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Bertelsmann Stiftung

, Reinhard Mohn Preis 2013: Bhutan – Ein Leitbild für nachhaltige Entwicklung

Anlässlich der Verleihung des Reinhard Mohn Preises 2013 am 7. November hat die Bertelsmann Stiftung fünf Staaten identifiziert, die mit nachhaltiger Politik den Wandel in ihrem Inneren gestalten. In einer sechsteiligen Reihe stellen wir ab heute den Preisträger Kofi Annan vor und machen eine Reise durch besagte Länder. Wir starten in Bhutan, dem Land des Bruttoinlandsglücks.

Wir stehen vor großen Herausforderungen: globale Wirtschafts- und Finanzkrisen, demografische Ungleichgewichte, Veränderung des Klimas und Verknappung natürlicher Ressourcen. Der Wandel hin zu einer nachhaltigen Politik ist Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaften. Kurz: Nachhaltigkeit ist die große Herausforderung des 21. Jahrhunderts.

Doch wie kann das Ziel einer nachhaltigen und generationengerechten Entwicklung zur Richtschnur politischen Handelns gemacht werden? Dies ist die Frage, die sich die Bertelsmann Stiftung für den zweiten Reinhard Mohn Preis gestellt hat.

Am 7. November 2013 würdigt die Bertelsmann Stiftung den ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan mit dem Reinhard Mohn Preis 2013 "Erfolgreiche Strategien für eine nachhaltige Zukunft". Kofi Annan ist ein Vorkämpfer nachhaltiger Fortschrittsmodelle. Sein Engagement belegt, dass Nachhaltigkeit machbar ist und die globale Gemeinschaft etwas verändern kann.

Neben globalen Initiativen kommt es allerdings auch auf einzelne Staaten an. Im Rahmen des Reinhard Mohn Preises hat die Bertelsmann Stiftung eine weltweite Recherche durchgeführt und fünf Staaten und Regionen identifiziert, die zeigen, wie einzelne Länder es schaffen, den Wandel in ihrem Inneren zu gestalten. In einer sechsteiligen Reihe stellen wir den Preisträger Kofi Annan vor und machen eine Reise durch die Länder und Regionen Costa Rica, Finnland, Ghana, Tasmanien und beginnen in Bhutan.

Was würden die großen Bergsteiger dafür geben, den Gangkar Puensum zu bezwingen, den mit 7.541 Metern höchsten unbestiegenen Berg der Welt. Doch bis auf weiteres wird es damit wohl nichts. Der Berg liegt in Bhutan und dort ist Bergsteigen verboten, denn in den Bergen wohnen dem buddhistischen Glauben nach die Götter. Das abgeschiedene Land im Himalaja hat mehr als tausend Jahre in selbst gewählter Isolation gelebt. Nicht größer als die Schweiz, eingeklemmt zwischen den Riesenmächten China und Indien. Als in den Achtzigerjahren die ersten Bergsteiger ins Land gelassen wurden, schlugen die von den Rucksacktouristen überrumpelten Menschen so laut Alarm, dass die Regierung es sich schnell anders überlegte.

Überhaupt ist das konstitutionelle Königreich äußerst behutsam bei seiner Öffnung nach außen. Erst seit den Sechzigerjahren wendet Bhutan, in der Landessprache das Land des Donnerdrachens, sich nach und nach der Außenwelt zu. Bis dahin gab es weder befestigte Straßen noch Autos, kein Telefon, keine Post und keine Elektrizität. Bhutan achtet sehr genau darauf, dass die alten Traditionen nicht den Einflüssen der Außenwelt zum Opfer fallen, während das Land in nur einigen Jahrzehnten den Schritt vom Mittelalter ins 21. Jahrhundert wagt. Tourismus ist streng reglementiert. Nur als Teil einer organisierten Tour kommen neugierige Urlauber ins Land. Und sie müssen bereit sein, pro Tag obligatorische 250 Dollar in Bhutan auszugeben. Das ist für die organisierten Unterkünfte, Fremdenführer und Mahlzeiten aber ohnehin schnell fällig.   

Land der Widersprüche

Dieser Pfad zwischen Tradition und Öffnung macht Bhutan zu einem Land vieler Widersprüche. Der heutige König ist Elvis-Fan, spielt Basketball und ermutigt das Volk, Englisch zu lernen, das als Schulsprache eingeführt wurde. Nach wie vor aber ist die traditionelle Landestracht für Männer und Frauen Pflicht. 2008 wurden auf Geheiß des Königshauses die ersten demokratischen Wahlen abgehalten, was viele der damit plötzlich Wahlberechtigten gar nicht wollten.

