Pressemitteilung, , Madrid/Gütersloh: Vier von fünf Spaniern sind religiös

Religion spielt aber im Alltag nur eine geringe Rolle - je jünger, umso weniger religiöse Prägung

Danach zählt Spanien zu den in Europa erhobenen Ländern, die sich weiterhin durch eine überdurchschnittliche religiöse Prägung auszeichnen. Vier von fünf Spaniern (79 Prozent) sind religiös, 27 Prozent werden sogar als hochreligiös eingestuft. Gegenüber den anderen, als besonders katholisch eingestuften Ländern wie Polen oder Italien haben Glaube und Religion aber einen deutlich niedrigeren Stellenwert. So sind etwa in Italien 44 Prozent hochreligiös, der Anteil der Nichtreligiösen liegt dort bei sieben Prozent. In Spanien liegt der Anteil der Nichtreligiösen mit 19 Prozent zweieinhalbfach so hoch.

Religion hat in Spanien seine besonderen Stützen in den Frauen und älteren Menschen. Von den Frauen ist jede Dritte hochreligiös (34 Prozent), bei den Männern ist es nur jeder Fünfte (20 Prozent). Deutliche Unterschiede zeigt auch der Vergleich zwischen den Altersgruppen. So ist bei den über 60-Jährigen jeder zweite hochreligiös (49 Prozent). Aber obwohl 92 Prozent der jungen Spanier angeben, religiös erzogen worden zu sein, liegt der Anteil der Hochreligiösen bei den unter 30-Jährigen lediglich noch bei elf Prozent. In dieser Gruppe ist auch der Anteil derjenigen, die sich nicht mehr zu einer Religionsgemeinschaft bekennen, mit 24 Prozent am höchsten. Bei den über 60-Jährigen liegt der Anteil bei gerade neun Prozent.

Wie sieht das Glaubensleben der Spanier genau aus? Religiosität ist zwar überall präsent, sie wird aber von vielen im Altag eher wie eine Hintergrundmusik unbewusst oder kaum wahrgenommen. In der öffentlichen religiösen Praxis ist Spanien heute quasi dreigeteilt. Für 34 Prozent ist der regelmäßige Kirchgang eine Selbstverständlichkeit und 31 Prozent zählen immerhin zu den unregelmäßigen Kirchgängern. 34 Prozent haben sich aber so weit von der Kirche entfernt, dass sie an Gottesdiensten nicht oder nur noch selten teilnehmen. Eine ähnliche Verteilung zeigt sich bei der Frage nach dem regelmäßigen Gebet. Etwa jeder Dritte Spanier gibt an, regelmäßig täglich zu beten, 37 Prozent beten eigentlich nie. Nur 15 Prozent der Befragten geben an, dass sie sich intensiver für religiöse Themen interessieren, 42 Prozent aber so gut wie gar nicht. Weitere 42 Prozent denken gelegentlich darüber nach. Etwa 36 Prozent glauben fest daran, dass es Gott oder etwas Göttliches gibt und dass das Leben nach dem Tode in irgendeiner Form weitergeht. Bei 27 Prozent mischen sich in dieser Frage Glaube und Zweifel. 33 Prozent können mit dieser Vorstellung nichts oder nur sehr wenig anfangen.

Auffallend ist auch eine starke Privatisierung der Religion. So gaben die Spanier bei dieser Befragung an, dass sich ihre Religiosität vor allem auf den Umgang mit wichtigen Lebensereignissen in der Familie wie Geburt, Heirat oder Tod auswirkt, darüber hinaus beim Umgang mit Lebenskrisen, der Erziehung der Kinder oder beim Umgang mit der Natur. Sehr geringen Einfluss besitzt die Religion dagegen auf die Einstellung zur Sexualität. 64 Prozent der Spanier gaben an, ihre Religiosität haben darauf wenig oder gar keinen Einfluss. Und noch weniger gilt dies für das Thema Politik. Hier sagen inzwischen 67 Prozent, sie ließen sich durch ihre Religiosität in ihrer politischen Einstellung nicht beeinflussen.

Dr. José Casanova, Professor für Religionssoziologie an der Georgetown University in Washington D.C., zieht folgendes Fazit aus der Studie: "Damit gibt es Hinweise, dass sich der drastische Säkularisierungsprozess der letzten Jahrzehnte verlangsamt hat. Ansonsten finden sich keine Anzeichen für die Ausbildung neuer Formen individueller Religiosität, die den Rückgang der traditionellen kirchlichen Religiosität ausgleichen könnten. Und es deutet auch wenig darauf hin, dass die Spanier Interesse an der Religion haben, über die sie nachdenken und sich mit ihr beschäftigen."

Dr. Martin Rieger, Director des Programmes "Geistige Orientierung" der Bertelsmann Stiftung, folgert daraus: "Religiosität ist in Spanien in allen Altersgruppen präsent. Die Intensität ist jedoch bei den jungen Spaniern signifikant niedriger ausgeprägt als beispielsweise in der Altersgruppe der über 60-Jährigen. Das zeigt sich etwa bei der Wahrnehmung öffentlicher Gottesdienste. Auffällig ist, dass sich in allen Altersgruppen weit über 90 Prozent als religiös erzogen beschreiben."

Über den Religionsmonitor:
Der Religionsmonitor ist ein neues, interdisziplinäres und interreligiöses Projekt der Bertelsmann Stiftung. Anhand von über 100 Befragungsitems wurden dazu 21.000 Personen in 21 Ländern befragt. Untersucht wurden insgesamt sechs Kerndimensionen von Religiosität und Glauben wie religiöse Überzeugungen, Alltagserfahrungen, öffentliche und private Praxis oder die allgemeine Alltagsrelevanz von Religion. Darüber hinaus werden die Ergebnisse in einem Zentralitätsindex verdichtet, die eine Zuordnung nach Hochreligiösen, Religiösen und Nichtreligiösen ermöglicht. Aus dem gewonnenen Datenmaterial können umfangreiche Befunde über die Bedeutung von Religiosität für die Individuen und ihre Lebensbereiche gewonnen und Aussagen über gesellschaftliche Dynamiken getroffen werden. Zudem enthalten die Ergebnisse wichtige Informationen über die verschiedenen Religionen.

Online-Religionsmonitor im Internet:
Die international durchgeführten Erhebungen finden eine fortlaufende Ergänzung im Internet. In der Online-Befragung, die jetzt auch in einer spanischen Fassung zur Verfügung steht, kann sich der User an der Umfrage beteiligen und sein individuelles Religiositätsprofil erstellen und mit dem Durchschnittswert in seinem Land vergleichen lassen. Eine neue Gruppenfunktion der Online-Umfrage richtet sich vor allem an Schulklassen, religiöse Gemeinschaften oder Hochschulseminare.