollen wir auf die massive Herausforderung aufmerksam machen, die eine erfolgreiche Entkopplung der deutschen Wirtschaftsleistung vom Treibhausgasemissionslevel mit sich bringt. Um sich selbst ein Bild dieser Herausforderungen zu machen, laden wir Sie dazu ein den Rechner selbst auszuprobieren und mit den möglichen Transformationspfaden Deutschlands zu experimentieren. Finden können Sie den Entkopplungsrechner hier.