Auch in der Entwicklungspolitik schlägt Bhutan durch die Besinnung auf seine Tradition eigene Wege ein. Bhutan wollte selbst wählen, wie sein Fortschritt aussieht. Auf den westlichen Leitsatz, dass mit Wirtschaftswachstum die wesentliche Grundlage dafür geschaffen sei, ließ das Land sich nicht ein. Gleich dem Tourismus wurden Investitionen ausländischer Kapitalgeber ebenso beschränkt wie das Bauwesen. Seit dem Beginn der Öffnung liegen der Entwicklung Prinzipien von Nachhaltigkeit zugrunde. Effiziente Institutionen stützten die wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Seit 1999 steht ein entsprechender nationaler Entwicklungsplan.

Nachhaltigkeit in Bestform

Es ist wohl vor allem der Schlagfertigkeit des früheren Königs Jigme Singye Wangchuck zu verdanken, dass Bhutan heute sogar einen eigenen Index hat, um seinen eigenwilligen Fortschritt zu messen. Als er 1979 von einem Journalisten nach dem Bruttoinlandsprodukt Bhutans gefragt wurde, antwortete er, es gehe ihm weniger um das rein wirtschaftliche Bruttoinlandsprodukt, sondern mehr um das Bruttoinlandsglück seines Volkes.

Heute hat sich die Parole zu einem Konzept gemausert, das Nachhaltigkeit in ihrer besten Form verkörpert und eine Reihe recht handfester Indikatoren beinhaltet. Gemessen werden die sogenannte konstante und gerechte Wirtschaft, der Schutz und die Unterstützung kultureller Werte, Umweltschutz, der übrigens schon in den Schulen gelehrt wird, und gute Staatsführung. Auf hochrangig besetzten Uno-Konferenzen wird das Bruttoinlandsglück längst als Modell für einen besseren Lebensstandard auch im Westen diskutiert.

Was die aktive Teilnahme der eigenen Bevölkerung an der Entwicklung betrifft, macht Bhutan große Schritte. Die Idee vom Wettbewerb der Parteien, der Politiker und um die besten Ideen setzt sich langsam durch in einer Welt, in der bislang die Kultur der Harmonie herrschte. Aufhalten wird es das Land in seiner Entwicklung nicht. Schon die Einführung freier Wahlen hatte Bhutan in eine absurde Situation gebracht: Der König verordnete Demokratisierung, ein Teil der Bevölkerung lehnte sie ab. Doch ein letztes Mal setzte der König sich ganz autokratisch durch.

Über Bhutan:

Das Königreich Bhutan mit der Hauptstadt Thimphu ist ein Binnenstaat in Südasien und grenzt im Süden an Indien und im Norden an Tibet. Das Land ist vom Himalaja geprägt, mehr als 80 Prozent des 38.400 Quadratkilometer großen Landes liegen über 2.000 Meter Höhe. Mehr als zwei Drittel Bhutans sind bewaldet. Von den rund 716.900 Einwohnern Bhutans leben nur 35 Prozent in Städten. Über 60 Prozent der Menschen leben von der Landwirtschaft. Bhutan ist buddhistisch geprägt, es gibt jedoch auch viele Hindus, vor allem im Süden des Landes. Bhutan hat den Umweltschutz in seiner Verfassung festgeschrieben. Die Wälder werden ökologisch nachhaltig genutzt, Brandrodung ist bei Strafe verboten. Als Nationalparks und Tierreservate sind 26 Prozent des Landes geschützt.

(Text: Benjamin Dierks, aus: change – Das Magazin der Bertelsmann Stiftung)

Buchtipp:
Die fünf in dieser Serie vorgestellten Länder stehen auch im Mittelpunkt des Buchs "Erfolgreiche Strategien für eine nachhaltige Zukunft", das die Bertelsmann Stiftung anlässlich des Reinhard Mohn Preises 2013 am Montag, 4. November, veröffentlicht.

Publikation: Erfolgreiche Strategien für eine nachhaltige Zukunft

Seit dem ersten Erdgipfel in Rio de Janeiro 1992 sind zahlreiche Staaten auf der Suche nach einem neuen Verständnis von wirtschaftlichem ...

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