Viele Straßenschilder verwirren

Subventionspolitik: Wie Definitionsprobleme die ökologische Transformation behindern

Immer wieder aufs Neue streitet die Bundesregierung um Geld. Aber während es ihr zunehmend schwerfällt, einen Kompromiss zu finden zwischen dem zumindest formalen Einhalten der Schuldenbremse und der Bewältigung der enormen Investitions- und Finanzbedarfe in (fast) allen Politikfeldern, bleibt ein Bereich der Finanzpolitik weitgehend unangetastet: Die umwelt- und klimaschädlichen Subventionen, in Summe mindestens 65 Milliarden Euro pro Jahr.

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Sara Holzmann
Project Manager
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Dr. Marcus Wortmann
Senior Expert

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Der Abbau “überflüssiger, unwirksamer und klima- und umweltschädlicher“ Subventionen ist ein Teil des Koalitionsvertrags. Doch die Vorzeichen für die Umsetzung stehen aus vielerlei Gründen denkbar schlecht. Unser neues Focus Paper, das vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) erstellt wurde, zeigt, dass die Frage, was überhaupt eine Subvention ist, von verschiedenen Akteur:innen ganz unterschiedlich beantwortet wird. Und auch bei der Frage, was genau unter den Adjektiven zu verstehen ist, gibt es innerhalb der Ampelkoalition noch immer kein gemeinsames Verständnis.

Durcheinander um den Subventionsbegriff

Fragt man das Umweltbundesamt (UBA), so gewährte der deutsche Staat 2018 41 Subventionen in Form von Finanzhilfen und Steuererleichterungen, die den Einsatz fossiler Energieträger begünstigen und somit eine effektive Klimaschutzpolitik untergraben. Ihr Gesamtvolumen ist gewaltig: Mit einer Summe von mindestens 65 Milliarden Euro jährlich entspricht es dem Umfang des dritten Entlastungspakets der Bundesregierung in der Energiekrise.

Blickt man stattdessen in den Subventionsbericht der Bundesregierung, tauchen nur 14 der 35 Steuergutschriften, die das Umweltbundesamt als „umweltschädlich“ deklariert, dort auf. 21 Tatbestände – darunter bekannte und kontrovers diskutierte wie das Dienstwagenprivileg (kostet jährlich 3,1 Milliarden Euro) oder das Dieselprivileg (jährlich 8,2 Milliarden Euro) – fallen laut dem Bericht des Bundesfinanzministeriums (BMF) also gar nicht unten den Begriff „Subvention“. Denn nach dem Subventionsverständnis des BMF gelten Regelungen, die zur Nichtberücksichtigung bestimmter Aktivitäten in der Besteuerung führen, nicht als Steuervergünstigung.

Umsetzungsdefizite bei subventionspolitischen Leitlinien

Diese beträchtlichen Abweichungen im Subventionsverständnis führen auch dazu, dass die subventionspolitischen Leitlinien der Bundesregierung für gewisse Regelungen mit Subventionscharakter keine Anwendung finden. Für eine nicht unerhebliche Menge an umweltschädlichen Subventionen nach UBA-Verständnis findet damit auch keine Nachhaltigkeitsprüfung statt, die gemäß den subventionspolitischen Leitlinien notwendig wäre. Auch unterliegen diese Regelungen keinem kontinuierlichen Monitoring im Hinblick auf ihre Wirksamkeit und Notwendigkeit. Bei vielen weiteren Subventionen, auch bei solchen nach BMF-Definition, werden die eigenen subventionspolitischen Leitlinien der Regierung weitgehend missachtet, was auch der Bundesrechnungshof in der Vergangenheit bereits mehrfach anmahnte.

Reformagenda für bestehende und Leitlinien für neue Subventionen

All das ist problematisch, denn unsere Studie zeigt, dass viele der ursprünglichen Begründungen für die bestehenden Subventionen heutzutage nicht mehr tragen. So beim Dieselprivileg, das vor allem den Nutzer:innen von Diesel-Pkw zugutekommt, nachdem es zu Beginn der 1990er Jahre damit begründet wurde, den Straßengüterverkehr vor internationaler Konkurrenz zu schützen. Die Expert:innen des FÖS argumentieren, dass einige der immer wieder kontrovers diskutierten Subventionen sich durchaus und aus guten Gründen einordnen lassen in die Schnittmenge aus überflüssig, umweltschädlich (und unwirksam) und somit die Richtung vorgeben könnten für eine Reformagenda der Bundesregierung (vgl. Abbildung).

Nicht zuletzt aufgrund des globalen Standortwettbewerbs braucht Deutschland für eine erfolgreiche Transformation nicht nur eine möglichst widerspruchfreie Subventionspolitik, sondern höchstwahrscheinlich auch einige neue staatliche Förderungen. Öffentliche Mittel müssen in Zukunft klimapositiv eingesetzt werden – auch wenn sie für andere Primärziele wie Technologieentwicklung oder Wettbewerbsfähigkeit geschaffen werden. Eine klare zeitliche Befristung, Gegenfinanzierung und fortlaufende Evaluation sollten bei neuen Subventionen selbstverständlich sein, so wie es die Subventionsleitlinien vorsehen. Die laufende Debatte um die Einführung eines Industriestrompreises mahnt erneut zu einer grundlegenden Neuaufstellung der deutschen Subventionspolitik.

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